Im Februar diesen Jahres veröffentlichten PRIPJAT ihr Album „Sons Of Tschernobyl“, welches seitdem nicht nur die Thrash-Metal-Szene zu begeistern weiß. Gitarrist Eugen ‚Dude‘ Lyubavskyy sprach mit Metal1.info über große Idole, die verrücktesten Erlebnisse der letzten Tour und Helden, die nicht in Vergessenheit geraten sollten.
Wie würdest du eure Musik beschreiben?
Wir spielen ehrlichen Thrash mit festen Wurzeln in den 80ern, die wir auch nicht verleugnen. Das hat aber nichts mit Rumpelsound und stümperhafter Bedienung der eigenen Instrumente zu tun. Keiner von uns ist einer dieser Oldschool-Nostalgiker, wir alle stehen auf einen Haufen Kram – darunter auch sehr moderne Musik. Bei Pripjat nehmen wir einfach alles, was wir im Thrash Metal geil finden und machen was Eigenes daraus. Natürlich ist das nicht neu, aber wir schreiben gute Songs und darauf kommt es meiner Meinung nach an. Wenn ein geiles Riff perfekt passt und nach Kerry King klingt, dann ist das doch geil! Wer Slayer nicht mag, wird mit uns eh nie etwas anfangen können.
Ich denke, durch diese Einstellung unterscheiden wir uns auch von vielen Bands. Wir versuchen nicht zu sein, was wir nicht sind. Die 80er sind vorbei – und damals waren wir Kids bzw. Babys. Sich in eine siffige Kutte zu werfen und „Trueness“ zu predigen, ist nicht unser Ding. Wir lieben die Musik ohne ihre Klischees. Obwohl ich versiffte Kutten schon sehr gerne mag. Und es kommen so viele „ältere Kaliber“ auf uns zu, also Leute über 40, die uns „Danke“ für „Sons Of Tschernobyl“ sagen. Von solchen Dudes, die das ganze Ding hautnah miterlebt haben, so ein Kompliment zu bekommen, ist immer eine Gänsehautangelegenheit. Gleichzeitig mögen uns aber auch Leute, die Thrash sonst kaum hören – auch das ist verrückt!
Euer Bandname und der Titel der aktuellen Veröffentlichung spielt auf die Nuklearkatastrophe 1986 an. Warum habt ihr diese Thematik gewählt?
Kirill und ich kommen beide aus Kiew. Der Bandname passt einfach perfekt zu uns und der Musik. Wir sind keine politischen Aktivisten, aber ich mache mir schon viele Gedanken um die Welt. Und das reflektiere ich in den Lyrics. Wir werden nicht ewig über Tschernobyl schreiben – das wäre langweilig. Aber die AKW-Katastrophe ist für mich eine Metapher, ein Denkmal des menschlichen Scheiterns an der eigenen Arroganz und Ignoranz und es ist nicht wieder gut zu machen. Strahlung vergisst nicht. Wir bringen einige Kids dazu, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen, wenn sie unsere Musik mögen und wissen wollen, was Pripjat ist. Und das ist cool.
Wird diese Problematik jetzt so etwas wie euer Markenzeichen?
Nein, ich denke nicht. Pripjat ist, wie gesagt, ein symbolischer Name. Wir können nicht immer nur über Nukleartonnen schreiben und haben es auch schon auf „Sons Of Tschernobyl“ nicht getan. Sicherlich werden sich einige Songs mit der Thematik auseinandersetzen. Ansonsten werden wir sehen, was das nächste Album bringt. Natürlich ist das atomare Image schon gut – wir wissen ja auch wirklich, wovon wir reden und waren unmittelbar von dem GAU betroffen. Auf der Bühne werden wir euch also auch weiterhin verstrahlen.
Ich möchte euch zu „Sons Of Tschernobyl“ gratulieren. Wie war die Resonanz bisher?
Vielen Dank! Die Resonanz war umwerfend. Man hört natürlich immer wieder, wie Musiker ihren Kram selbst als den besten ever loben. Auch wir waren mit dem Resultat sehr zufrieden, auch aus Sicht der Fans der Mucke. Pripjat ist ja kein Produkt, oder ein Weg berühmt zu werden. Dafür wäre eine Techno-Deathcore-Band sicherlich einfacher gewesen. Wir wollten einfach ein Thrash-Album machen, das wir uns selbst schon lange von jungen Bands gewünscht, aber nicht bekommen haben. Dass das Baby dann so einschlägt – darüber haben wir uns gar nicht nachzudenken getraut. Bei uns wird eher einfach gemacht. Zu viel denken und planen ist schlecht für die Kreativität und das ungehemmte Gefühl, das Thrash ausstrahlen sollte.
Wie geht ihr mit negativer/positiver Kritik um?
Bobo und Michi lesen sich kaum Reviews durch. Kirill und ich schon – wir sind eitler. Aber da ich selbst Metal-Journalist bin, kann ich schon ziemlich schnell erkennen, was hinter den Zeilen steckt. Mir ist es wirklich nicht so wichtig, ob man uns gut oder schlecht findet – solange der Artikel gut geschrieben ist. Ein Verriss kann auch sehr nützlich sein. Hatten wir bisher aber tatsächlich nicht gehabt. Dass wir überhaupt so viel Aufmerksamkeit bekommen haben und selbst im norwegischen Radio gespielt werden – das ist unglaublich. Wir sind einfach vier Dudes, die Metal lieben.
Gibt es etwas an dem Album, womit du nicht 100% zufrieden bist?
Ja, klar. Das ist im Nachhinein immer so. Aber gleichzeitig liebe ich das Ding auch vom ganzen Herzen. Studio war für mich ein Alptraum. Als Pripjat gegründet wurde, war ich technisch noch längst nicht so weit. Bei der Band habe ich mein erstes Solo überhaupt erst gespielt und ihr habt ja die Platte gehört – wir solieren ständig (lacht). Das muss auch so sein und daher habe ich echt geackert, um diesen Standard zu erreichen. Bei den anderen war das nicht so – diese Freaks lieben es aufzunehmen. Es war auch Kirills erstes Projekt als Producer. Er hat das Album im Alleingang aufgenommen, gemischt und gemastert – autodidaktisch! Das Ergebnis habt ihr ja gehört, einfach unglaublich was der kleine Scheißer drauf hat (lacht). In der Zukunft werden wir einige Sachen sicherlich anders machen, aber das sind nur Details.
Der Track „Liquidators“ ist einmal englisch, einmal russisch auf dem Album. Warum?
Weil es erstens der erste Song war, den wir je geschrieben haben und zweitens passte die Thematik perfekt. Es geht um die Liquidatoren, die mit ihren eigenen Händen hoch verstrahlte Trümmer vom Reaktordach werfen mussten – die ersten Wellen sind nur einige Tage später gestorben. Als ich das letzte Mal in Kiew war, sah ich ehemalige Liquidatoren demonstrieren – man hatte ihnen freie Fahrt in den öffentlichen Verkehrsmitteln gestrichen. So ist der Mensch – er vergisst alles. Wir wollten nicht, dass man diese Helden vergisst. Und da in der Ukraine viele kein Englisch sprechen, haben wir gehofft, dass sie den Song vielleicht hören und froh sind, dass eine junge Generation ihnen immer noch für ihre Opfer dankbar ist. Denn das sollten wir sein!
Was ist dran an den Gerüchten, dass Yordan Letchkov bereits in jungen Jahren eine Glatze erlitt, weil er als Liquidator der bulgarischen Armee eingesetzt wurde?
(Lacht) Den Namen musste ich erst einmal googeln. Wir sind alle völlig desinteressiert an Fußball. Für mich ist es kein Sport, sondern eine andere Form von Glücksspiel der Superreichen und gleichzeitig ein Werkzeug, die Menschen still zu halten. Diese WM ist eine Schweinerei und die nächste wird noch schlimmer. Brot und Spiele – fuck this shit! Daher kann ich auch nichts zum Yordan sagen.
Wie läuft das Songwriting bei euch so ab?
Für Sons hatte Kirill schon sehr vieles alleine geschrieben. Ca. drei Songs waren fast fertig und wir mussten nur Details ändern. Auch sonst hat er ein sehr gutes Gespür dafür, gute Riffs zu tollen Songs zu verbinden. Ansonsten bringen er und ich Ideen zur Probe mit und wir jammen darauf zusammen. Ein Song ist erst dann fertig, wenn wir alle einverstanden sind. Live ist uns das wichtigste und wenn man einen Song nur halb mag, dann gibt man auf der Bühne auch nicht alles – und das geht gar nicht!
Welchen Einfluss hatten andere Bands bisher auf euch? Was sind eure größten „Idole“?
Wirklich alle Thrash-Bands. Bei uns hat jeder so seine Lieblinge (Bobo kann JEDEN Slayer Song nach drei bis fünf Sekunden erraten) und die Mischung machts. Idole mögen wir nicht, daher auch die Zeile: „FUCK YOUR WAY! FUCK YOUR TRENDS! FUCK YOUR STYLE!FUCK YOUR IDOLS!“ Wir sind nicht anti alles – es ist eher der Aufruf dazu seine eigene Persönlichkeit zu fördern und eine eigene Meinung zu haben.
Eure Tour ging gerade zu Ende. Wie verlief sie?
Die Tour war Hammer! Es war für uns alle eine total neue und tolle Erfahrung! Da haben wir wirklich verstanden, dass wir den Shit durchziehen wollen. Wenn wir jemals wenigstens halb von der Musik leben können, dann werden wir es auch tun! Natürlich sind wir noch eine sehr kleine Bands und viele Gigs waren schlecht besucht. Allgemein hat man gesehen, dass es den Underground, von dem alle ständig reden, de facto kaum gibt. Aber wir hatten auch fantastische Konzerte und haben einen Haufen toller Leute kennen gelernt. Gereist sind wir durch Deutschland, Österreich, Schweiz (fickt den Zoll!) und Tschechien.
Gab es irgendwelche witzigen Erlebnisse?
(Lacht) Ach da war ständig irgendwas Lustiges. Wir haben jede Minute der Zeit genossen. Prag war ziemlich krass. Da war dieser Laden „Harleys Bar“ – eigentlich eine Rockbar für Jedermann, aber die Stimmung war killer! Nach einer Stunde haben wir zu Slayer auf den Tischen gebangt und Mexikaner haben uns gefilmt. Das war sehr dick. An einem anderen Tag saß ich eine Minute vor unserem Dreckslochhostel und mir wurde direkt Crystal Meth angeboten. Irgendwie scheint man als reisender Musiker eine gewisse Aura auszustrahlen (lacht). Dieses Hostel war so schäbig, dass wir uns mit zwei Freunden, die mit uns gereist sind, in dem Zimmer verbarrikadiert hatten, mit Messern unterm Kopfkissen (die voll von braunen, verkrusteten Flecken waren) und auf den Sonnenaufgang gewartet haben. Das war wirklich unglaublich. Aber genau so wollten wir es auch haben.
Habt ihr viel zu tun in der jetzigen Festivalsaison?
Och gerade geht es eigentlich. Bei uns stehen Gigs auf dem German Metalheads Festival und dem Metallergrillen Festival an, ansonsten aber nur Einzelgigs. Leider haben Death Angel gerade ihre Sommertour abgesagt – wir sollten mit denen in Köln spielen – ich als Fan war total froh. Aber was soll es, die kommen wieder. Ansonsten arbeiten wir an unseren Festivalplänen als Fans – dieses Jahr wollen ein Paar von uns die Metal Days in Slowenien ausprobieren. In den Videos sieht es aus wie das Paradies auf Erden.
Mit welcher Band würdet ihr gerne mal zusammen touren?
Uh, mit zu vielen. Wenn es eine Thrash-Band sein sollte, fände ich persönlich Kreator, Destruction, Overkill oder Testament sehr geil.
Habt ihr irgendwelche Zeremonien vor einem Liveauftritt?
Ne. Zeremonien sind was für Black/Okkult-Bands. Wir gehen raus, treten Ärsche und haben die beste Zeit unseres Lebens.
Könntest du dir persönlich vorstellen, mal in einer Jazz/Pop/Soul/Reggae Band zu spielen?
Absolut! Wir sind sehr vielseitig interessiert. Drei von uns wohnen zusammen, wir hängen jetzt im Sommer fast täglich im Park herum, jammen auf Percussions oder gehen zu Open Mike Abenden. Ich finde es sehr traurig, wie konservativ die Metalszene ist. Da kriegt man ernsthaft vorgeschrieben, was man zu hören hat und was nicht. Ich mag Metal eben wegen der „Scheiß was du darüber denkst“-Attitüde. Szenewächter können uns alle mal. Wir spielen guten Thrash und wenn ich dann auf eine 90er-Trash-Party mit Spice Girls gehe oder auf ein elektronisches Festival, dann hab ich eben Bock drauf. Nicht true? Nicht mein Problem. Wobei ich nie Pop spielen würde – ich kann nur Musik machen, die ich mag. Kirill und Bobo haben eine fantastische Death Metal Band mit World Music Elementen – Ayahuasca. Mich würde mal eine Sludgy-Doom Band mit viel Sabbath drin reizen.
Zuletzt – Lass uns unser typisches Brainstorming machen:
China: Da essen sie Hunde.
Schandmaul: Ich glaube, die waren auf der Rollenspielmesse, auf der ich auch war. Die sollen gut sein.
Ruhrgebiet: Ich kam mit zehn Jahren nach Mönchengladbach und vor fünf Jahren nach Köln – man kennt sich. Obwohl ich nichts mit Lokalpatriotismus anfangen kann. Ich bin Weltbürger.
Groupies: Ich nehm zwei.
Schallplatten: Liebe ich! Mein Schallplattenspieler ist grad am Arsch, was mich sehr traurig macht. Die neue Suffocation hab ich schon ewig und konnte sie noch nie auflegen. Das ist ein Drama.
Vielen Dank für das Beantworten meiner Fragen. Hast du noch ein paar abschließende Worte an unsere Leser?
Vielen Dank für die sehr coolen Fragen! Bleibt heavy, Dudes und Dudettes. Und lasst euch von keinem was erzählen – schön auf sich selbst hören. Cheers!