Konzertbericht: Dornenreich w/ Heretoir, Wassermanns Fiebertraum

07.05.2014 Nürnberg, Rockfabrik Underground

dornenreich tour

„Freiheit“, das aktuelle DORNENREICH-Album, will die Band als Zäsur verstanden wissen, nach der der weitere kreative Weg des Trios vollkommen offen ist – Grund genug, auf einer ausgedehnten Tour noch einmal Revue passieren zu lassen, was den Avantgarde Metal der Österreicher über die Jahre ausmachte. Als Support hat man sich die aufsteigenden HERETOIR und WASSERMANNS FIEBERTRAUM ins Boot geholt.wassermannsfiebertraum14 Fans kann das Bandpaket seinerseits an diesem Abend jedoch nicht in allzugroßer Zahl hinter dem Ofen hervorlocken: Auch der ohnehin schon gemütliche Rockfabrik Underground füllt sich bestenfalls zur Hälfte. WASSERMANNS FIEBERTRAUM stört dies allerdings nicht, im Gegenteil präsentiert die junge deutsch-österreichische Band ihren Post Rock so ambitioniert, dass die Gitarristen neben den Saiten bisweilen zugleich in die Tasten greifen. WassermannsFiebertraum-TauchedieWeltinFarbenAuch kompositorisch ist man engagiert genug, allzu klassische Strukturen des Genres aufzubrechen und die Songs trotz bisweilen ausufernder Länge durch überlegt gesetzte Kontraste spannend zu gestalten. So präsentiert der Fünfer neben spielerischen, verträumten Melodien und den typischen Soundwänden zwischendurch auch mal rhythmisch ansprechende Gitarrenriffs – Abwechslung wird hier definitiv groß geschrieben. Da stört es auch nicht weiter, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Elementen bisweilen etwas hölzern wirken oder schlicht fehlen. Musikalisch hinterlassen WASSERMANNS FIEBERTRAUM einen positiven Gesamteindruck, weniger gilt dies für die Videoeinspielungen, deren atmosphärischer Gehalt irgendwo zwischen Naturaufnahmen und Clips von Atombombentests oder wahlweise dem Schultheater auf der Strecke bleiben. Hier wäre weniger mehr gewesen.

heretoirlogoMit HERETOIR geht es im Anschluss in vergleichsweise finstere Gefilde – Depressive Black Metal steht auf dem Programm. Bei routinierter Darbietung und in sich stimmigem Songmaterial lässt die Band aus Augsburg zwar nichts anbrennen, im Laufe der 50 Minuten Spielzeit aber an Höhepunkten vermissen. Nicht zu jeder Sekunde wird die Stimmung des selbstbetitelten Debüts schlüssig eingefangen, manchmal verpassen es die Songs, den Hörer mitzunehmen. Der Vorgeschmack aufs neue Album hat dieses Problem indes nicht, hier werden HERETOIR vergleichsweise ruppig, was der Band gerade live gut zu Gesicht steht. Angesichts zweistimmiger Screams von Eklatanz und Bassist Torsten kann man der Band auch kein mangelndes Engagement vorwerfen, in letzter Konsequenz zündet der Sound an diesem Abend jedoch nicht.
Dornenreich2014 Dies mag auch an den Erwartungen an die nachfolgenden DORNENREICH liegen, deren Sound bekanntlich nach wie vor einzigartig ist, was Extravaganz, Emotionalität und songschreiberische Finesse angeht. Und obwohl das Trio um Mastermind Evíga auf der Bühne ohnehin immer alles gibt, gelingt es der Band in einem immerhin 80 Minuten umfassenden Set, die schlüssigste DORNENREICH-Live-Darbietung der letzten Jahre zu präsentieren.
Dornenreich-FreiheitVerantwortlich dafür ist nicht zuletzt die exzellente Setlist, die, von allen Altlasten befreit, nur noch aus Songs besteht, die in der aktuellen Besetzung adäquat umgesetzt werden können – ob das in seiner Metal-Version spektakuläre „Jagd“, das bei Up-Tempo regelrecht panische „Der Hexe flammend‘ Blick“ oder das dramatische „Flammenmensch“, alles scheint schon immer für Gitarre, Geige und Schlagzeug geschrieben zu sein. Auch die seit jeher bevorzugt dargebotenen „Her von welken Nächten“-Nummern reihen sich mit endlich auf den Punkt gebrachten Live-Versionen nahtlos ein in eine Show, die man, so befremdlich das im Kontext einer DORNENREICH-Show zunächst klingen mag, als Hitfeuerwerk bezeichnen möchte. Dass man es nebenbei noch schafft, vor allem mit Hilfe der Songs des aktuellen „Freiheit“-Albums eine übergreifenden Spannungsbogen zu kreieren, ist nur noch das letzte Element auf dem Weg zu einer mitreißenden Show. DORNENREICH zeigen noch einmal eindrücklich, welche Intensität sie auf einer Bühne entfalten können und stimmen trotz der Aussage Evígas, dass die angekündigte Auszeit keineswegs das Ende Band bedeutet, für den Moment nostalgisch.

Setlist DORNENREICH:
(Akustik-Set)
01. Intro
02. Freitanz
03. Im ersten aller Spiele
04. Des Meeres Atem
05. Meer
(Metal-Set)
06. Flammenmensch
07. Jagd
08. Der Hexe flammend‘ Blick
09. Aus Mut gewirkt
10. Wolfpuls
11. Traumestraum
12. Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz

13. Erst deine Träne löscht den Brand
14. Trauerbrandung
15. Wer hat Angst vor Einsamkeit?

Die Auftritte von HERETOIR und WASSERMANNS FIEBERTRAUM verblassen an diesem Abend im Angesicht der annähernd perfekten Darbietung DORNENREICHs im Nachhinein ein wenig, der musikalisch offene Hörer erhielt aber in jedem Fall ein abwechslungsreiches und qualitativ ansprechendes Gesamtpaket: Zwei junge Bands, die in ihren Genres gut aufgestellt sind und eine, die auf ihrer erst einmal abschließenden Tour noch einmal alle Register zieht – mehr kann man sich von einem Abend, der mit Ticketpreisen deutlich unter 30 Euro auch noch erschwinglich blieb, kaum erwarten.

Publiziert am von Marius Mutz

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