Auch wenn rückblickend das Album „Joy Parade“ vermutlich den entscheidenden Einschnitt in die Karriere der Saarländer FLOWING TEARS AND WITHERED FLOWERS, wurde der sperrige Bandname erst im Anschluss geändert. Die ebenfalls etwas sperrige, weil episch-ausufernde Musik des unfassbar atmosphärischen Debüts „Swansongs“ wurde aber schon hier über Bord geworfen.
Somit ist klar, die Unterschiede zwischen den beiden Alben sind mehr oder weniger extrem. Wesentlich ist der Wechsel am Mikrofon, erstmals übernahm mit Stefanie Duchêne eine Frau die Frontposition, Manfred Bersin wechselte von dort an die Gitarre, somit ist die Grundausrichtung nun eine völlig andere. Gleich geblieben ist das Markenzeichen, welches die Band seit ihrer Gründung Mitte der 90er auszeichnet: das Gefühl für emotionale Songs. Doch im Gegensatz zum Debüt geschieht dies hier erstmalig mit Hilfe von kürzeren Liedern, die schneller auf den Punkt kommen und den Fokus so auf mehr Eingängigkeit lenken. Songwriter Benni kommentierte das an verschiedenen Stellen sehr treffend: „Wir hatten einfach keine Lust mehr auf zehnminütige Keyboardpassagen.“ Kann man so stehen lassen, „Joy Parade“ wirkt wesentlich kompakter, auch wenn mehrere Nummern immer noch um die sieben Minuten pendeln.
Die wesentlichen Unterschiede sind damit genannt, entsprechend muss man seine Erwartungshaltung ändern, wenn man mit „Swansongs“ etwas anfangen konnte. Das heißt aber nicht, dass FLOWING TEARS AND WITHERED FLOWERS hier qualitativ (deutlich) schlechtere Arbeit abliefern. Vielmehr variieren sie recht geschickt zwischen Liedern, die schnell ins Ohr gehen und solchen, die sich mit der Zeit entfalten. Der Opener „Purple Red Soil“ ist ein gutes Beispiel für den ersteren Fall, obwohl es nicht einmal einen richtigen Refrain hat, bleibt es sofort aufgrund der im positiven Sinne simplen Instrumentalarbeit und der ergreifenden Gesangslinie hängen. Oder auch „Spirals Meet The Sea“, welches minutenlang recht bedächtig eröffnet, um dann alle Emotionen loszulassen, vielleicht noch am ehesten ein Song, welcher von seinem langsamen Aufbau an „Swansongs“ erinnert, durch den Ausbruch in der zweiten Hälfte aber gekonnt den Bogen zum alles überragenden Nachfolger „Jade“ schlägt. Eben jenes Album, welches eines der emotionalsten überhaupt ist.
Auf der anderen Seite hat man aber auch Lieder wie „Odium“ oder „Trust“, welche beide etwas Zeit brauchen, um ihre wahre Schönheit zu entfalten, auch der wiederum sehr getragene Rausschmeißer „The Day You Took My Breath“ ist in diesem Zusammenhang zu nennen, allesamt auch Lieder, die durch die Schönheit ihrer Texte glänzen können. Vielleicht könnte man dies noch als Unterschied zum Debüt aufführen, regierten damals noch recht jugendliche Visionen von Sturm und Drang in natürlicher Umgebung, liegt der Fokus nun deutlich auf persönlichen Themen wie Liebe, Trauer, Verlust und ähnlichem, was das Genre so hergibt. Aber auch hier gilt: In der Umsetzung unterscheiden sich FLOWING TEARS AND WITHERED FLOWES einfach von einem Großteil der Szene, schöne Wörter kleiden die Songs absolut unklischeehaft ein.
Viel war damals neu bei den Saarländern und dies steht ihnen nach wie vor gut. Zwar verzichtete man auf Vieles, was das Debüt so großartig machte, aber man machte es sich leicht und addierte stattdessen andere Dinge, die wiederum „Joy Parade“ einzigartig machen. Nach wie vor ist es schade, dass die Musik nur auf einem sehr kleinen Label erschien, aber vielleicht ergibt sich ja doch irgendwann die Möglichkeit, diese noch einem etwas größeren Kreis interessierter Hörer zugänglich zu machen. Ein rundum gelungenes Album, an welchem man lange Freude hat.
Wertung: 8.5 / 10