Zum zweiten Mal ruft das „Hell Over Hammaburg“ in die Hamburger Markthalle. Wie schon beim ersten Mal steht das Festival für sorgfältig ausgewählte Bands, die man zum Teil nur selten sehen kann. Entsprechend ist der Andrang groß und das Festival im Laufe des Abends „sold out“. Nicht wenige Besucher hatten lange Wege hinter sich gelegt, um die Bands zu sehen, sodass man verschiedene Sprachen in der Location hören konnte. Wie die einzelnen Bands sich geschlagen haben und was in der Organisation noch nicht 100%ig rund lief, lest ihr in unserem Bericht zum „Hell Over Hammaburg“!
Schon bei BÖLZER, der ersten Band des Festivals, ist das Marx, das für ungefähr 250 Gäste Platz bietet, brechend voll. Kein Wunder, denn das Debüt „Aura“ hat hohe Wellen im Death-Metal-Underground geschlagen. Besonders Freunde von Sonne Adam, Necros Christos und Konsorten dürften große Freude an der Mini-LP gehabt haben. Um den eigenständigen mystischen Black/Death-Metal live zu zocken, braucht das Duo (Schlagzeug und Gitarre) keine Verstärkung. Auch zu zweit überollt der abgrundtiefe Sound, den die beiden spielen, von Anfang an alle, die sich vor die Bühne quetschen konnten. Das knallende Schlagzeug und allen voran die höllische Bassdrum massiert Leib und Seele. Leider gehen dabei die rasenden sphärischen „Melodien“ ein wenig unter, obwohl gerade diese die eigenständige Atmosphäre der Band ausmachen. Das bessert sich aber im Laufe der knappen halben Stunde Spielzeit. BÖLZER legen schon ganz am Anfang ein ordentliches Brett vor.
Gleich zu Beginn müssen aber zahlreiche Fans vorm Eingang zum Marx warten, denn viele, die die Band sehen wollen, passen nicht mehr in die kleinere der beiden Locations. Die Festivalcrew muss den Riegel vorschieben. Das Problem besteht leider bis zu dem Zeitpunkt, ab dem sich die Spielzeiten der Bands überschneiden und die Besucher sich somit (zumindest zeitweise) auf zwei Locations verteilen. Das ist bisweilen sehr ärgerlich, denn wer Kompromisse eingeht und nicht schon zehn Minuten vor Beginn einer Band im Marx steht, muss stellenweise ganz draußen bleiben. (MH)
Wenigstens gibt es in der großen Halle genügend Platz, wo fast zeitgleich mit dem Ende von Bölzer CORSAIR beginnen. Das grandiose Debüt gilt unter Classic-Rock/Metal-Liebhabern mit Vorliebe für Wishbone Ash, Thin Lizzy und Iron Maiden als echter Geheimtipp. Die junge Band aus Virginia kommt für’s Hell Over Hammaburg sogar zum ersten Mal nach Europa. Der ganze Auftritt wirkt vielleicht gerade deshalb ein wenig nervös. Fast schon verloren scheint das Quartett auf der großen Bühne in der Markthalle. Vielleicht wären CORSAIR im kleineren Marx besser aufgehoben gewesen. Die Songs werden deshalb aber nicht schlechter: Großartige Twin-Gitarren stehen im Vordergrund, das macht die Band von Anfang an klar. Teilweise dreistimmig singen CORSAIR ihre gefühlvollen Harmonien. Highlight des Sets sind die Hits des Full-Lengths-Debüts wie „Falconer“ und allen voran „Of Kings And Cowards“. (MH)
Danach geht es wieder einmal quer rüber ins Marx, mit viel Geduld ist es sogar möglich sich weit vor die Bühne zu schlängeln, wo dann überraschend viel Platz ist. Es hat sich gelohnt, denn auf der Stage spielen gerade MANTAR die intensivste und energiegeladenste Show des ganzen Festivals. „No fancy art production – just raw display of power“ – passender als die Band selbst, kann man die Musik der Hamburger kaum zusammenfassen. Eine Mischung aus Metal, Doom und Punk – Melvins, Darkthrone, Celtic Frost. Sänger/Gitarrist Hanno schreit sich auf der düsteren, nur vom Stroboskoplicht beleuchteten Bühne mit rauer Kehle die Stimme heiser. Der Schweiß tropft nicht nur von seiner Stirn, sondern auch von der Decke des Marx. Wahnsinnig geiler Auftritt des Duos (!!), die zu zweit mehr Zerstörung auf die Bühne bringen, als jede andere Band des Abends. Für mich die Überraschung des Hell Over Hammaburgs. (MH)
Weiter geht es mit den Sludge-Senkrechtstartern OMEGA MASSIF. Die rein instrumentale Band platziert sich platzsparend und bescheiden auf der großen Bühne – lediglich ihre riesigen Effektboards fallen auf. Ihre Musik hingegen erzeugt einen beachtlichen Druck in der gesamten Markthalle, als die vier Würzburger eine massive Klangwand nach der anderen aufbauen. Tiefenlastig und wuchtig präsentiert sich der Ton bei diesem Auftritt in Höchstform, was man leider nicht von allen Konzerten behaupten kann. Auf den vorderen Plätzen stellen sich durch die tiefen Töne gar die Härchen auf den Armen auf. In der Halle entfaltet die Musik mit ihren repetitiven Riffs, ihrer betonten Langsamkeit und ihrem fetten Sound eine fast hypnotische Wirkung. Dazu passt die reduzierte Atmosphäre – kein Lichtstrahl trifft die Jungs von OMEGA MASSIF, auf Ansagen verzichtet die Band fast völlig. Hier steht die Musik im Vordergrund, und die überzeugt! (ML)
Einmal mehr ist das Marx zum Brechen gefüllt, denn die schwedischen Newcomer DEAD LORD locken. Sie spielen Rock, der massiv den Geist von Thin Lizzy atmet – und machen das in Musik, Gesangsintonation und Kleidungsstil kompromisslos klar. Ihre Saat fällt auf fruchtbaren Boden: Im Raum scheint jeder die Band und ihr Debütalbum „Goodbye Repentance“ zu kennen. Das Publikum singt die Texte laut mit, klatscht, johlt und wippt, dass es auch von den vielen Plätzen mit schlechter Sicht auf die Bühne noch eine Freude ist, dabei zu sein. Vielleicht hat das Publikum nach den vielen eher doomigen und in verschiedenen Härtegraden elegischen Bands einfach Lust auf Bewegung und Feiern, jedenfalls ergibt sich bei DEAD LORD eine wunderbare Partystimmung, die sofort überspringt. Rock’n’Roll! (ML)
Falls sich heute in Hamburg die Pforten zu Hölle öffnen, dann spielen THE RUINS OF BEVERAST den Soundtrack dazu: Abgrundtief böser, doomiger Black/Death-Metal der Extraklasse. Das aktuelle Album „Blood Vaults – The Blazing Gospel of Heinrich Kramer“ hat Potenzial zum Genreklassiker – Triptykon und Sonne Adam lassen grüßen. THE RUINS OF BEVERAST ist immer noch das Ein-Mann-Projekt vom früheren Nagelfar-Mann Alexander von Meilenwald. Deswegen holt er sich befreundete Musiker mit ins Boot, um seine monumentalen Songs auf die Bühne zu bringen. Aufgrund technischer Probleme dauert es lange bis die Band anfängt. Alle Lichter gehen aus, als die Truppe die Bühne betritt und das Intro „Apologia“ den Song „Daemons“ einleitet. Böse röchelnde Growls oder klarer Gesang – alles sitzt perfekt. Nur wirkt sich der verspätete Beginn leider auf die Spielzeit aus und die angekündikten sechzig Minuten schrumpfen auf ungefähr vierzig zusammen. Es bleiben also nicht viele Songs, die THE RUINS OF BEVERAST spielen, denn die Stücke werden in all ihrer epischen Länge, samt atmosphärischen Einspielern aufgeboten.THE RUINS OF BEVERAST bestätigen auch live die Qualität des letzen Albums: atmosphärisch, düster, heavy. Das Hell Over Hammburg ist begeistert. (MH)
Die Running Order im Marx ist inzwischen in Unordnung geraten: Anstelle von Faustcoven stehen (präziser: sitzen) plötzlich BEEHOOVER auf der Bühne. Dem Vernehmen nach hat ein Mitglied von Faustcoven Verspätung, sodass spontan getauscht wurde. Die deutschen Stoner Rocker sind schon die dritte Band des Abends, die nur aus zwei Mitgliedern besteht – und, das muss man leider sagen, die bei der das Konzept am wenigsten aufzugehen scheint. Bass und Schlagzeug erzeugen einen tiefen Sound und einiges an Rhythmus-Gefühl, aber dennoch wirkt das Ganze etwas inhomogen. Das liegt auch am Gesang, der einerseits zu leise abgemischt ist und gegen die vielen tiefen Töne nicht ankommt, der andererseits aber auch qualitativ nicht recht zu überzeugen vermag. Immerhin sind BEEHOOVER die erste Band am Tag, zu der man problemlos in das Marx hineinkommt. (ML)
In der großen Halle hat sich derweil der Co-Headliner ATLANTEAN KODEX in Stellung gebracht. Die Bayern haben mit ihren zwei Alben und zwei EPs deutlich gemacht, wofür sie stehen – atmosphärischen Epic Metal für Erwachsene. Davon präsentiert die Band vor der nun gut gefüllten Markthalle eine gelungene Kombination der bisherigen Veröffentlichungen mit klarem Fokus auf dem starken 2013er-Output „The White Goddess“. Das ist beim Publikum offenbar bestens bekannt, denn nicht nur ist die Resonanz auf die Bayern ausnahmslos positiv, das Publikum lässt sich schon früh in der Setlist, beim epischen „Sol Invictus“, zum lauten Mitsingen animieren, was Sänger Markus Becker fast schon in Rührung versetzt.
ATLANTEAN KODEX dankt mit einem großartigen Auftritt, der kaum einen Wunsch offen lässt. Gerade die beiden Gitarristen und der Sänger liefern eine hervorragende Leistung ab, wie besonders bei dem vom Publikum hemmungslos gefeierten „Twelve Stars And An Azure Gown“. Lediglich beim Klang gibt es zwischenzeitlich immer wieder Probleme, weil der Bass übersteuert wiedergegeben wird. Damit vermatscht das Klangbild an einigen Stellen. Interessant ist, dass ATLANTEAN KODEX in ihrem Liveprogramm auf sämtliche Samples, Zwischenspiele oder Ähnliches verzichten. Die Songs werden dadurch kürzer und kompakter, wobei vornehmlich ruhigere Elemente entfallen – eine radikale, aber gute Entscheidung für einen Liveauftritt. Als ATLANTEAN KODEX das Publikum nach etwas überzogener Spielzeit in die letzte Umbaupause des Abends entlassen, sieht man überall zufriedene Gesichter. (ML)
Achtung, jetzt wird es obskur: Die Chilenen HERTROERTZEN betreiben höchsten Aufwand, was das Bühnenbild betrifft: Ein riesiger Gong und Kerzenständer zieren die Stage. Die Band hüllt sich in Mönchskutten und versteckt sich hinter venezianischen Masken. Auch ein riesiges Pentagram hält der Sänger in die Luft. Was für die einen perfekt inszenierter satanischer Black Metal ist, wirkt auf andere wie eine peinliche Esoterik-Show. Der Großteil des Publikums ist nicht wirklich begeistert: „Ghost für Arme“ heißt es in den hinteren Reihen, nach den Songs gibt es kaum Applaus. HERTROETZEN nehmen sich ausgiebig viel Zeit für ihre Rituale. Während des Auftritt wird in kryptischen Gebeten der Teufel beschworen oder aus Totenkopfkelchen getrunken. Typische Black-Metal-Fans sind im Publikum kaum zu finden, was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass es wenig Zuspruch für die Band gibt. Schlecht ist der klassisch norwegische Black Metal, den HERTROETZEN spielen zwar nicht, aber am Geschmack der Besucher geht er doch eher vorbei. (MH)
Ein ganz großes Highlight ist dafür der Auftritt von FAUSTCOVEN. Die Band auf der Bühne zu sehen hat Seltenheitswert, weshalb viele Fans heute zum ersten Mal in den Genuss kommen, die Norweger live zu erleben. FAUSTCOVEN zocken eine Mischung aus klassischem Doom und frühem Black Metal: Eingängige zähe, schwere Riffs, die von Candlemass oder Saint Vitus stammen könnten, verpackt im rohen, dreckigen Sound von Venom und Bathory. Bestialisch und heavy zugleich. Das passt auch live wie die Faust aufs Auge. Sänger Samson Isberg kleidet sich ganz nach seinem Namensgeber mit roter Henkersmütze. Ultraaggressiv brüllt er in das Mikrofon und geht immer wieder auf Tuchfühlung mit den Fans in der vordersten Reihe, indem er sie zum Mitmachen auffordert. Zum düsteren „Whiskey Demon“ darf die Flasche Schnaps natürlich nicht fehlen. Mit „Chaos Descends“ spielen FAUSTCOVEN tatsächlich ein Cirith-Ungol-Cover. Der Auftritt der Norweger ist der gefährlichste des ganzen Festivals. Wer zum Schluss auch noch einen Song der womöglich besten Underground-Heavy-Metal-Band aller Zeiten spielt, macht alles richtig. (MH)
Für das Finale haben sich die Veranstalter des Hell Over Hammaburg einen besonderen Gast aufgehoben: Niemand Geringeres als die NWOBHM-Legende SATAN betritt um 23 Uhr die Bühne. Da SATAN mit ihrem 2013-Album „Life Sentence“ für Aufsehen gesorgt hatten (so frisch kann NWOBHM noch klingen?), wird die Ankündigung von Sänger Brian Ross, am heutigen Abend eine Mischung zu spielen aus den Songs von „Life Sentence“ und vom Debüt mit Klassikerruf, „Court In The Act“, mit großer Begeisterung angenommen. Die Band zeigt sich spielfreudig und Sänger Ross sucht immer wieder den Kontakt zum Publikum.
Das allerdings ist schon weniger geworden – woran das genau liegt, ist schwer zu sagen, aber bei Atlantean Kodex war die Halle noch deutlich mehr gefüllt. Vielleicht spielt es eine Rolle, dass SATAN nicht ganz in das Programm des Festivals zu passen scheinen. Relativ straight, relativ rockig und einwandfrei NWOBHM bilden sie doch eine Ausnahme vom restlichen Billing. Die anwesenden Fans und die Band stören sich jedenfalls nicht daran, sodass die folgende Stunde eine Zeitreise in die glorreichen Tage der 80er wird. Auch hier zeigt sich aber wieder das schon bei Atlantean Kodex bemerkte Problem mit dem Klang des Basses, das vom Mischer auch bei SATAN nicht restlos behoben werden kann. Davon abgesehen stimmt alles am Auftritt von SATAN, sodass das „Hell Over Hammaburg“ einen würdigen Abschluss findet. (ML)
FAZIT: Das Hell Over Hammburg ist ein wahres Liebhaberfestival. Bei der Bandauswahl sind Wolf und seine Kollegen keine Kompromisse eingegangen – das Lineup wurde konsequent nach dem eigenen Geschmack der Veranstalter ausgerichtet. Das wird vom harten Kern der Metalszene belohnt, die zahlreich erschienen ist. Bis auf wenige Ausnahmen waren die Auftritte der Bands absolut sehenswert. Der einzige Wermutstropfen war das Platzproblem im Marx, was aber wohl in der Natur der Sache liegt. Bei einem Indoor-Festival mit zwei unterschiedlich großen Locations passen nun mal nicht alle Besucher vor die kleinere Bühne. Aber im Marx war häufig nur der Eingangsbereich verstopft, obwohl direkt vor der Bühne noch genügend Platz gewesen wäre.
Es war ein Abend von Fans für Fans. Die meisten Bands kamen nicht nur als Musiker da, sondern auch als Besucher. Viele davon suchten nach dem Aufrtitt Kontakt zu ihren Anhängern. Von den aus ganz Europa angereisten Fans sollte keiner den weiten Weg bereut haben.