Ohne jeden Zweifel gehören sie zu den sieben Plagen des Heavy Metals: Weihnachtsalben. Rob Halford, Twisted Sister, Tarja Turunen oder gar das X-Mas Project – die Liste der Künstler, die sich an der metallischen Neuinterpretation von Weihnachtsliedern versucht haben, ist lang. Fast jedes Jahr kommt von irgendeiner bekannten Band mindestens ein Weihnachtslied, (zu) oft gar ein ganzes Album. Beim Trans-Siberian Orchestra gab es in den ersten Jahre seiner Gründungsphase sogar gar keine anderen Alben. Zumeist handelt es sich um banal brutalisierte Varianten der mehr oder weniger bekannten US-Weihnachtslieder. Nun versuchen sich die ziemlich unbekannten schwedischen Musiker aus A HERO FOR THE WORLD mit „Winter Is Coming“ ebenfalls an einem Weihnachtsalbum. Hallelujah?
Vermutlich waren sie von der ersten Note an zum Scheitern verurteilt. Hatte schon das selbstbetitelte Debüt von A HERO FOR THE WORLD an massiven Problemen in Komposition und Ausführung gekrankt, so ist ein Album voller Reinterpretationen eine große Herausforderung für diese junge Band. Musikalisch geht es dabei durchaus mit ein paar Abwechslungen zur Sache: Die Weihnachtslieder werden mal in rockigen Varianten mit E-Gitarre eingespielt (wie „Good King Wenceslas“ oder „Angels We Have Heard On High / Hark The Herald Angels Sing“), mal sind sie ruhige Akkustik-Nummern (wie „I Saw Three Ships / This Endris Night“, oder „Peace On Earth (It Came Upon The Midnight Clear / The First Noel)“). Es bleiben aber dennoch Verballhornungen von sonst durchaus schönen Weihnachtsliedern.
Ein Kernproblem ist die Stimme von Sänger Jacob. Er hat zwar im Vergleich zum Vorgängeralbum durchaus an Variation zugelegt, aber seine Stimme bricht immer noch zuverlässig bei den hohen Tönen (besonders „O Holy Night“) und hat nicht das Volumen für den klassisch intonierten Gesang, den er durchaus versucht (wie auf „O Come All Ye Faithful“). Sehr viel besser ist da die weibliche Gastsängerin, die einige Male ein paar ergänzende Verse einsingen darf und auf der Version von „Greensleves“ (Merke: Was nicht passt, wird passend gemacht) die Main Vocals bekommen hat. Aber auch sie kann nicht verhindern, dass alle Neuinterpretationen von vorne bis hinten billigt klingen – in der Instrumentierung mit ihren unzähligen Manierismen, in der Produktion, im Gesang und im überbordenden Kitsch.
Als ob A HERO FOR THE WORLD der Tragkraft eines reinen Weihnachtsalbums selbst nicht trauen würden, haben sie neben der Reinterpretation der Klassiker auch eigene Songs eingespielt und diverse Medleys. Leider sind die Medleys keine Lösung, sondern Teil des Problems: Die Übergänge bei den Verbundwerken sind im besten Fall simpelste Verschränkungen, zumeist aber einfach harte Brüche. Am befremdlichsten ist aber, dass sich A HERO FOR THE WORLD entschieden haben, ein Medley fast aller Weihnachtssongs in acht Minuten Länge als ersten Track des Albums nach vorne zu stellen – bitte was? Alle diese Songs hören wir später auch so noch auf „Winter Is Coming“! Besser hingegen ist die Komposition von „Marche Militaire“, das so auch fast vom Trans-Siberian Orchestra hätte sein können, und auch die musikalische Leistung auf dem Bonustrack „Piano Cannon Improvisus“ kann sich sehen lassen. Diese gelungene Irrlichter in der ganzen Weihnachtsbeleuchtung zu erkennen bedarf aber Zeit und Energie.
Zugegeben: Man weiß immerhin von vornherein, woran man ist. „Winter Is Coming“ nimmt keine Gefangenen – mit dem Sturmgeschütz werden Weihnachtsmelodien auf alle geschossen, die nicht bei drei auf dem Weihnachtsbaum geklettert sind. Als ob die Variationen auf die klassischen Songs nicht schon, sagen wir positiv: speziell genug wären, versteckt die Band als eine Art Running Gag in nahezu jede mit E-Gitarre gestützten Songvariante an eine Stelle die Kernmelodie von „Jingle Bells“. Das ist nicht schön, glaubt mir. Da vergisst man fast, dass sich mit „Winter Is Coming“ sogar ein astreiner Power-Metal-Song auf das Album geschlichen hat, der gar nicht mal so schlecht ist. Zum Glück ist bald Weihnachten!
Wertung: 4 / 10