Interview mit A Nameless Ghoul von Ghost

Seit zwei Jahren geht es für Papa Emeritus II. und seine namenlosen Ghouls steil nach oben. Zur Zeit sind GHOST mit der aktuellen EP „If You Have Ghost“ unterwegs, um in ganz Europa ihre unheiligen Messen zu feiern. Die Band erklärt, warum man GHOST nicht mit The Devil’s Blood vergleichen sollte und was Darth Vader und „Papa“ gemeinsam haben. Dazu gibt es eine interessante These zu Metallicas Stilwechsel in den frühen 90ern.

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Was war zu erst da – die Idee über das visuelle Konzept oder die Musik?
Die Musik kam zuerst. Der ersten Song, an dem wir gearbeitet haben, war „Stand By Him“. Alle in der Band arbeiteten zu dem Zeitpunkt in den verschiedensten Bands und Projekten. Und genau so hat es bei uns auch angefangen. Wir starteten als, ja, was du in der Musikszene eben ein Projekt nennst. Wir hatten den Song „Stand By Him“ und später kamen dann „Death Knell“ und „Prime Mover“ dazu. Ab diesem Zeitpunkt waren wir der Meinung, dass wir mehr daraus machen können. Also eine 7“ oder so. Es war für uns zunächst wirklich nur ein spaßiges Projekt. Aber dann fühlten wir, dass wir mehr daraus machen sollten. Bei den Lyrics zum Beispiel. Wir dachten uns, die Texte funktionieren eigentlich nicht, wenn da einfach ein paar Typen auf der Bühne stehen. Das war nicht, was wir uns vorstellten, als wir die Songs hörten. Wir waren der Meinung, dass es ein Theater sein sollte, eine große Messe. Wir sahen in den Songs mehr als nur Musik, wir hatten Bilder vor Augen. Und von da an nahm das visuelle Konzept immer mehr Form an. Uns wurde aber auch klar:  Wenn wir so etwas aufziehen wollen, brauchen wir mehr Zeit. Wir nahmen uns vor, am Songmaterial und am Image zu arbeiten, bevor wir irgendetwas Offizielles daraus machen. Deswegen hat es zwei Jahre lang gedauert und die Leute dachten, die Band komme aus dem Nichts. Wir bekamen innerhalb kurzer Zeit immer mehr Aufmerksamkeit. Aber das lag in erste Linie an den zwei Jahren Arbeit.

Wer genau ist denn verantwortlich für das ganze Artwork? Woher kamen die Ideen für dieses Image und von was habt ihr euch inspirieren lassen?
Vielleicht mag es danach aussehen, dass es eine Art Moderator für all das gibt. Aber für die meisten Ideen wie Layouts, Artworks und Shirts kommen von uns selbst. Manchmal kontaktieren uns irgendwelche Leute und überhäufen uns mit tollen Ideen. Wenn uns davon etwas gefällt, übernehmen wir es.

Als ihr begonnen habt, war mit Bands wie The Devil’s Blood oder In Solitude  bereits eine Art Okkult-Rock-Revival im Gange. Inwiefern habt ihr davon profitiert? Seht euch selbst als Ursprünge der Welle?
Viele haben vor uns damit begonnen. In Solitude zum Beispiel gibt es ja schon länger als uns. 1456775_10151861210191647_591099839_nZu dem Zeitpunkt, als GHOST nur diese drei Songs hatte, hatte ich zwar Kontakt zu Erik von Watain, einem sehr guten Freund von mir. Aber was allgemein in der Metalszene vor sich ging, habe ich komplett aus meinem Blickfeld verloren. Ich habe das Interesse an der aktuellen Szene verloren. Ich sammle immer noch die alten Sachen. Aber alles, was nach ungefähr ’93 rauskam, ist komplett uninteressant für mich. Das Meiste ist einfach schlecht. Natürlich gibt es ein paar Ausnahmen. Deathspell Omega sind beispielsweise eine Band, die ich mit großem Interesse verfolge.

Als GHOST immer noch in der Planungsphase war, habe ich Erik davon erzählt. Er meinte, er habe einen Freund in Holland, der zwar nicht genau dasselbe macht, aber eben auch Rock mit satanischen Lyrics. Er spielte mir einen Song von The Devil’s Blood vor. Ich war zwar überrascht, habe aber nicht weiter darüber nachgedacht. Als wir dann mit der Musik rauskamen, gab es schon eine Szene mit The Devil’s Blood, In Solitude, Blood Ceremony und all diesen Bands. Wir waren mit vielen davon auf Tour und inzwischen bin ich auch mit Selim [Lemouchi] befreundet. Ich nehme aber an, dass einige Bands aus dieser Szene nicht besonders glücklich darüber sind, dass wir uns nicht als Teil geschweige denn als Ursprung der Szene sehen. Ganz einfach, weil wir das nie waren. Wir mögen vielleicht eine der erfolgreichsten Acts sein, die diese Szene hervorgebracht hat. Aber wir hatten niemals die Absicht, ein Teil davon zu sein. Wir wollen auch nicht die Lorbeeren für irgendetwas einheimsen, genauso wenig, wie wir etwas anführen wollen. Wir ziehen unser Ding durch, genauso wie jeder andere auch sein eigenes Ding macht.

Wie ernst nehmt ihr Satanismus und spielt er in eurem privaten Leben eine wichtige Rolle?
Themen wie Theologie, Philosophie, Spiritualität sind sehr wichtig für mich. Ich bin kein Atheist. Ich habe einen Glauben. Aber aus der Sicht von GHOST ist die Musik kein Ventil für meine religiösen Ansichten – im Gegensatz zu The Devil’s Blood oder Watain. Unser Projekt wurde gegründet, um Menschen mit einer Show zu unterhalten. So wie bei Venom. Am Ende ist entscheidend, dass die Leute die Show genießen. Das bedeutet aber bei weitem nicht, dass alles, was wir sagen, als Witz zu verstehen ist, sondern, dass im Gegensatz zu Watain und ganz besonders The Devil’s Blood die Musik nicht untrennbar mit meinem philosophischen Wesen verbunden ist. Es spielt zwar eine große Rolle, aber nicht alles in der Band dreht sich darum. Bei uns ist es mehr eine Reflektion religiöser Ansichten. Und das ist einer der größten Unterschiede. Auch wenn unsere Ansichten im Großen und Ganzen ähnlich sind, bleibt GHOST eine Band, die dich unterhalten soll. Für manche sind wir eine halloweenmäßige, theatralische Shockrockband, mehr in Richtung Alice Cooper. Und jeder hat die Möglichkeit, nur das in uns zu sehen. Aber wer möchte, kann tiefer in das Thema, insbesondere in die Texte eintauchen. Es sind nicht nur Metalfans, die unsere Musik mögen. Manche hören vielleicht einfach nur Hardrock und sind keine extremen Metalfans wie ihr. Für euch ist die Satanismusthematik ganz normal. Genauso wie für uns auch. Für normale Menschen mag diese Faszination total unheimlich sein. Für uns ist es ganz natürlich, über solche Themen zu singen. Wir haben alle diese Vorgeschichte, wo der Teufel immer und überall anwesend ist. Wenn du nun jemand bist, der niemals satanische Texte gehört hat, denkst du dir schon eher: „Was ist das für ein kranker Scheiß?“ (lacht)

Lass uns nun zur EP kommen. Warum habt ihr ein Album mit Coversongs aufgenommen? Und was bedeuten die jeweiligen Bands für euch?
Zuerst war es eigentlich gar nicht als eine EP konzipiert.  Während der Aufnahmen zu „Infestissumam“, hatten wir elf Songs und fünf Cover. Als wir in Nashville ankamen, war unser Plan, alle Songs gemeinsam einzuspielen, bis wir dort Dave [Grohl] trafen und überlegten, irgendwann mal etwas Gemeinsames zu machen. Er schlug uns vor, dass wir das doch jetzt machen könnten, weil er gerade Zeit dafür hat. Da kam dann die Idee, die Coversongs separat aufzunehmen. Der eigentliche Plan war, die Songs als Bonusmaterial zusammen mit dem Album zu veröffentlichen.1461471_10151861210451647_1881967858_n

Aber dann haben wir uns gedacht, wenn die EP beim Album dabei ist, spricht jeder nur über Dave Grohl. Deswegen saßen wir mit dem Label zusammen und haben beschlossen, erst etwas später zu veröffentlichen. Es ist das Zynische am Musikbusiness, aber so läuft es eben. Wenn du gerade erst ein Album veröffentlicht hast und auf Tour bist, wollen Label, Manager, Bookingfirmen, dass du so bald wie möglich wieder was Neues veröffentlichst. Sie wollen immer, dass du an etwas arbeitest. Und deswegen empfanden wir es als gute Lösung, die EP erst einige Zeit nach Albumrelease zu veröffentlichen. Auch wenn uns viele Metalfans als kommerziell ansehen, sind unsere eigenen Songs noch weit vom Mainstream entfernt. Es ist immer noch zu viel des Guten, um im Radio oder Fernsehen abgespielt zu werden.

Sind die Künstler, deren Songs ihr gecovert habt, große Einflüsse für euch?
Ich denke, alle sind auf irgendeine Art und Weise Einfluss für uns. Aber es sind einfach nur Songs, die wir gern hören. Wir hören selbst die verschiedensten Musikrichtungen, alles von Abba bis Venom. Nach  „Here Comes The Sun“, dem ersten Coversong, den wir aufgenommen haben, waren wir von der Idee begeistert, das mit mehreren Songs zu machen. Es macht Spaß, so sein Repertoire interessanter zu gestalten und für mehr Abwechslung zu sorgen. Songs zu covern hat sich inzwischen zu einem Nebenprojekt oder Hobby entwickelt, wie es auch Metallica getan haben. Ich gehe davon aus, dass wir das auch auf dem nächsten Album wieder so machen werden. Und dabei halten wir uns absichtlich von Metalsongs fern. Die Leute fragen: „Warum spielt ihr keinen Mercyful-Fate-Song? Bitte nehmt ein Cover von „Black Funeral“ auf!“. Wir können solchen Songs nichts mehr hinzufügen. So einen Song können wir nicht besser machen. Also macht es überhaupt keinen Sinn für uns.

Das Artwork der EP ist eine Referenz an Nosferatu. Auch die anderen Alben, T-Shirts usw. sind oft an Filme angelehnt. Wie kam es dazu?
Wir sind alle Filmfreaks. Sowohl musikalisch, visuell und allgemein fürs Leben waren Filme schon immer große Inspirationsquellen für uns. Alles von Horror, ghostep600Underground bis Chick Flicks. Vieles von uns ist eine Hommage an alte Filmkunst. Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist unsere Figur „Papa“. Er ist unser Eddie. Du kannst ihn in verschiedene Rollen stecken. Alles was du mit Darth Vader machen kannst, klappt auch mit ihm. Oder mit Nosferatu oder Kurt Barlow aus Salem’s Lot. „Papa“ ist perfekt, um in die verschiedenen Rollen zu schlüpfen. Die Rolle des alten Mannes, der einen Hass gegen die Welt in sich trägt. Das hat sich, wenn man so will, zu unserem Gimmick entwickelt.

Warum gebt ihr euch so viel Mühe, eure Identitäten geheim zu halten? Lohnt sich der Aufwand?
Das geht auch auf 2008 zurück, als wir die drei Songs hörten und auf das Blatt Papier mit dem GHOST-Schriftzug starrten. Wir fanden die Idee, nicht zu wissen, wer auf der Bühne steht, ziemlich cool. Das wäre doch unheimlich und total seltsam.
Nach vier Jahren muss man schon des Öfteren feststellen, dass es einem auf die Eier geht. Alles wird lästig und komplizierter. Es gibt Höhen und Tiefen. Wir müssen uns natürlich bewusst sein, dass wir nicht total anonym bleiben können. Jeder Schritt nach vorne verschlechtert die Chancen, unbekannt zu bleiben. Am Anfang haben wir überhaupt keine Interviews gegeben. Das hat aber nirgends hingeführt. Wenn du den Menschen nicht gibst, was sie von dir wollen, werden sie dir nicht helfen. Danach folgten Interviews, in denen wir voll maskiert waren. Auch das stellte sich als Problem heraus. Die Journalisten hatten nicht das Gefühl, besonders viele Informationen zu bekommen. Jedes Interview war letztendlich ähnlich. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, es von Angesicht zu Angesicht zu machen. Natürlich nur, solange nicht gefilmt wird. Unmaskierte Interviews geben einfach viel mehr her. So ist es viel leichter ein ordentliches Bild von der Band zu bekommen. Solange wir die Art und Weise beibehalten, wie wir GHOST auf der Bühne präsentieren, wird sich im Endeffekt nicht viel ändern. Auch wenn wir nicht mehr wirklich anonym sind. Es gibt  so viele Menschen aus der Szene, die es ja sowieso schon wissen.

Könnt ihr euch auf der Bühne überhaupt miteinander austauschen?
Nein. Es ist ein sehr einsames Erlebnis.

In vielen Dingen unterscheidet sich „Infestissuman“ vom Debüt. War das eine bewusste Weiterentwicklung oder ergab sich das ganz natürlich?1000x1000
Ich würde sagen, dass es ein sehr natürlicher Prozess war. Wir hatten alle Songs ghost-infestissumamzum zweiten Album ja schon fertig, bevor die Band überhaupt bekannt wurde. Beim Songsschreiben verfolgten wir einen spielerischen Ansatz. Ehrlich gesagt, kann ich mich gar nicht mehr ganz genau erinnern, weil die Songs für „Infestissumam“ direkt im Anschluss von „Opus Eponymous“ entstanden sind. Alle Songs waren 2011 schon als Demos aufgenommen. Im selben Studio, in derselben Atmosphäre. Das Feeling war genau dasselbe. Es war nicht so, dass wir die Zeit zwischen den beiden Alben auf einer warmen Insel verbracht hätten. Wir versuchten, keinen Gedanken daran zu verschwenden, was die Leute hören wollen. Wenn wir jeden fragen würden, „Hey, wie wollt ihr das nächste Album haben?“, dann würde das alles versauen.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht, als ihr mit großen Bands wie Iron Maiden auf Tour wart?
Inzwischen haben wir mit vielen Bands getourt. Und ja, Iron Maiden zum Beispiel waren super gastfreundliche Typen. Die Crew war total freundlich und allgemein herrschte eine total vertraute Atmosphäre. Es war eine lehrreiche Erfahrung. Wir wollen eine größere Band werden. Was könnte da besser sein, als vor einem großen Publikum aufzutreten. Besonders mit Iron Maiden und Metallica spielt man vor fünfzigtausend Menschen. Das ist ein guter Weg zu lernen, wie man mit einer großen Menschenmenge umgeht.

Was bevorzugst du persönlich, auf der eigenen Tour vor Fans zu spielen, die all eure Songs kennen, oder vor zigtausenden Menschen zu spielen, von denen euch viele gar nicht hören wollen?
Natürlich macht es mehr Spaß, vor den eigenen Fans zu spielen. Aber die Absicht ist, dass es immer mehr Fans werden.

Würdet ihr euren Sound ändern, um ein größeres Publikum anzusprechen?
Ich glaube, unsere Musik ist bereits eingängig genug. Nehmen wir Metallica im Jahre 1988, einer Zeit, in der sie auf dem Höhepunkt waren, was die Schnelligkeit ihrer Musik angeht. Ich glaube nicht, dass es Zufall war, dass das Black Album so ein langsames Album wurde. Ganz einfach, weil es sich beschissen und matschig anhört, wenn du in einer großen Arena schnelle Musik spielst. Songs vom Black Album klingen in einer großen Umgebung einfach besser. Nicht, dass wir unsere Musik mit der von Metallica vergleichen wollen. Aber wir haben dieses Problem nicht. Unsere Songs funktionieren sowohl in großen Hallen als auch in kleinen Räumen. Ich sehe also keinen Grund, warum wir etwas ändern sollten. Durch die Thematik der Band gibt es Dinge, die sich nie ändern werden. Es wird immer einen „Papa“ geben, es wird immer eine Kirche geben und es wird immer Songs geben, die in diesem Umfeld funktionieren. Ich denke nicht, dass wir uns in Richtung Mainstream ändern werden.

Wie weit seit ihr davon entfernt, von der Musik leben zu können?
Wir leben bereits von GHOST. Aber nur, weil wir ununterbrochen auf Tour sind – immer. GHOST ist unser Vollzeitjob.  Wenn wir heute aufhören würden, bliebe so gut wie nichts übrig. Es ist ein sehr weiter Weg, an den Punkt zu gelangen, wo du nichts tun musst und trotzdem Geld verdienst. Gerade heutzutage, wo Plattenverkäufe so schlecht laufen. Du verdienst nur Geld, solange du tourst. Je größer du wirst, umso mehr wirst du natürlich verdienen. Aber wir sind zufrieden damit, dass wir von der Musik leben können und uns nicht um andere Dinge kümmern müssen.

Das freut mich zu hören. Vielen Dank für das Interview und noch viel Erfolg auf der Tour.
Danke euch, dass ihr hier wart. Viel Spaß bei der Show.

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Publiziert am von Michael

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