Seit 1994 zieht das MITTELALTERLICH PHANTASIE SPECTACULUM – kurz MPS – mit seinem umfangreichen Hofstaat quer durch die Bundesrepublik. Im Laufe der letzten 19 Jahre ist die Gefolgschaft merklich gewachsen. So ist das MPS auch 2013 das größte auf Reisen befindliche Mittelalter-Kultur-Festival der Welt. Getreu dem Veranstaltungsmotto geht es weniger um Authentizität, sondern vielmehr um eine fantastisches Erlebnis für die ganze Familie.
Die 8. Maxlrainer Ritterspiele im Süden Bayerns standen vor dem Wochenende unter keinem guten Stern: Der Wetterdienst verhieß spätsommerliches Regenwetter für die gesamte Dauer des Marktes, doch am Ende lässt sich die Sonne mehrfach blicken. Mit SALTATIO MORTIS, RAPALJE, SOAR PATROL und VERSENGOLD sind markterprobte wie trinkfeste Gruppen für die musikalische Unterhaltung angekündigt, die allesamt mehrmals pro Tag mit ihrem mittelalterlichen Marktprogramm auftreten. Dazu gesellen sich FAUN für ein Abendkonzert, überraschenderweise mit Niel Mitra an den Sythesizern. Während sich Veranstalter Gisbert Hiller in anderen Teilen Deutschlands mit stetig wachsender Bürokratie plagen muss, sind die Vorzeichen in Maxlrain unverändert. So können alle Shows und Veranstaltungen wie geplant ohne zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden. Im Vergleich zu den Vorjahren gibt es nur leichte Veränderungen bei der Platzierung der drei Bühnen, die allerdings nicht ins Gewicht fallen. Hiller und sein Team haben für das Maxlrainer MPS ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, so dass selbst an beiden Tage kaum alles zu erleben ist. Auf dem riesigen Areal können edle Damen ihre Schmuckkästchen erweitern und Hobbyritter den passenden Helm zur Rüstung kaufen – immer begleitet von den beinahe obligatorischen Dudelsackklängen. Für das leibliche Wohl wird natürlich ebenso gesorgt: Neben einer stattlichen Saubraterey gibt es für vegetarische Besucher eine große Auswahl an fleischlosen Speisen. Dazu bieten die Stände vieles mehr, von allerlei Gewandungen über süffigen Met bis zur größten Auswahl an gebrannten Mandeln (mit extravaganten Geschmacksrichtungen wie z.B. Snickers).
Trotz bester Voraussetzungen lässt der Besucherandrang zur feierlichen Markteröffnung am Samstag zu wünschen übrig. Erst im Laufe des Tages füllt sich das Marktgelände zusehends. Auch die Bands lassen es anfangs eher gemächlich angehen und groovten sich mit ihren ersten Sets noch ein. Nur SALTATIO MORTIS geben von Anfang an Vollgas und präsentieren drei unterschiedliche Programme ohne Wiederholungen: Zahlreiche Stücke kündigt Trommler Lasterbalk der Lästerliche als Sprachrohr mit charmantem Wortwitz an: Die Auswahl reicht dabei von Liedern der „Manufactum III“ wie „Herr Holger“ oder „A Pirate’s Life“ bis zur markterprobten Damenwahl von Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein namens „Choix Des Dames“. Überraschend früh kommen die Besucher auch in den Genuss der akustischen Version von „La Jument De Michao“. Angereichert werden die hochklassig präsentierten Stücke mit launigen Geschichten wie der „Klobrille“ von Luzi das L, die wenig mit der konventionellen Vorstellung davon zu tun hat. Später am Abend packen Saltatio die fälligen Markt(rock)hits wie „Prometheus“ (nebst Feuerfontänen) oder „Eulenspiegel“ aus und liefern eine fulminante Show voller energiestrotzender Dudelsack- und Trommelrhythmen. Lediglich die „Galgenballade“ vom neuen Rockalbum „Das schwarze IXI“ überzeugt auch im Marktgewand wenig, dafür der Bonustrack „Schloss Duwisib“ umso mehr.
Für regelmäßige MPS-Besucher mag dies alles keine Besonderheit mehr sein, doch besonders in Bayern, wo das Spectaculum nur sehr selten seine Zelte aufschlägt, entfachen SaMo unter den Besuchern eine ungeahnte Begeisterung für akustische Spielmannsmusik traditioneller Natur. Ähnliches gelingt RAPALJE mit der ausdrucksstarken Stimme von Sänger William: Besonders beim oftmals gespielten, aber selten so intensiv dargebotenen „Loch Lomond“ herrscht eine wonnige Gänsehautatmosphäre. Bei SOAR PATROL ist es hingegen die Fusion aus Dudelsack und Percussion, die für das MPS wie gemalt scheint. Zwar ist Sackpfeifenspieler Charlie Allan mit ausgeprägt schottischem Akzent kaum zu verstehen, doch die treibenden Trommelschläge sprechen für sich und sind bis weit vor der Bühne deutlichst zu vernehmen. Auch mancher Gag rund um Tonleitern, die von A-B-C-D zu AC/DC und „Highway To Hell“ mutieren, gelingt.
Etwas schwerer tun sich hingegen die Bremer VERSENGOLD im Süden der Republik. Besonders ihr Nachmittagsprogramm kommt trotz Gassenhauern wie „Punsch statt Putsch“ nur schwerlich in Gang und erst mit einsetzender Dunkelheit erreicht das Publikum zu „Drey Weyber“ und Co. echte Betriebstemperatur. Balladeskes Highlight ist erwartungsgemäß „Vom Zauber des Wildfräuleins“, bei dem sich der fehlende Druck der Anlage positiv auswirkt und Sänger Snorre wieder einmal beweist, welch exzellenter Sänger er abseits der Sauf- und Rauflieder ist. Zum Schluss vermittelt schließlich das Publikum Versengold bei „Ich und ein Fass voller Wein“ ein Gefühl von Heimat, indem es ein Meer nebst Möwen immitiert.
Ein weiteres Highlight der humoristischen Sorte beschert DAS NIVEAU in Form von Sören Vogelsang und Martin Spieß des MPS-Besuchern: Während des Songs „Für den Frieden“ nebst Textstelle „…endlich Frieden zwischen Orks und Elfen“ tauchen plötzlich als Uruk-Hai verkleidete Marktbesucher auf. Martin bezieht diese spontan provokativ in sein Bühnenprogramm mit ein, doch für die nächsten 15 Minuten sind die Opfer des Spotts nicht mehr zu sehen – bis bei der Niveauisation plötzlich rund zehn Orks die Bühne mit LARP-Waffen entern und Martin um Hilfe von Legolas fleht. Die Störenfriede verlassen den Schauplatz zu gebührendem Jubel erst, als sich Das Niveau nach etlichem Hin und Her zum Vers „Mit Orks ist alles viel schöner, mit Elben wird alles viel schlimmer“ hinreißen lassen.
Beim letzten Konzert werden dann nicht nur die Texte derber, sondern Das Niveau wächst temporär zu einem Trio: Dominik von Metusa ist abwechselnd als Gitarrist oder Sänger zugange. Während Martin sich eine Pinkelpause gönnt, improvisieren er und Sören einen Song zusammen. Als das halbe Niveau daraufhin von den 90s Shows der beiden in Telgte und Hamburg berichtet, ertönt plötzlich Aquas „Barbie Girl“ über die Lautsprecher. Und damit nicht genug: FAUN, die vor Das Niveau ihr Abendkonzert gespielt haben, entern die Bühne und tanzen zusammen mit den anderen Barden zu 90er Jahre Techno der fiesesten Art. Ein Bild für die Ewigkeit.
Summa summarum ist das Mittelalterlich Phantasie Spectaculum sowohl für Familien als auch für Marktmusikliebhaber die erste Adresse in Deutschland. Nirgends gibt es ein größeres Programm und nirgends sind bessere bzw. mehr Musiker am Werk. Dazu kommt eine Preisgestaltung, die gemessen an bayerischen bzw. Münchner Standards sehr human ist und ein hervorragendes Rahmenprogramm. Mögen diese Spiele so weitergehen!