Album Nummer vier für die Metaller aus Berlin – trotz dieser Tatsache habe ich bis dato von THUNDER AND LIGHTNING noch nichts gehört. Frevel, so viel kann ich schon einmal verraten. Denn mit „In Charge Of The Scythe“ kann der Fünfer aus der Hauptstadt auf eine CD verweisen, die von A bis Z dem Underground entwachsen ist, die in jeder Faser nur so von Professionalität strotzt und die so manch „großer“ Produktion die Schamesröte ins Gesicht pressen sollte. Es mag sein, dass ich mit der Bezeichnung „Underground“ schon daneben liege, denn die Frage ist berechtigt, ob es in Zeiten digitaler Aufnahmetechnik diesen Raum überhaupt noch gibt – oder ob der Markstein nicht viel eher das Vermarktungsbudget ist. Nun gut, Reflexionen beiseite; so oder so ist „In Charge Of The Scythe“ ein beinhartes und unterhaltsames Stück Heavy Metal geworden.
Mit „Booster Shot“ steigt das Quintett enorm knallend in die insgesamt elf Songs umfassende Scheibe ein. Ein gelungener Opener, der direkt nach vorne geht und eine ausgewogene Mischung aus Härte und eingängigen Melodiebögen bietet. Genau diese Schnittstelle ist das strukturgebende Prinzip der gesamten CD geworden. THUNDER AND LIGHTNING bewegen sich elegant zwischen wuchtigem Schlagzeug und hämmernden Riffs, die in oftmals getragene, beinahe schon nachdenkliche, auf alle Fälle aber sehr eingängige Refrains münden. Diese Refrains stellen sozusagen die Kontraparts der Strophen dar. In diesen nimmt die Band Tempo und Härte raus und schafft sich somit Raum, um ihre häufig sehr gelungenen Gesangsspuren voll zur Geltung zu bringen. In den Stücken „The Unborn Truth“, „Wheel Of Life“, „The Last Ride“ sowie „Torn In Two“ geht diese Mischung bestens auf – zusammen mit dem Opener macht das fünf Volltreffer hintereinander. Not bad.
Zudem wechseln THUNDER AND LIGHTNING zwischen verschiedenen Tempi hin und her und bieten neben ordentlich stampfenden Mid-Tempo-Brechern beinahe schon thrashige Parts. Auch semi-balladeske Klänge werden aufgeboten („Two Sons In My Sky“); man ist also redlich um Abwechslung bemüht. Zwar zieht nicht jeder Part, hin und wieder ähneln sich auch die Gesangsspuren ein bisschen zu sehr. Aber unterm Strich darf man das als kosmetische Fehler bezeichnen. Lediglich das Stück „Shadowland“ ist zu lang geraten; hier verliert sich die Band gegen Ende hin in belanglose Wiederholungen. Wie man sich zu der Tatsache positioniert, dass das Stück noch ein Duett mit Sängerin Cora Lee enthält, überlasse ich jedem Hörer selbst. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Song durch diesen Zusatz an Substanz gewinnt. Schade, denn auch „Shadowland“ bietet zunächst griffiges Riffing und gut gemachte Melodien.
Ein letztes Wort zu Sänger Norman Dittmar: Der Mann erinnert mich stark an Peavy von Rage, vor allem und gerade in den tieferen, aggressiven Parts. Dieser kraftvolle, sichere Gesang ist in meinen Augen einer der Pluspunkte der Scheibe – wenn man auch das nächste Mal gerne die Passagen weglassen kann, in denen Dittmar in die Kopfstimme fällt (was aber ohnehin nur äußerst selten der Fall ist). Fazit: eine super wuchtige Produktion, die auch schon bei geringer Lautstärke überzeugen kann, eine technisch einwandfreie Darbietung, ein charismatischer Sänger und ein Bündel starker Heavy-Metal-Songs in modernem Gewand. Die paar wenigen Macken, die sich auf „In Charge Of The Scythe“ noch finden lassen, fallen angesichts dieser Aufzählung kaum ins Gewicht.
Wertung: 8 / 10