Bands wie In Extremo und Schandmaul begleitete er beim Aufstieg zu den bekanntesten Vertretern des Folkrocks: Die Rede ist von Thomas Heimann-Trosien. Von Freunden nur liebevoll „Trosi“ genannt, ruhte sich der Berliner in den letzten Jahren allerdings nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern verhalf mit Saltatio Mortis und Feuerschwanz zwei weiteren Vertretern des Genres zu ihrem Durchbruch. Im Gespräch mit Metal1 erfahrt ihr mehr über den Produzenten, der mit seiner Studioarbeit wie kein zweiter die deutschsprachige Folkrock-Landschaft geprägt hat.
Hallo und danke für deine Bereitschaft, an diesem Special mitzuwirken!
Alles gut bei dir? An welchem Projekt arbeitest du aktuell und was kannst du bereits zum Resultat verraten?
Hallo, ja alles bestens, danke. Momentan bin ich mit Saltatio Mortis im Studio und produziere ihr neues Album „Das Schwarze Einmaleins“, welches am 16. August 2013 erscheinen wird. Die Aufnahmen laufen sehr gut, und es wird ein wirklich würdiger Nachfolger vom „Sturm aufs Paradies“-Album werden.
Fangen wir ganz am Anfang an: Wie bist du zu deiner Produzententätigkeit gekommen?
Ist das dein erlernter Traumberuf oder bist du ein „Quereinsteiger“?
Ja, ein Traumberuf auf jeden Fall, aber der Weg dorthin war schon etwas länger.
Ich habe in jungen Jahren Schlagzeug in diversen Schülerbands gespielt und mich da auch schon mit Demo-Aufnahmen beschäftigt. Damals noch mit einem Vier-Spur-Kassettenrecorder, Wahnsinn.
Nachdem ich ein paar Semester ziemlich erfolglos Physik studiert hatte, bin ich nach Berlin gegangen, um eine tontechnische Ausbildung an der SAE zu machen. Danach kam erstmal „learning by doing“. Ich habe viele verschiedene Jobs gemacht und in diversen Tonstudios gearbeitet, bis ich gut genug war, dass ich selber ans Pult durfte. Mit einem Kompagnon zusammen habe ich dann ein Mastering-Studio aufgemacht und der bekam das Angebot, In Extremo zu produzieren. Das haben wir dann zusammen als Team gemacht und so kamen die ersten Produzentenjobs.
Du hast den Aufstieg diverser Bands begleitet – ob nun Schandmaul, Saltatio Mortis oder Feuerschwanz. Wie früh hast du gemerkt, dass diese Bands mal den Durchbruch schaffen?
Das ist schwer zu sagen. Keine dieser Bands ist über Nacht erfolgreich geworden. Das sind alles gewachsene Bands, die es ohne irgendeinen Medienhype geschafft und sich ihren Erfolg Stück für Stück aufgebaut haben. Wenn man ein Teil dieses Prozesses ist, kriegt man das eben auch nur Stück für Stück mit, bis man dann plötzlich mit seinen Produktionen in den Top 10 ist, oder eine goldene Platte an der Wand hängen hat.
Mittlerweile bist du ja so etwas wie ein Guru, was Mittelalterproduktionen angeht. Wo liegen die Besonderheiten und Schwierigkeiten beim Produzieren dieser Art von Musik?
Nun ja, man muss halt einiges mehr an Instrumenten und Klängen im Gesamtsound unterbringen als bei einer klassischen Rock-Besetzung. Dazu kommen teilweise ungewöhnliche Instrumente, die man erstmal zum Klingen kriegen muss und wissen sollte, wie man sie einsetzt. Ansonsten sind die Unterschiede zu einer normalen Rock- oder Metal-Produktion aber auch nicht immens groß.
Muss man für das Aufnehmen unkonventioneller Instrumente manchmal unkonventionelle Wege gehen?
Ja, mit dem ganzen Mittelalter-Instrumentarium gibt es schon so seine Besonderheiten.
Ein großes Problem ist z. B. die Stimmbarkeit dieser Instrumente. Da kommt dann der Dudelsackspieler mit einem ganzen Werkzeugkoffer daher, um seine Sack mit Pfeilen und sonstigen Werkzeugen zu bearbeiten, damit die Stimmung passt. Ist das Loch in der Spielpfeife dann doch zu groß geworden, weil etwas zu viel gefeilt wurde, wird dann wieder etwas Wachs ins Loch geschmiert, bis es wieder stimmt usw. Bei diesen Prozeduren stehe ich bis heute kopfschüttelnd daneben. Heutzutage ist das mit Melodyne nicht mehr ganz so dramatisch, aber ich erinnere mich an frühere Produktionen, wo wir Stunden damit zugebracht haben, die Dudelsäcke „in tune“ zu bekommen.
Früher hast du In Extremo produziert, heute sind es Schandmaul, Saltatio Mortis und Feuerschwanz. Gibt es da individuelle Besonderheiten?
Ja, klar. Diese Bands werden zwar gerne in die gleiche Schublade gesteckt, aber bei genauerer Betrachtung sind die musikalischen Unterschiede teilweise ja doch recht groß. Individuelle Unterschiede in der Zusammenarbeit gibt es natürlich sowieso, das ist mit jeder Band anders.
Ich könnte mir vorstellen, dass man sich in ein Album intensiv hineinhören muss, um ihm den passenden Sound zu verpassen. Muss man die Musik, die man produziert, also immer auch gut finden, oder geht das auch, wenn man die Musik nicht mag?
Natürlich sollte man der Musik, die man produziert, auch etwas abgewinnen können. Wenn ich ein Album produziere, beginnt die Zusammenarbeit mit den ersten Demos, die ich von der Band bekomme. Das heißt, ich beschäftige mich mit den Songs lange bevor es ins Studio geht. Bis so eine Album fertig ist, habe ich jeden Song und jede Note wahrscheinlich mehrere hundert Male gehört. Da hilft es schon, wenn man die Musik mag.
Beeinflusst das Produzenten-Dasein deinen Musikgeschmack auch in umgekehrter Weise – hörst du privat also (mittlerweile) andere Musik als die, die du produzierst? Hast du dir Mittelaltermusik quasi beruflich bedingt totgehört?
So richtig privates Musikhören gibt es eigentlich gar nicht mehr, da hört das Produzentenohr immer mit. Ansonsten war es allerdings eher umgekehrt so, dass ich durch meine Produktionen angefangen habe, auch „privat“ Musik aus diesem Genre zu hören.
In meiner CD Sammlung zu Hause hätte man früher nichts gefunden, was irgendwie mit Mittelaltermusik zu tun gehabt hätte. Als ich mit In Extremo das „Weckt die Toten“-Album aufgenommen habe, hatte ich noch keine Ahnung von Dudelsäcken und Schalmeien,
da bin ich quasi wie die Jungfrau zum Kinde zu gekommen.
Liest du Reviews zu von dir produzierten Platten und verfolgst den Erfolg einer von dir produzierten Platte weiter, oder ist das Thema für dich abgehakt, wenn du die Master-CD raus schickst? Ist man stolz, wenn ein Album dann auch einmal bspw. einen Charteinstieg verzeichnet?
Ja, klar verfolge ich den Erfolg meiner Produktionen. Ich lese jetzt nicht gerade jedes Review, aber es interessiert mich natürlich sehr, wie ein Album ankommt und was die Leute darüber reden. Natürlich bin ich auch stolz, wenn ein Album erfolgreich ist und hoch in die Charts einsteigt, das ist doch auch normal, denke ich.
Grämt es dich, wenn in positiven CD-Kritiken nur auf die Musik eingegangen wird und der gute Sound, der dieser erst ihre Wirkung verleiht, unerwähnt bleibt?
Dass der Sound in vielen Reviews unerwähnt bleibt finde ich schon schade, aber ich ärgere mich darüber nicht. In erster Linie geht es ja um die Musik.
Wie wichtig der passende Sound allerdings für die Wirkung von Musik ist, ist glaube ich vielen Musikhörern gar nicht bewusst, also kann man es ihnen auch nicht übel nehmen.
Würdest du sagen, dass die Arbeit, die ein Produzent in ein Album steckt, beziehungsweise dessen Anteil am Erfolg einer Platte, generell unterschätzt wird? Ich habe manchmal das Gefühl, dass ein perfekter Sound von vielen heutzutage als Selbstverständlichkeit angesehen wird, nicht mehr als respektable Leistung …
Mir ist es vor allem wichtig, dass die Band mit dem Sound ihres Albums zufrieden ist.
Dass der Sound „amtlich“ klingt, sollte man vom Profi eigentlich erwarten können. Wie viel Anteil man nun wirklich am Erfolg eines Albums als Produzent hat, ist schwer einzuschätzen, dazu spielen zu viele Faktoren mit rein. Wenn die Band mit der nächsten Produktion wieder zu mir kommt, dann bin ich erfolgreich gewesen.
Denkst du, das war in Zeiten, in denen nicht jeder Musiker (und welcher Metaller sieht sich selbst nicht auch als Musiker) selbst mit Pro-Tools, Logic und dergleichen herum gewurschtelt hat, anders?
Früher war die Studiotechnik für die meisten Musiker natürlich ein größeres Mysterium als das heute der Fall ist. Heute ist der Umgang mit DAWs für jeden Musiker normal, was auch die Arbeit im Studio komplett verändert hat. Den meisten ist aber trotzdem bewusst, das all diese Technik noch kein Garant für einen guten Sound ist und gehen ja deshalb auch zum Profi, um ihr Album produzieren zu lassen.
Viele, gerade kleinere Bands, nehmen das Recording ja mittlerweile selbst in die Hand, um teure Studiozeit zu sparen und gehen nur noch zum Mischen und/oder Mastern ins Studio.
Hältst du diese Vorgehensweise für sinnvoll und würdest du so arbeiten, oder ist dir wichtig, dass du bei einem Projekt von Anfang an dabei bist und auch schon in den frühen Stadien einer Produktion deine Erfahrung einfließen lassen kannst?
Ja, das halte ich durchaus für sinnvoll, denn wenn das Geld knapp ist, würde die Alternative heißen, keine Platte aufzunehmen. Außerdem kann man sich ja trotzdem schon während der Aufnahmen in den Prozess einklinken.
Ich biete dafür jungen Bands, die selber aufnehmen wollen und dann ihr Album bei mir mischen lassen, ein Produktions-Coaching an. Das heißt, ich unterstütze Sie schon während der Aufnahmen mit meinem Knowhow, höre mir Soundchecks an, oder gebe Tipps zum Ablauf oder zur Mikrofonierung. So kann man zu sehr respektablen Ergebnissen kommen. Die Arbeit zusammen im Studio, wo ich jeden einzelnen Take bewerten kann, hat natürlich noch mal ein anderes Niveau und ich würde das, wie wahrscheinlich auch die meisten Musiker, immer bevorzugen. Bei kleineren Budgets muss man da aber ein bisschen flexibler sein.
Wie viel Einfluss nimmst du idealerweise auf ein Album? Mischt du dich auch mal in den Kreativprozess ein und steuerst Ideen bei, oder siehst du dich als bloßes Instrument der Musiker, dem Album den Sound zu verleihen, den sie sich vorstellen?
Ich mische mich durchaus in den Kreativprozess mit ein und arbeite mit den Bands in der Regel schon lange vor der eigentlichen Studioproduktion an ihren Songs. Für mich kommt erstmal der Song, das Arrangement, die Melodie, bevor ich anfange über Sound nachzudenken.
Wie groß ist der Anteil, den das persönliche Verhältnis zu einer Band auf das Resultat hat? Versuchst du, dich, bevor du einen Job annimmst, zu informieren, was für Erfahrungen andere Produzenten mit Bands gemacht haben, gerade auch, was das disziplinierte Verhalten im Studio angeht?
Ich denke, es hat einen sehr großen Anteil. In den allermeisten Fällen habe ich ein sehr lockeres und freundschaftliches Verhältnis zu den Bands. Wenn man zusammen ein Album aufnimmt, ist das ja schon eine sehr lange und auch intensive Zeit, die man da miteinander verbringt. Da sollte es schon so sein, dass man auch menschlich gut miteinander klar kommt und Spaß an der Sache hat. Ich denke, eine lockere und stressfreie Atmosphäre sind sehr wichtig, um kreativ sein zu können. Außerdem muss ich als Produzent auch oft den salzigen Finger in die Wunde legen, da braucht es dann schon ein Art von Vertrauensverhältnis zwischen mir und dem Musiker, wenn das funktionieren soll.
Bei jemand anderem über eine Band informiert habe ich mich bis jetzt noch nie, da mache ich mir schon lieber selber ein Bild.
Trinkst du mit Bands, die ein bisschen länger da sind, nach Feierabend auch mal ein Bier oder zwei, oder geht so etwas im Normalfall über das Verhältnis zwischen Produzent und Musiker hinaus?
Na klar mach ich das. Wie gesagt, ich pflege zu den meisten Bands ein sehr reundschaftliches Verhältnis. Ich habe bei dem Bierchen nach Feierabend schon viele lustige Sachen mit den Bands erlebt. So eine Studioproduktion ist ja auch kein „nine to five“-Job.
Musiker reden in Interviews oft davon, dass Teile des Kreativprozesses erst im Studio stattgefunden haben – wie stehst du dazu? Findest du es gut, wenn noch im Studio an den Songs gefeilt wird, oder nervt dich das eher?
Nein, das nervt ganz und gar nicht, sondern soll so sein. Ich bin schon ein Freund von guter Vorbereitung, aber man sollte im Studio auch noch offen für neue Vorschläge und Ideen sein. Viele tolle musikalische Ideen entstehen nun mal durchs rumprobieren oder manchmal auch durch Zufall, aber nur selten, weil sie geplant sind. Oft merkt man auch erst bei der Arbeit im Studio, dass irgendetwas noch nicht optimal funktioniert, und dann muss eben noch gefeilt werden.
Digital, analog, Vintage-Amps, modernste Geräte, Reamping … die Frage der Technik geht ja fast in den religiösen Bereich. Auf was schwörst du und wo siehst du die Vorzüge deiner Arbeitsweise?
Gute Technik halte ich schon für wichtig, aber ob analog, digital oder Vintage kommt ja ganz darauf an, was man für einen Sound haben möchte. Das alte Röhrengerät muss nicht immer die bessere Wahl sein, nur weil es den höheren Kultstatus hat. Bei den Aufnahmen arbeite ich schon mit externen Analogprozessoren, ab dem Mixdown bleibt bei mir aber alles im Rechner. Teilweise arbeite ich auch an mehreren Projekten gleichzeitig, da ist es für mich unverzichtbar, dass alles auf Knopfdruck recall-fähig ist. Das geht mit Analogpulten halt schon mal nicht. Ansonsten ist die Technik für mich Mittel zum Zweck und weit vom religiösen Bereich entfernt.
Soundmäßig hat sich in vielen Metal-Bereichen in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan, bis hin zu einem ausgeprägten Retrotrend in vielen Genres wie dem Thrash, so dass jede Zeit ihren eigenen Sound hat. Klingen Metal-Produktionen im Jahre 2013 besser als solche aus den 80ern, oder nur anders?
Ich finde nicht, dass neuere Produktionen grundsätzlich besser klingen, aber die Hörgewohnheiten ändern sich nun mal auch. Es geht mir teilweise selber so, dass ich alte Alben höre, die ich mal großartig fand und die mir vom Sound her heute aber nicht mehr so gefallen.
Wie stark wirst du von der Arbeit anderer Produzenten beeinflusst? Wenn du privat ein Album hörst und dessen Sound gut findest, informierst du dich dann, wer das produziert hat und mit welchem Equipment? Wenn ja, ist es vorgekommen, dass du aufgrund dessen auch deine eigene Studioausstattung verändert oder erweitert hast?
Natürlich höre ich mir an, was die Kollegen so treiben, aber beeinflussen tut es mich nicht, außer vielleicht unbewusst. Ich habe meine eigene Arbeitsweise und inzwischen auch meinen eigenen Stil. Wenn ich eine Produktion besonders fett finde, schau ich schon nach, wer das gemacht hat, aber nicht, was da für Equipment benutzt wurde. Das Equipment ist nicht das entscheidende, sondern wer es bedient.
Wünschst du dir als sicherlich sehr sound-fixierter Musikhörer manchmal bei einem Metal-Klassiker einen besseren Sound oder malst dir aus, wie das Album klingen würde, wenn du es produziert?
Nein, eher nicht. Zumindest nicht, wenn es sich um Klassiker handelt.
Stimmt es, dass deine kleine Tochter bei „Wunsch ist Wunsch“ von Feuerschwanz sogar eine kleine Textstelle in „Metmaschine“ eingesprochen hat? Wenn ja, wie kam es dazu?
Ja, das stimmt. Die Band wollte da eine Kinderstimme haben, und da hab ich das mit meiner Tochter ausprobiert. Es hat ihr sehr viel Spaß gemacht und sie war mächtig stolz, als Ihre Stimme dann tatsächlich auf die CD gekommen ist. Meine Frau war nicht so begeistert, als dann wochenlang ungefähr 20- bis 50-mal am Tag der Song aus dem Kinderzimmer dröhnte …
Gibt es ein Album, auf das du als Produzent besonders stolz bist? Wenn ja: Welches und warum?
Eigentlich bin ich auf jedes Album stolz, das fertig geworden ist, und dann kommt wieder was Neues.
Was war das für dich interessanteste Projekt im vergangenen Jahr und warum?
Ich habe letztes Jahr viele Sachen gemacht und es fällt mir schwer, da etwas rauszupicken. Was sicherlich spannend war, ist ein Best-of-Album von Schandmaul, das ich gemischt habe. Die Songs wurden alle in neuem Gewand aufgenommen, so wie die Band sie heute live spielt. Da ich nun mittlerweile auch schon über zehn Jahre mit Schandmaul zusammenarbeite, war das auch für mich eine kleine Reise in die Vergangenheit.
Und was war das Schwierigste oder Nervenaufreibendste und warum?
Etwas wirklich Nervenaufreibendes ist eigentlich nicht passiert.
Gibt es eine Band, mit der zusammenzuarbeiten dich noch wirklich reizen würde?
Nein, keine bestimmte, aber ich bin für alles offen.
Ok, das war’s dann auch schon fast wieder. Vielen Dank für deine Zeit und die Antworten! Wenn du noch etwas loswerden willst, hast du dazu jetzt die Gelegenheit.
Vielen Dank für das Interview und das Interesse an meiner Arbeit.
Die anderen Interviews des Produzenten-Specials findet ihr hier:
>> Special: Die Männer am Mischpult