Konzertbericht: Spock’s Beard w/ Beardfish

17.05.2013 Bochum, Zeche

BEARDFISH

Die schwedischen Retroprogger BEARDFISH sind schon seit Jahren regelrechte Kritiker-Lieblinge; für eine ausführliche und eigentlich längst überfällige Headliner-Tour hat es trotz allem bisher noch nicht gereicht. Und so kam das sympathische Quartett nach ihrem Gastspiel als Vorband für Flying Colors im letzten Jahr nun erneut als Supportact für Spock’s Beard nach Deutschland.

Die Spielzeit, die BEARDFISH an diesem Abend zugestanden wurde, war allerdings eher lächerlich: Etwas mehr als 30 Minuten bekamen die vier bärtigen und Karohemd-tragenden Herren. Die Band schaffte in dieser Zeit nur drei Songs: Sie eröffnete ihr Set mit dem 15-minütigen „And The Stone Said: If I Could Speak“ vom 2011er Album „Mammoth“ zwar durchaus hochkarätig, aber nicht gerade einfach zugänglich. Entsprechend zurückhaltend waren die Reaktionen des Publikums, das auch das nachfolgende, wunderschöne „Ludvig & Sverker“ nicht so richtig zu würdigen wusste. Erst mit „Voluntary Slavery“, dem erstaunlich harten und flotten Opener ihres aktuellen Albums „The Void“, schien das Publikum aufzuwachen – doch das war schon der letzte Song der Schweden, die nun die Bühne verlassen mussten.

Insgesamt haben BEARDFISH eine solide Show mit hochkarätiger und virtuoser Musik geboten, die das Publikum aber nicht ganz erreicht hat. Ein Grund dafür mag sein, dass das komplexe Material der Band live schwer zu verdauen ist, wenn man es vorher noch nie gehört hat. Denn BEARDFISH pflegen einen weniger breitwandigen und weniger rockigen, eher altmodischen Stil, mit dem sie sich angenehm vom Großteil des heute veröffentlichten Retroprogs absetzen. Ein guter Auftritt, der der Band aber nicht viele neue Fans beschert haben dürfte.

Setlist Beardfish:
And The Stone Said: If I Could Speak
Ludvig & Sverker
Voluntary Slavery


Mit ihrem neuen Sänger Ted Leonard (Enchant, Affector) und ihrem starken aktuellen Studioalbum „Brief Nocturnes & Dreamless Sleep“ haben Spock’s Beard bereits bewiesen, dass sie auch nach dem Abgang von Sänger und Studio-Schlagzeuger Nick d’Virgilio noch eine Daseinsberechtigung in der Prog-Szene haben. Die packende Liveshow der Band dürfte aber auch die letzten Zweifler davon überzeugt haben, dass der raue und eher AOR-lastige Gesang von Ted Leonard perfekt zum Sound der Retroprogger passt.


Der Neue machte seine Aufgabe ohne Fehl und Tadel, war mit Spaß dabei und passt stimmlich erstaunlich gut zu den ganz alten Nummern, die noch mit Neal Morse als Hauptsänger und -songwriter entstanden. Und von diesen gab es an diesem Abend eine ganze Menge: Das Setlist-Konzept war so einfach wie effektiv – abwechselnd wurden neue und alte Tracks gespielt. Bemerkenswert daran ist allerdings, dass es nicht ein einziger Song aus der Schaffenphase mit Nick d’Virgilio ins Set schaffte. Und diese Phase umfasst ja immerhin vier von elf Studioalben. Es wäre interessant zu wissen, warum Spock’s Beard diese Entscheidung gefällt haben; vielleicht einfach nur deshalb, weil sie ganz genau wissen, dass die ganz alten Gassenhauer aus der Neal-Ära immernoch die Fan-Lieblinge sind. Überhaupt ist wieder eine starke Verbundenheit zu Neal Morse zu erkennen. Zwei der neuen Songs, „Afterthoughts“ und „Waiting For Me“ entstanden in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Bandchef, was Ted Leonard überdeutlich herausstellt. Natürlich ist es toll, alte und neue Songs von Neal Morse zu hören, etwas mehr Selbstbewusstsein und Mut bei der Songauswahl dürfte die Band aber durchaus an den Tag legen.

Die neuen Songs kamen allesamt sehr gut rüber. Als Opener fungierte „Something Very Strange“, das zwar überwiegend instrumental ist, aber trotzdem einen absolut ohrwurmigen Refrain bietet. Die beiden Ted-Leonard-Kompositionen „Hiding Out“ und „Submerged“ waren live noch überzeugender als auf Platte. Die mehrstimmigen Satzgesänge in „Afterthoughts“ brachten die Herren wie gewohnt fehlerfrei und sauber zu Gehör – einfach beeindruckend! Beeindruckend war auch der Gesang von Drummer Jimmy Keegan, der während der Ballade „The Distance To The Sun“ eine zu Tränen rührende Zweitstimme abgab. Highlight des Abends war sicherlich der epische Abschluss des regulären Sets mit dem neuen Longtrack „Waiting For Me“, eine ebenso große Überraschung war aber die Auswahl der alten Songs, die neben Epics wie „Crack The Big Sky“ oder dem grandiosen „Walking On The Wind“ auch das selten gespielte „Cakewalk On Easy Street“ beinhaltete.

Die Band präsentierte sich top eingespielt und fehlerfrei, auch der ansonsten schon einmal leicht unsichere Ryo Okumoto an den Keyboards leistete sich heute keine Aussetzer. Ted Leonard und Alan Morse harmonierten auf der Bühne überaus gut miteinander – insbesondere, wenn Ted die zweite Gitarre übernahm, erlaubten sich die beiden die eine oder andere Rockstar-Pose. Jimmy Keegan war hinter dem Drumkit flink wie eh und je und durfte während der Zugabe „Go The Way You Go“ auch noch ein mehr als ordentlichen Solo hinlegen. Einzig und allein Dave Meros erschien heute etwas müde und gelangweilt. Sein Spiel war nach wie vor über jeden Zweifel erhaben, doch irgendwie wirkte der heimliche Chef der Band ein klein wenig abwesend und war nicht so recht zum Lachen zu bewegen.

Dass nach etwas mehr als 90 Minuten schon um kurz vor Zehn Schluss war, dürfte der Ü30-Party geschuldet sein, die ab 22 Uhr stattfinden sollte. „I Know Your Secret“ musste deshalb von der Setlist gestrichen werden. Der überaus frühe Beginn um 18:30 war sicherlich auch nicht optimal für diejenigen, die von etwas weiter her kamen. Zusammen mit Stellwerksproblemen bei der deutschen Bahn sorgte er leider dafür, dass ich SOUND OF CONTACT, Brainchild von Phil Collins‘ Sohn Simon Collins und erste Band des Abends, gänzlich verpasst habe. Insgesamt trotzdem ein sehr schöner Abend!

Setlist Spock’s Beard:
Something Very Strange
Crack the Big Sky
Hiding Out
Walking On The Wind
Submerged
Cakewalk On Easy Street
Afterthoughts
The Distance To The Sun
Waiting For Me
———————–
Go The Way You Go (inkl. Schlagzeugsolo)

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