Es gibt sie, diese Momente. Diese Momente, wo man sich fragt, ob man sich eigentlich gerade in der Realität oder im falschen Film befindet. Ob das, was da aus den Boxen schallt, eine Illusion, eine Fata Morgana, die Einbildung auf Grund eines bösen Katers von zu viel Alkohol am Vortag, schlechte Wahrnehmung, weil man sich zu lange die Ohren nicht mehr geputzt hat, ist, oder tatsächlich eine ernst gemeinte Aufnahme. So geschehen mit dem Album „Reaching The End“ einer italienischen Band namens PULVIS ET UMBRA.
Der Soundmatsch, der dem (ab-)geneigten Hörer Schwertransport-weise entgegenschwappt, nennt sich “Reaching The End” und ergießt sich für genau 34 Minuten und 29 Sekunden. Keine Angst, es bleibt noch Raum zum Luftholen, denn trotz der absolut fürchterlichen Klangkulisse ist erkennbar, dass dahinter (oder darunter) vier Musiker stehen, die ihre Instrument zumindest richtigrum halten können: Es gibt nachvollziehbare Songstrukturen, mitunter anständige Grooves und die eine oder andere nette Melodie zu hören, so zum Beispiel in „Hope In A Better Afterlife“. Ansonsten herrscht musikalisch weitestgehend Langeweile. Man reiht austauschbare Konservenriffs aneinander, garniert das mit ein paar Tempowechseln, die ein Schlagzeugschüler in seiner dritten Lehrstunde lernen könnte und fügt das Ganze mit Hilfe von Arrangements aus dem Kosmos-Musikbaukasten zusammen. Obendrein, sozusagen als Schlammhäubchen, gibt es fürchterliche Clean-Gesang-„Attacken“, (das sind im wahrsten Sinne des Wortes Angriffe, aufs Ohr) wie in „Portrait Of Myself“, zu hören, in dem eine nicht näher benannte Person sich in hohen Tonlagen versucht und dabei gehörig das Trommelfell strapaziert – Sänger Stefano müht sich generell merklich ab, klingt aber vor allem in den High-Pitch-Passagen doch eher wie ein 14-jähriger Alexi Laiho.
Und ja, dann ist da noch diese absolut unterirdische Produktion. Ich weiß ja nicht, wie das abgelaufen ist: Hat man sich mit diesem Tonträger tatsächlich bei Rising Records beworben und die haben auch noch „Ja“ gesagt? Oder hat das Label ein Minusbudget für die Produktion zur Verfügung gestellt? Nicht nur, dass das Schlagzeug hölzern ist wie eine klapprige Eiche und der Gitarrensound in etwa so differenziert wie H2O-Moleküle in einem Monsunregen – nein, man hat das Gefühl, dass jedes Lied anders produziert ist. Mal hört man Stefano fast gar nicht („Lying To Yourself“, „Kosmonaut“), dann hat man das Gefühl, die komplette Anlage wäre hinter einer Betonwand gelandet, so verstopft klingt der Sound.
Wenn sich irgendwo eine Coverband findet, die Lust und Zeit hat, könnte die ja mal versuchen, PULVIS ET UMBRA neu zu interpretieren. Mit einer Garage, ein paar Amps und vier Leuten, die vom Blatt abspielen können, kriegt man sicher ein besseres Gesamtbild hin als das, was man hier zu hören bekommt. Für „Reaching The End“ gilt: Der Weg ist nicht das Ziel, er führt nur dahin. Das Ziel: Abschalten.
Wertung: 3 / 10