Sie sind neben Asking Alexandria eine der wenigen Combos aus dem Vereinigten Königreich, die die U18-Fraktion für den Metalcore und seine Spielarten derart begeistern und die Groupies zum kreischen bringen können. Während Ende der Neunziger sich so ziemlich jeder, der in der Mittelstufe als krass gelten wollte, als Slipknot-Fan bezeichnete, übernehmen heutzutage BRING ME THE HORIZON für viele Kiddies den Job der Härte-Paten.
Nachdem der Hype um die Jungs aus Sheffield 2006 mit ihrem Debüt „Count Your Blessings“ begonnen hatte, jagten sie zwei weitere Alben ins Musikuniversum. Nach der letzten Scheibe „There’s A Hell, Believe Me, I’ve Seen It, There Is A Heaven, Let’s Leep It A Secret”, die 2010 erschien, war „Sempiternal“ freilich ungeduldig erwartet worden. Denn wohin die musikalische Reise mit dem neuen Album genau gehen sollte, war so klar wie Jägermeister.
Die erste Auskopplung „Shadow Moses“ richtet den Wegweiser auch gleich völlig neu aus: Frontmann Oli Sykes singt. Das blieb bisher Sam Carter von den befreundeten Architects vorbehalten und damit eine Feature-Ausnahme. Über alle elf Lieder überrascht nun Sykes mit wandelbarer, leidend-zerbrechlicher Stimme. Von der Monotonie seiner klassischen Hardcore-Shouts verabschiedet sich der Sänger ein ums andere Mal in die Tiefe und emotionale Ausbrüche. In die Screamo-Kiste, die die Vocals der ersten Scheibe von BRING ME THE HORIZON dominierten, wird nicht mehr gegriffen.
Dafür zu mehr Melodie: Statt Jona Weinhofen an Gitarre Nummer zwei steht nun Jordan Fish am Keyboard. Er denkt die auf dem letzten Album angeklungenen episch-sphärischen Chorgesänge und Trance-Klänge konsequent zu Ende und schnürt damit ein Korsett, das mal einer Emo-Band wie beim Lied „Seen It All Before“, mal einer Gothic-Rock-Gruppe wie bei „And The Snakes Start To Sing“ hervorragend stehen würde. Mit letzterer Musikrichtung teilt die neue Scheibe von BRING ME THE HORIZON allerdings das Problem der Geradlinigkeit, das entstehen kann, wenn klare, getragene Melodien dominieren.
Das wird umso deutlicher, als sich die Band für „Sempiternal“ davon verabschiedet hat, über die Gehörgänge großflächig einen Bombenteppich aus tiefen Gitarren und undifferenziertem Schlagzeug zu legen. „Antivist“ hält sich als einziges Lied an diese Tradition, die für BRING ME THE HORIZON für so viele Jahre so typisch war.
Textlich hält sich „Sempiternal“ mit Tod und religiöser Metaphorik an die Linie des Vorgänger-Albums, enthält aber mehr Herzschmerz, wie der mutig-synthetisierte und Schlagzeug-entschlackte Opener „Can You Feel My Heart?“ zeigt. Zum absoluten Highlight der Platte gehört das groovig startende „Empire (Let Them Sing)“, das neben solider Bodenarbeit auf sechs Saiten mit ein paar klaren Breaks und einem vollen Refrain zu überzeugen weiß.
Das Album hangelt sich weiter über das powerpoppige „Sleepwalking“ mit Stadionrock-Ambitionen und „Crooked Young“, das konzeptionell etwas besser ins letzte Album gepasst hätte, bis hin zum etwas trägen aber mächtigen Endstück „Hospital For Souls“, das sich gut auf dem Soundtrack des nächsten „Resident Evil“-Films machen würde.
Betrachtet als Gesamthörerlebnis bleibt festzuhalten, dass BRING ME THE HORIZON mit „Sempiternal“ einen in sich stimmigen Beweis erbracht haben, dass es genügend Wege aus der Sackgasse gibt, in der sich der Metalcore derzeit befindet.
(Vinzenz Greiner)
Wertung: 8 / 10