Nur ein Jahr nach ihrem fantastischen Debüt „Black Noise“ legten die kanadischen Progrocker FM mit „Direct To Disc“ 1978 ihr zweites Studioalbum nach – und der Titel ist Programm: Die Platte wurde im Direktschnittverfahren eingespielt, d.h. die Musik von wurde den Aufnahme-Mikrofonen direkt auf die Schneidemaschine des Vinyls übertragen – ohne Umweg über Master-Tonbänder. FM hat das hier vorliegende Material also live an einem Stück eingespielt und keinerlei nachträgliche Bearbeitung daran vorgenommen.
Im Vergleich zum überwiegend sehr griffig und kompakt arrangierten Vorgänger ist die Musik auf „Direct To Disc“ ausufernder und progressiver. Die Arrangements sind komplexer und experimenteller, das Spiel aller Beteiligten virtuoser und losgelöster. Zusammen ergibt das zwei 15-minütige Prog-Suiten, die überwiegend instrumental daher kommen und nur gelegentlich mit etwas Gesang angereichert werden.
Die Melange aus symphonischen, elektronischen, rockigen und jazzigen Parts ist insgesamt kopflastiger und nicht so einfach zugänglich wie das Material des Debütalbums. Mehrere Hördurchgänge sind hier zweifellos nötig, denn Ohrwürmer wie „Phasors On Stun“ vom Debüt sucht man vergeblich. Klassische Songstrukturen gibt es nicht. Stattdessen unterbricht ein kleines Schlagzeugsolo den Song oder blubbernde, beinahe freejazzige Elektronikausflüge entführen den Hörer in psychedelische Klangwelten. Beibehalten haben FM allerdings ihre Instrumentierung: Noch immer kommt ihre Musik völlig ohne Gitarre aus und setzt stattdessen auf eine verzerrte Mandoline und eine Violine. Diese werden allerdings nicht mehr von Nash The Slash, sondern von Ben Mink gespielt.
Freunde des klassischen, experimentierfreudigen 70er-Progs können sich „Direct To Disc“ bedenkenlos auf den Einkaufszettel schreiben. Es ist ein enorm kreatives und farbenfrohes, bisweilen sehr psychedelisches Zeitdokument, das viel zu lange verschollen war: Die vorliegende Ausgabe ist tatsächlich die erste CD-Pressung der Scheibe überhaupt.
Wertung: 8.5 / 10