International erfolgreiche Heavy-Metal-Bands aus Italien gibt es immer noch nur sehr wenige – sieht man mal von den pathosschwangeren Rhapsody of Fire und den dazugehörigen Zerfallsprodukten ab. ELVENKING aber sind wohl das, was man die zweite Reihe nennen könnte. Seit 2001 spielen sie in wechselnder Besetzung Power-Metal mit deutlichem Folk-Einschlag, der vereinzelt auch mal härtere Passagen beinhaltet. Ihr bisheriges Treiben füllte immerhin sechs Alben, sodass mit „Era“ nun das siebte Eisen aus dem Feuer geholt wird.
Was erwartet den Hörer? Wie jedes ELVENKING-Album weist auch dieses gewisse Veränderungen im Stil auf. Natürlich nicht so radikal wie damals, als mit „Two Tragedy Poets“ ein reines Akustik-Album veröffentlicht wurde – dieses Mal bleibt der melodische Power-Metal das Grundgerüst. Stattdessen ist deutlich zu bemerken, dass ELVENKING ihren Weg hin zu modernen Elementen, der auf „The Scythe“ schon begonnen hatte, fortsetzen. Und so klingt das Album zwischenzeitlich überraschend modern und glatt, was sich aber mit astreinen Folk-Passagen abwechselt. Hier fällt besonders eines der Trademarks der Band auf: die Violine, die immer wieder die Melodieführung übernimmt. Vereinzelt wurde auch noch eine Flöte aufgenommen und hinzu kommen immer wieder, aber nicht die ganze Zeit Synthesizerspuren. Das Ganze ist gefälliger, als diese Beschreibung vermuten lässt, und die Band hat ihre Instrumente so souverän im Griff wie Damna seine Stimmbänder.
Es kündigt sich schon an: Abwechslung wird im Verlauf von „Era“ großgeschrieben. So gibt es mit „A Song For The People“, „The Time Of Your Life“ und dem rein instrumentalen „Ophale“ gleich drei rein akustische Folk-Nummern, während besonders die ersten beiden Tracks mit dominantem Schlagzeug typischen Folk/Power-Metal präsentieren. In der Mitte des Albums wird es dann sogar poppig. Vielleicht etwas zu sehr, wie man bei „We, Animals“ denken mag, ein Song, der ein bisschen so wirkt, als ob man Material für zwei Minuten auf vier gestreckt hätte. Wie geht das? Einfach den Refrain wiederholen, als Chor einsingen und das Ganze so lange, bis man Jon Bon Jovi um die Ecke kommen sieht. Man verstehe mich nicht falsch: Das kann ganz nett sein. Das Spiel mit den Pop-Melodien kommt allerdings noch öfter vor und ist in meinen Augen übertrieben, wobei das natürlich, wie so oft, Geschmackssache ist.
Richtig gelungen ist hingegen der Gastauftritt von „Mountain King“ Jon Oliva, der auf „I Am The Monster“ und dem ebenfalls arg poppigen „Forget-Me-Not“ einige Gesangsspuren beigesteuert hat, die einen schönen Kontrast zur streckenweise doch süßlichen Stimme von Sänger Damna bildet.
Mangel an Ideen kann man den Italienern wahrlich nicht vorwerfen. Allerdings, und hier kommt die Kritik, passt das nicht immer zu 100 Prozent zusammen. Songs wie „Midnight Skies, Winter Sighs“ sind schlicht überladen mit ihren zahlreichen Wechseln und Effekten – es wäre interessant zu wissen, wie viele Spuren Mischer und Produzent pro Song verwaltet haben. Man könnte einen Wettbewerb draus machen: Wer bei „Chronicle Of A Frozen Era“ noch auf jede einzelne Spur hören kann, gewinnt. Das betrifft nun nicht alle Songs, aber bei einigen wäre weniger wohl mehr gewesen.
Und so fehlt ein wenig die klare Linie auf dem Album, obwohl handwerklich vieles richtig gemacht wurde und einige astreine Songs mit großartigen Refrains dabei herausgekommen sind. Insgesamt bleibt ein für Power-Metal- und Folk-Metal-Fans absolut empfehlenswertes Album mit vielen guten Ideen, aber eben auch der Eindruck, dass die Band ihren ganz eigenen Stil bei all dem Experimentieren noch nicht gefunden hat.
Wertung: 7 / 10