Review Kaipa – Vittjar

KAIPA haben nie die erste Geige im Prog-Zirkus gespielt; dennoch blicken sie auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. In der Originalbesetzung, die 1975 ihr Debütalbum veröffentlichte, spielte beispielsweise Roine Stolt Gitarre. Ganz genau: Der Roine Stolt, der beinahe zwei Jahrzehnte später mit seinen Flower Kings die Retroprog-Szene im Sturm erobern sollte. Er war es auch, der KAIPA gemeinsam mit Keyboarder und Chef Hans Lundin 2002 nach mehr als 25 Jahren aus der Versenkung zurückholte, nur um sie wenige Jahre später wieder zu verlassen. Seitdem greift niemand geringeres als Scar Symmetry-Gitarrist Per Nilsson bei den symphonischen Schweden in die Saiten.

Mittlerweile hat die neue KAIPA-Besetzung, zu der auch Sänger Patrick Lundström (Ritual) und Bassist Jonas Reingold (Flower Kings) gehören, deutlich mehr Alben hervorgebracht als das Original-Lineup der Siebziger. Von diesem ist nach dem Ausscheiden von Roine Stolt lediglich Chef Hans Lundin über. „Vittjar“ ist bereits das sechste Werk dieser Besetzung, und im Prinzip klingt es genauso wie seine fünf direkten Vorgänger.

Hochmelodisch, überaus symphonisch und äußerst positiv – so könnte man die KAIPA-Songs in aller Kürze zusammenfassen. Lundin & Co. sind stets lebensfreudig und gut gelaunt, ihre musikalische Mixtur aus Retroprog, Folk und Pop fußt auf einem massiven Fundament aus Wohlklang und Kitsch – dafür sorgen vor allem die süßlichen Gesangsstimmen und -melodien von Patrick Lundström und seiner Gegenspielerin Aleena Gibson. Rock ist – leider – ein Fremdwort und nur in äußerst geringen Dosen zu finden. Wen diese Dinge nicht stören, den erwartet hier ein durchaus unterhaltsames und gut gemachtes Prog-Album, das allerdings zu keiner Sekunde wirklich nachdrücklich zu beeindrucken weiß – auch wenn es musikalisch blitzsauber eingespielt und hervorragend produziert ist. Die besten Momente sind diejenigen, in denen mit der Violine gezielt Akzente gesetzt werden, was der Musik zusätzliche Tiefe verleiht.

Fans der zweiten KAIPA-Besetzung dürfen dennoch bedenkenlos zugreifen und KAIPA-Kennern sei gesagt, dass die Platte mit dem 22-minütigen „Our Silent Ballroom Band“ einen der drei längsten Tracks der Band überhaupt enthält. Auf dem Titeltrack „Vittjar“ greift man zudem erstmals seit 30 Jahren wieder zu schwedischen Lyrics.

Fazit: Handwerklich tadellos und kurzzeitig unterhaltsam – für Langzeithörspaß tönen KAIPA mir schlichtweg zu kitschig. Und das sage ich als Neal Morse-Fan, der einiges an Kitsch gewöhnt ist.

Wertung: 7 / 10

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