(Drone / Doom / Noise) Es kommt schon verdammt selten vor: Man lässt ein Album durchlaufen und findet kaum einen Fehler, kaum Aussetzer, kaum Längen. Es läuft und du bist durch und durch fasziniert, es wirkt wie ein dunkler und finsterer Sog, ein atmosphärischer Dampfhammer, der in deine Hirnwindungen einschlägt und dich in einen düsteren Abgrund führt, hinab in einen musikalischen Irrgarten. Es rauscht ständig, es knarzt und es fiept, es ist quasi keine Musik, und dennoch vernimmst du ständig die Melodie, die dort irgendwo im Nebel ihr klagendes Lied vor sich hin summt. LOCRIAN veröffentlichen mit „The Clearing“ ein bereits 2011 auf Vinyl erschienenes Machwerk und mit „The Final Epoch“ unveröffentlichtes und rares Material – jeder Song ein atmosphärischer Monolith, der finster und grimmig in der Dunkelheit thront.
“Chalk Point” beginnt rauschend, pochend und drückend. Ein trauriger Pianist haut die Tasten mit Bedacht, die Krachmaschine spuckt im Hintergrund eine giftige Galle, und plötzlich bricht die röhrende Gitarre mit voller Kraft ein, ein Schlagzeug erklingt dort irgendwo, ein unverständliches Raunen im Hintergrund, ein Chor dessen Nachricht dem Hörer verschlossen bleibt. Es ist ein Sog, ein Strudel, hypnotisch und absolut perfekt. Und dann: Wieder Krach. “Augury In An Evaporating Tower” dröhnt, spacige und psychedelisch anmutende Töne erklingen dort, eine bedrohliche Melodie ist zu vernehmen. Plötzlich ein markerschütternder Schrei. Rasende Black Metal Drums kratzen irgendwo dort, wo das Rauschen sein eigenes Lied spielt. Und plötzlich Lagerfeuerromantik in der traurigsten Form. „Coprolite“ lässt eine Akustikgitarre ein einsames Lied spielen, und dennoch regiert der Krach, auch wenn er nur im Hintergrund wütend vor sich hin faucht. „The Clearing“ beendet mit fast 18 Minuten Länge in einer angsteinflößenden Geräuschkulisse Disc 1. Und lässt den Hörer mit einem Staunen in den Augen zurück.
„The Final Epoch“: Markerschütternde Schreie, Geräusche, Gitarren. „On A Calcified Shore“: Unausstehliches Gefiepe und schreckliche Rückkopplung, und plötzlich erscheinen einem die klagenden Gitarren wie Walgesänge. Keine Melodien zeichnen Disc 2 aus, hier regiert die Atmosphäre. „Omega Vapors“ ändert das – seltsame elektronisch erzeugte Klänge ertönen hier, bis die Gitarre Post Rock-mäßig erklingt. „Falling Towers“ und „After The Torchlight“ beenden grässlich, angsteinflößend und fast unerträglich unruhig dieses Machwerk. Dieses perfekte Doppelalbum.
Ich lege gerade die Kopfhörer beiseite und versuche mich an einem Fazit: Diese zwei Discs lassen einen wahrhaft staunend zurück. Locrian schaffen es, dem unerbittlichen Krach Melodie einzuhauchen und dem grässlichen Fiepen Atmosphäre zu geben. „The Clearing / The Final Epoch“ ist absolut nichts für jeden. Wer es jedoch in einer ruhigen Stunde genießt, der erhält einen epochalen und so dermaßen schwermütigen Mix aus Post Rock, Black Metal, Noise, Drone, Doom und Atmosphäre. Ein guter Rotwein könnte kaum besser schmecken.
Wertung: 9 / 10