(Western / Southern / Thrash Metal) Eine Nischenband zu sein, hat stets Vor- wie Nachteile. So hat man zwar stets einen gewissen Exotenstatus, klingt „individuell“ und bewegt sich auf einem Terrain, auf dem einem kaum jemand etwas vormachen kann – allein, die selbst gewählte Nische wird gerne über die Jahre etwas eng, wie Bands wie Amon Amarth feststellen mussten, deren Wikinger-Konzept so langsam auch an seine Grenzen stößt.
So weit sind die deutschen Western-Thrasher DEZPERADOZ zugegebenermaßen noch lange nicht – und doch hat auch deren viertes Album bereits etwas Patina angesetzt, bevor es überhaupt auf dem Markt ist. Denn auch wenn die Herren um Ober-Cowboy Alex Kraft sich wieder einmal wirklich Mühe gegeben haben, und „Dead Man’s Hand“ zunächst auch zu gefallen vermag, wird das Problem des Albums leider mit jedem Durchlauf deutlicher.
Denn wo die thrashigen Parts mit ihren – vor allem gesanglichen – Reminiszenzen an Metallica zu Load/Reload-Zeiten durchaus als zeitlos angesehen werden können, stellen mich gerade die Band-charakteristischen Western-Elemente vor ein Problem… nutzen sich diese doch, wie eigentlich alle „Spezialeffekte“, deutlich schneller ab als die pure Musik dahinter. So ist hier ein wenig der „Alestorm-Effekt“ auszumachen: Macht die CD einige Songs lang wirklich Spaß, läuft sich das Gebotene recht schnell tot und beginnt kitschig und damit anstrengend zu werden. Dies ist insbesondere insofern schade, als „Dead Man’s Hand“ an sich wirklich mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet ist und musikalisch wieder deutlich stärker ist als der eher durchschnittliche Vorgänger. Doch gerade weil den Western-Effekten hier deutlich mehr Gewicht beigemessen ist als auf dem wirklich großartigen Parade-Werk der Band,„The Legend And The Truth“, wirkt die Chose oftmals etwas übertrieben, um nicht zu sagen aufgesetzt. Denn hatte besagtes Album eher Hörbuch-Charakter, sodass die Western-Effekte durchaus gut begründet erschienen, vor allem aber eher auf die Interludes beschränkt eingesetzt wurden, sind hier auch die Songs selbst von Western-Kitsch überladen. Das mag dem ein oder anderen gefallen und ist hier gewiss auch nicht schlecht umgesetzt – mir persönlich jedoch ist das schlicht zu viel des Guten: Denn wäre das musikalische Grundgerüst des Albums dieses Mal vielleicht sogar stärker als man es von den DEZPERADOZ bislang zu hören bekommen hat, wirkt dieses mitunter zugekleistert und überkandidelt, wie man in Bayern so schön sagt.
„Dead Man’s Hand“ ist beileibe kein schlechtes Album und wer auf Monumentalfilm-Soundtrack mit Kopfkino im Western-Style steht, sollte hier auf alle Fälle zugreifen. Auch bereitet das Material eingestreut in eine Playlist sicherlich auf Partys genauso viel Frohsinn wie im Stau auf der Autobahn oder – vermutlich – im Live-Betrieb. Und trotzdem würde ich persönlich eher zu „The Legend And The Truth“ greifen, um mir den Nachmittag zu versüßen – denn bei aller Mühe, die sich die Band hier gemacht hast, ist das definitiv das authentischere der beiden Alben.
Wertung: 7 / 10