Nocturno Culto – Darkthrone-Begründer, Szene-Legende, Regisseur? Man könnte es annehmen… handet es sich bei „The Misanthrope – The Existence Of… Solitude And Chaos“ doch um das Filmdebüt der Black-Metal-Koryphäe. Der Film gebe einen Einblick in das Leben des Musikers, nehme den Betrachter mit ins Herzen der norwegischen Black-Metal-Szene und beinhalte einzigartiges Material über Darkthrone, Aura Noir und abgefahrene Reisen durch Norwegen, lässt der Klappentext den Fan wissen. Aber auch, dass es sich um eine schräge Dokumentation, die nicht jedem gefallen dürfte, handelt, wie der Mastermind selbst zitiert wird.
Nun gut, klingt soweit ja alles recht interessant.
Ist es aber nicht. Nicht ansatzweise.
Denn was Nocturno Culto hier zusammengeschustert hat, ist nicht mehr als eine vollkommen kontext- und kommentarlose Sammlung von Videoschnipseln, bei denen man sich zunächst einmal fragt, warum diese Szenen überhaupt jemand in Bildern festgehalten hat… ganz abgesehen davon, was man daran für veröffentlichenswert erachten könnte.
Da liest ein pensionierter norwegischer Zirkusfakir, auf einem Campingstuhl auf einem Waldgrundstück sitzend eine norwegische Sage vor. Schnitt. Nocturno Culto radelt durchs Bild. Schnitt. Gallhammer spielen live (Bootlegqualität). Schnitt. Tyrant sitzen mit Darkthrone um ein Lagerfeuer, Gesprächsthema: Sandwiches. Das Lagerfeuer wird ausgepinkelt (hihi). Schnitt. Aura Noir unterschreiben einen Vertrag. Schnitt. Darkthrone-Bootleg-Material. Dazwischen immer mal wieder Nocturno Culto, der eine sargähnliche Holzkiste durch den Wald zieht. Philosophische Gespräche über Technik und die moderne Welt. Nocturno Culto mit Grutle (Enslaved) beim Eisfischen. Die Reihenfolge mag so stimmen oder auch nicht… es tut nichts zur Sache, so zusammenhangslos, wie die Fragmente auch auf der DVD scheinbar wahllos aneinandergereiht wurden.
Schlimm an alledem ist nicht, dass man mit „The Misanthrope – The Existence Of… Solitude And Chaos“ ungefähr genauso viel Einblick in die Black-Metal-Szene erhält, wie man in „Findet Nemo“ über den Ozean erfährt… das ist allerhöchstens schade. Schlimm ist, dass „The Misanthrope“ dabei nicht einmal witzig ist. Oder zumindest unterhaltsam. Nicht ansatzweise. Denn wo die einzelnen Szenen vielleicht mitunter skurril sein mögen, findet sich im gesamten Film nicht ein Ausschnitt, der wirklich lohnenswert wäre, gesehen zu werden, kein Clip, der die vorkommenden Personen in einer unerwarteten Szene zeigen würde oder in neuem Licht erscheinen ließe, kein Mitschnitt, der schmunzeln ließe.. allerhöchstens Kopfschütteln.
Auch das „Rahmenprogramm“ ist durchweg mit Verachtung zu strafen: Als DVD-Extras werden hier qualitativ kaum zu vertretende Darkthrone-Proberaumaufnahmen präsentiert, als Bonus-CD liegt der von Nocturno Culto geschriebene Film-Soundtrack bei… eine belanglose Ansammlung sphärischer Sounds und Klänge, die damit dennoch – und das ist das wirklich erschreckende – das Unterhaltsamste des gesamten Packages ist.
Was sich hier wer gedacht hat, als die Idee zu diesem „Film“ geboren wurde, vermag ich mir nicht auszumalen. Was treibt einen Nocturno Culto dazu, derartig belangloses Material als „Film“ zu verkaufen? Was denkt sich ein Labelchef, der der Veröffentlichung eines solchen Machwerkes zustimmt? Und was bitteschön soll der Fan denken, dem Geld für einen derartigen Mumpitz ausgegeben hat?
Wer Einblicke in die Szene haben möchte, darauf hofft, dass hier jemand, der seit Anfang an dabei war, aus dem Nähkästchen plaudert, Anekdoten preisgibt, Zusammenhänge erläutert oder einfach nur den Spirit der frühen Black-Metal-Szene aufleben lässt, wird von „The Misanthrope“ auf voller Linie enttäuscht. Am ehesten repräsentiert diese DVD die Attitüde, mit der Darkthrone seit dem Releasejahr dieses Films auch auf ihren Alben vorgehen: „Fuck Off And Die“.
Wertung: 1 / 10