Review The Wars – Healings

Beschwingte Melancholie. Euphorische Trauer. Federleichter Schwermut. Was zunächst wie eine simple Aneinanderreihung sich widersprechender Begriffe klingen mag, beschreibt eine Tendenz in der alternativen Musikszene, die sich in den letzten Jahren etabliert hat – oder, besser gesagt, zurückgekehrt ist: Trauriger, häufig in Bariton-Tiefen angelagerter Gesang trifft auf treibende Schlagzeug-Beats, offen angeschlagene, rhythmische Gitarrenakkorde, schnurrende Basslinien und Synthesizer-Flächen, und zack: Indie-Mädchen und Indie-Jungs von New York bis weit hinter Berlin sind entzückt. Bei all dem darf nicht vergessen werden, dass es vor allem New Wave- und Post-Punk-Bands aus den 70er und 80er Jahren sind, die auf einem ähnliche Prinzip aufbauen und als Vorbild dieser „neuen Generation“dienen.
Die Trauer, welche in der Musik, der Stimme und den Texten beispielsweise von Ian Curtis von Joy Division, deren ‚Nachfolgern‘ New Order oder den nach wie vor erfolgreichen Depeche Mode liegt, wurde im neuen Jahrtausend von Bands wie Interpol, Editors oder The National aufgegriffen, um den manchmal vorhandenen Gothic-Aspekt entschlackt und dafür mit unterschiedlichen Stilen angereichert. Während The National sich einen kleinen Folk-Einschlag bewahren und trotz der „passenden“ Stimmlage ihres Frontmanns noch am ehesten eigenständig sind, und sich Editors auf ihrem letzten Album stärker in elektronischen Gefilden austobten, blieben sich Interpol in ihrem, häufig verhallten, beinahe generischen, dabei immer begeisternden Indie-Stil treu.

Die Parallelen der beiden letztgenannten Bands zu den drei Berlinern von THE WARS sind mehr als offensichtlich. Das Songwriting auf deren Album „Healings“ ist trotz oder gerade wegen des einfach gehaltenen Indie-Pop-Rahmens eingängig und mitreißend. Die einzelnen Teile passen hervorragend zusammen, die Produktion ist toll aufeinander abgestimmt und die Stimme von Chris Kowski gräbt sich mit viel Energie in die Songs ein. Zwar fehlen insgesamt die großen Ohrwürmer, doch das Album langweilt zu keiner Sekunde. Die Beine zu den rhythmischen Spielereien und den – zwar nicht überraschenden, aber unglaublich effektiven – Gitarrenmelodien stillzuhalten, fällt schwer. Die Melodien sind nicht zu fröhlich und nicht zu traurig, relativ einfach, aber nicht zu einfach. Selbst die traurige Tonlage von Kowskis Gesang wird durch seine Energie belebt und energetisch.

„Healings“ ist ein rundes, mitreißendes Album geworden, welches sich nahtlos in eine Reihe mit ähnlich gelagerten Indie-Bands einfügt – wäre ein schöner Schlusssatz. Doch auf Albumlänge bleibt ein fader Nachgeschmack, da die Verortung in der ‚Tradition‘ der oben genannten Bands zugleich die größte Stärke, als auch die größte Schwäche der Berliner Band darstellt. Chris Kowskis Stimme erinnert nicht nur an Paul Banks von Interpol, sondern ist quasi identisch mit dieser. In ihrer Musik leihen sich THE WARS nicht nur manche Momente der scheinbar unangreifbar auf ihrem Gipfel thronenden Interpol und Editors, sondern entlehnen das Beste der Gitarren-Indie-Parts beider Bands und reichern dies an manchen Stellen mit den besten Synthesizer-Parts des letzten Editors-Albums an. Die Eigenständigkeit von THE WARS bleibt somit vollkommen auf der Strecke, und das gesamte Album über spuken die großen Referenzenen permanent im Kopf herum. Das Problem von „Healings“ ist wohl das Veröffentlichungsjahr: THE WARS sind mit ihrem Album einfach einige Jahre zu spät, da der Überraschungs-Effekt, welcher mit der Rennaissance der traurigen Seite des Indie einherging, nicht mehr neu ist und keine Überraschungen mehr bietet.

Dennoch machen THE WARS ihre Sache absolut großartig. Auch wenn die Vergleiche zu ihren Vorbildern immer wieder fallen müssen, spielt die Band hier beinahe in der gleichen Liga mit ihren Idolen. Wenn sich die Berliner auf ihre individuellen Stärken fokussieren und es somit schaffen, nicht nur wie eine Kopie zu klingen, sondern wie eine eigenständige Band, kann auch Berlin als deutsche Indie-Hauptstadt ihren eigenen Trauer-Indie mit stolzer Brust vorführen.

Wertung: 7 / 10

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