Klar, das kann man so machen; die Isländer LOCKERBIE machen keinen Hehl daraus, dass sie in allerster Linie von ihren Landsmänner Sigur Rós inspiriert sind. Man könnte es natürlich auch anders gestalten, viele neue Kapellen legen schließlich von Anfang an wert darauf, bereits ihren eigenen Stil gefunden zu haben bzw. sich gerade vom naheliegensten Vergleich absondern zu wollen. Laut Info ist die Geschichte der Band allerdings von einigen Zufällen gesäumt, so dass man schon mit einiger Überraschung nun den Weg aufs europäische Festland angetreten hat.
Mit zwei Demos im Gepäck haben sich LOCKERBIE zufällig an einem Bandcontest beteiligt und nach einem Motivationsloch ging es mit dem Sieg bei eben diesem Wettbewerb wieder bergauf. Zum Glück für uns, möchte man ergänzen, denn auch wenn die musikalische Nähe zu den großen Post-Rockern in meinen Ohren nicht so sehr gegeben ist, kann man nicht umhin, den Jungs um Fronter Þórður Páll Pálsson eine gute Qualität zu attestieren. Die Songs kommen in ganz unterschiedlichem Ausmaß daher, die über zehn Minuten langen Epen von Sigur Rós sucht man vergebens, an deren Stelle rücken teils sehr kompakte Songs, die wirklich rocken. Zügig, mit Drive und einigen Ohrwurmmelodien kommen die Lieder daher, manche fungieren eher als kurze Zwischenspiele, hier und da schleicht sich eine längere Nummer ein, unter dem Strich bleiben aber für zehn Songs eine Spielzeit von knapp 40 Minuten. Man muss jetzt keine Angst vor auf Teufel komm raus radiotauglich gemachte Musik, jeder Song geht genau so lange, wie es für ihn gut ist. Trotz dieser Werbung für kürzeres Liedgut muss ich aber zugegeben, dass mit “ Snjóljón“ ausgerechnet das längste Lied auch das beste ist.
Um mal etwas konkreter zu werden: neben der klassischen Bandbesetzung, ergänzt um ein Keyboard, zehrt die Musik der Isländer vor allem aus schicken Streicherarrangements, die sich wie selbstverständlich in den Gesamtsound einfügen. Auch hier müssen keine Sorgen aufkommen, Weichspülerei gibt es bei LOCKERBIE nicht, so fehlt auf dem Album eigentlich nur eines und das ist eine Ballade, aber ganz ehrlich, auf „Ólgusjór“ vermisse ist sie so selten wie eigentlich nie zuvor. Denn eine wichtige Sache wäre da noch: LOCKERBIE machen Spaß, sie klingen wie der Schlag eines Schmetterlingsflügels im warmen Sonnenschein, sie verlangen heruntergekurbelte Fenster bei der Autofahrt und dulden keinerlei Depression.
Für den immerwährenden Trauerkloß muss ich also eine Warnung aussprechen oder gerade deshalb zu LOCKERBIE ermutigen: eine kleine, aber sehr feine Band, die sich flotten Rock mit positiver Attitüde auf die Fahne geschrieben haben. So wartet man gerne auf den kommenden Frühling.
Wertung: 8.5 / 10