Im hohen Norden sind die Anzahl der mittelalterlichen Kombos noch überschaubarer als im dichter besiedelten Süden der Bundesrepublik. ATTONITUS aus Flensburg folgen seit 2005 bewaffnet mit E-Gitarren und Dudelsäcken jenen Pfaden, die In Extremo, Subway to Sally oder auch Nachtgeschrei zu wachsender Popularität verhalfen. Mit „Opus II: Von Lug und Trug“ legen sie einen weiteren soliden Grundstein für zukünftige Taten.
Die Ausreißer nach unten und oben halten sich bei allen 14 größtenteils flotten Mittelaltermetal/Folkrock-Kompositionen in Grenzen. So lauscht man der Musik mehr oder weniger aufmerksam und fühlt sich nie ernsthaft belästigt in den mittelalterlichen Klangessphären. Die Folkkomponente auf „Opus II“ ist stets erkennbar und keine austauschbare Randnotiz. Ein Plus, besonders in Stücken wie dem religionskritischen „Der Ketzer“, dem Sauflied „Skol“ oder „Inquisition“. Hier spielen Attonitus ihre bereits vorhandenen Stärken aus. Auch instrumental wissen die Nordlichter mit dem Titeltrack zu überzeugen. An zweiter Stelle wirkt das textlose Lied direkt nach dem Intro allerdings ein wenig fehlplatziert.
Sänger Vodric bewegt sich stimmlich solide irgenwo zwischen Alea dem Bescheidenen und Eric Fish. Etwas mehr eigene Identität dürfte sich hier gerne noch herauskristallisieren. Selbiges gilt für die Musik als Gesamtpaket: Dem neuesten Opus aufmerksam zu lauschen ist oftmals gar eine Herausforderung. So wenig die Klänge mit einem Ohr gehört stören, so wenig begeistern sie, wenn man genauer lauscht. Das Songwriting ist in allen Belangen noch ausbaufähig und auch die Instrumente der acht (!) Bandmitglieder wirken nicht optimal aufeinander abgestimmt, besonders beim eher flotten „Tanzt ohne Zweifel“, welches darüber hinaus unter Soundengpässen leidet. Vielleicht wäre im Line-Up des Oktetts insgesamt weniger mehr.
Gleiches gilt für die Länge der Lieder, deren starke Momente in oftmals belanglosen Passagen untergehen. Eigentlich schade, denn die Ansätze und Ideen bei Attonitus sind durchaus vielversprechend. Scheinbar wollten sie auf „Opus II: Von Lug und Trug“ allerdings zu viel. So ist das Album in der Bandvita letztlich weder Vor- noch Rückschritt und zum jetzigen Zeitpunkt bestenfalls für Szenekenner, die sich an allem Bekannten sattgehört haben, eine kleine Empfehlung. Doch auch Rom wurde bekanntlich nicht über Nacht erobert. Gleiches gilt für den Mittelalterolymp.
Wertung: 6 / 10