Review Dibbukim – Az a Foygl un a Goylem tantsn

„Jiddish Folk Metal“ – damit dürften DIBBUKIM wirklich mal Pioniergeist beweisen. Die in Schweden ansässigen Eheleute Ida und Niklas Olniansky holten sich vergangenes Jahr Magnus Wohlfahrt von Yggdrasil ins Boot und nahmen mit ihm und einem zusätzlichen Schlagzeuger „Az a Foygl un a Goylem tantsn“ auf. Mit ein bisschen Fantasie lässt sich als Deutscher das Jiddische, also die Sprache der aschkenasischen (=mittel- und osteuropäischen) Juden, durchaus verstehen, denn dieses basiert auf dem Mittelhochdeutschen. Der Titel bedeutet also nichts Anderes als „Wenn ein Vogel und ein Golem tanzen“.

Doch wer vermutet, bei DIBBUKIMs Debüt handle es sich einfach um eine Ansammlung schneller, lustiger Klezmer-Songs, hat sich geschnitten. Vielmehr haben wir es mit der Vertonung sehr abwechslungsreicher, traditioneller jiddischer Folklore zu tun. „Yidl mitn Fidl“ geht zwar noch deutlich in die Richtung Spaß und dürfte manchem als „Zehn Orks“ von den Streunern bekannt vorkommen. Doch schon die nächste Nummer ist eigentlich ein Schlaflied und kommt ensprechend sanftmütig daher. Und so wechseln sich in recht schöner Regelmäßigkeit tanzbare und melancholische Stücke ab, alle komplett mit klarem männlichen und weiblichen Gesang, in jiddischer Sprache und mit reichlich traditionellen Melodien. Ab und zu fühlt man sich in das Musical „Anatevka“ hineinversetzt, mehr Kontakte mit aschkenasischer Folklore dürfte man als Ottonormalmitteleuropäer auch kaum gemacht haben. Authentizität darf sich die Band, die sogar ihre Website komplett in jiddischer Sprache (mit hebräischen Schriftzeichen) anbietet, wohl aber ganz groß auf die Fahne schreiben.

Haben DIBBUKIM (der Name steht für die Totengeister in der jüdischen Mythologie) aber mehr zu bieten als nur einen Exotenstatus? Ja, durchaus! Denn das Songmaterial erweckt den Eindruck, dass es höchste Zeit war jiddische Folk-Musik in ein Metal- bzw. Rockgewand zu kleiden. „Yidl mitn Fidl“ ist in gleichem Maße eine wunderbare Spaßkanone wie „Oyfn Veg shteyt a Boym“ (bereits vorab als Single veröffentlicht) den Hörer mit wohligem Schwermut verzaubert. Nicht alle Nummern kommen so gut auf den Punkt und hie und da dürfte man sich auch etwas Glättung bei den Melodien wünschen, aber insgesamt ist „Az a Foygl un a Goylem tantsn“ ein wunderschönes Beispiel, wie man sich auch im ausgelatschten Folk Metal-Sektor noch neue Nischen schaffen kann.

Somit ist den Schweden (oder als was auch immer sich das Bandkopf-Paar identifiziert) ein hochbeachtliches Erstlingswerk gelungen. Inwieweit sich die jüdische Metalgemeinde weltweit inspiriert fühlen darf, sei dahingestellt. Aber angesichts dieser reifen Leistung darf man vor DIBBUKIM getrost den Hut ziehen und für die Zukunft „Mazel tov!“ wünschen.

Wertung: 9 / 10

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