EPYSODE: Ein Vorfall oder Ereignis, das Teil einer größeren Entwicklung ist, ein Stadium zwischen den Bewusstseinszuständen…
Hattest du schon mal das seltsame Gefühl, von einer unsichtbaren Präsenz beobachtet oder verfolgt zu werden? Was, wenn es wirklich etwas oder jemanden gibt, der/das über uns wacht, uns von einem uns unbekannten und ungesehenen Ort aus leitet? Jemand, der uns hilft und unsere tiefsten Gedanken kennt… Und was, wenn diese Hilfe nicht gänzlich gut ist?
Alle 45 Jahre wiederholt sich ein mysteriöser Fall von Kindesentführung und dem Mord an dessen Eltern. Ein neunjähriges Kind ohne Erinnerung an die Vorfälle, daneben der tote Körper des 54-jährigen Vaters – immer wieder. Ein junger Ermittler findet heraus, dass der Vater immer der zuvor als Kind entführte Neunjährige ist und stellt fest, dass diese Fälle direkt mit seinen Problemen und einer anderen Welt zu tun haben…
Was nach der durchaus spannenden und kinotauglichen Geschichte für einen Mystery-Thriller klingt, ist das Konzept von EPYSODE, dem neuen Projekt von Samuel Arkan, seines Zeichens Gitarrist der mir unbekannten belgischen Band Virus IV. Für seine Metal-Oper „Obsessions“ hat er sich jedenfalls außergewöhnlich viele Gedanken gemacht und sich für die Umsetzung hervorragende Musiker an Bord geholt. Der bekannteste Name ist hier sicherlich Oddleif Stensland, Sänger von Communic. Magali Luyten und Liselotte Hegt kennt man schon von Ayreon, Rick Altzi von Thunderstone. An den Instrumenten wurden auch keine Unbekannten versammelt, so bringen Kristoffer Gildenlöw und Léo Margarit ihre Pain Of Salvation-Erfahrung mit ein.
Mit dem textlichen Konzept muss man sich jedoch nicht beschäftigen, „Obsessions“ kann auch ohne Hintergrund gehört werden. Schon nach wenigen Minuten allerdings fällt dabei die allgemein düstere und drückende Stimmung der Musik auf, viel Fröhlichkeit oder lockere Momente gibt es nicht. Auch deswegen gestaltet sich der Einstieg überaus schwierig, sehr komplex und sperrig präsentiert sich die gesamte Scheibe. Nach mehreren Durchgängen aber zeigt sich: Das hier ist kein überambitioniertes Werk mit zu vielen Ideen und ungenutztem Potential, sondern vielschichtige Musik mit Stärken in der Subtilität. Konzentriertes Hören wird gefordert, dann ist allein schon das Zusammenspiel zwischen Keyboard und Schlagzeug im Hintergrund im ersten richtigen Lied „First Blood“ ein Hochgenuss. Ohrwurm-Qualitäten zeigen EPYSODE ebenso, der Titeltrack „Obsessions“ erfreut mit einem mehrstimmigen Chorus und Liselotte Hegt schmeichelt sich bei „The Other Side“ ins Ohr, während Oddleif Stensland bei „Fallen’s Portait“ seinen großen Auftitt hat. Hier klingt er ganz anders, gefühlvoller und dunkler, als bei seiner Hauptband Communic, was den Song mitsamt seinem herausragendem Songwriting zum Highlight des Albums macht. Bei all der Schwere ist etwa die Piano-Ballade „Gemini Syndrom“ eine mehr als willkommene Auflockerung, bis sich nach mehrfachem Hören endlich erste Eingängigkeit offenbart, und ab da an macht das dann so richtig Freude.
Erfreulicherweise wird auf Selbstpräsentation und Masturbation verzichtet, trotz der enorm hohen technischen Qualität finden sich auf „Obsessions“ keine ausufernden Soli oder Spielereien, alles ist song- und storydienlich im Konstrukt des melodischen Progressive Metal. Ein starkes, kraftvolles Album, das oft an Ayreon erinnert, deren Meisterwerke aber (noch) nicht erreichen kann. Wer sich außerdem noch mit Symphony X und Kamelot anfreunden und ein wenig Geduld aufbringen kann, für den ist EPYSODE eine siedend heiße Empfehlung!
Wertung: 8.5 / 10