Inzwischen ist der Release von „2“ auch schon einige Monate her, man sollte sich eigentlich an Album und Band gewöhnt haben. Doch nein: Immer noch bereitet alleine die Lektüre der Besetzungsliste Freude und wenn die Songs der beiden Alben BLACK COUNTRY COMMUNIONs laufen merkt man, dass die 23 Nummern, obwohl sie höchstens anderthalb Jahre auf dem Buckel haben, qualitativ locker als Rock-Klassiker durchgehen. Nun erscheint mit „Live Over Europe“ knapp zwei Jahre nachdem Bonamassa und Hughes entschieden hatten, zusammen Musik zu machen, auch das erste Live-Dokument der Classic Rock-Formation.
Stammen die ersten vier Songs aus der Theaterfabrik in München, wechseln sich im folgenden Open Airs in Hamburg und Berlin ab, Bild- und Tonmaterial zu stellen. Ob hier schlicht aus der Not eine Tugend gemacht wurde, weil das Material einer einzigen Show nie komplett zufriedenstellend war, oder ob man dadurch die verschiedenen Bühnentypen, die BCC bespielten, präsentieren wollte – außer der Kleidung Joe Bonamassas und den Umstand, dass es in München dunkel und in Hamburg und Berlin hell ist, unterscheiden sich die Auftritte eher nicht, beispielsweise das Publikum ist eigentlich nie übermäßig präsent.
Worüber nicht zu reden lohnt, ist die Bildqualität: 14 HD-Kameras bringen die Angelegenheit in trockene Tücher, gestochen scharfes Bild, schöne Einstellungen (na gut, weder Glenn noch Joe profitieren davon, dass man ihnen unter die Sonnenbrillen filmt), hier wurde professionell gearbeitet. Was man aber natürlich von einer Band mit Supergroup-Anspruch und einem Release im Jahre 2011 auch erwarten darf, insofern nicht weiter bemerkenswert. Die Songauswahl ist ebenso vorhersehbar wie gelungen: Von „2“ kommt alles außer „Little Secret“ und „An Ordinary Son“, der Rest der Setlist wird von sechs Songs des Debuts gefüllt. Eine kleine Überraschung stellen vielleicht Bonamassas Solo-Song „The Ballad Of John Henry“ und Deep Purples „Burn“ dar, die sich aber beide perfekt in den BCC-Sound einfügen und auch qualitativ selbstredend nicht zurückstehen. Die Performance des Vierers ist souverän, hier braucht man wohl auch nicht viele Worte zu verlieren, alle Protagonisten wissen, wie man ein Instrument spielt und wie man auf der Bühne Stimmung erzeugt – ob nun Bonamassa als Man in Black, Glenn Hughes im grenzwertigen, aber konsequenten 70er Outfit, Jason Bonham badass mit Pilotenbrille und Mütze oder Derek Sherinian ebenfalls stilvoll in schwarz: Durch den doch etwas abwechlungsreicheren Blickwinkel vor dem Bildschirm im Vergleich zu dem direkt vor der Bühne macht es angesichts der Spielfreude der Musiker doch Spaß, ihnen beim Agieren zuzusehen. Der Sound ist dabei zumeist sehr gut, manchmal schnarrt Hughes‘ Bass zu sehr und Sherinians Hammond kann die Songs, in welchen sie überhaupt mal zum Zug kommt, leider trotzdem nicht dominieren (schmerzlich vermisst beispielsweise bei „Save Me“). Alles in allem ist das aber verkraftbar.
Das einzige Manko, das sich findet, ist wohl symptomatisch für jede Metal/Rock-DVD: Oft hätte man einen Musiker doch mal gerne länger als den Bruchteil einer Sekunde auf die Finger geschaut. Hier wird manchmal einfach zu schnell geschnitten und den Bildern nicht genug Zeit zum Wirken gegeben. Selbst dies hält sich allerdings glücklicherweise in Grenzen, sodass man mit dem Konzertteil der DVD insgesamt vollauf zufrieden sein darf.
Auf der zweiten Disc finden sich neben einer äußerst unnötigen Konzertfoto-Galerie auch noch ein Interview-Paket mit allen Musikern und Produzent Kevin Shirley. Insgesamt 25 Minuten wird hier über die Entstehung der Band, die beiden Alben und die aktuelle Tour geredet, quasi alles also, was es über BLACK COUNTRY COMMUNION bisher zu sagen gibt. Hier beweisen alle Musiker, dass sie sich ihre Bodenständigkeit alles in allem erhalten haben und wirken – wie das eben so ist – vor allem durch die kleinen Anekdoten aus dem Bandleben interessant: Unter anderem philosophiert Bonamassa über den Horror, den er davor hatte, „The Battle For Hadrian’s Wall“ ohne Overdubs live zu singen, was er vor seinen Bandkollegen allerdings nicht zugeben wollte. Wie er selbst und auch die Zuschauer sich später überzeugen konnten, gab es wohl keinen Grund zur Sorge. Abgerundet wird die die zweite DVD durch eine Behind the Scenes-Fotogalerie, die ein netter Bonus ist und nochmal zeigt, dass auch diese vier Herren nur ganz normale Menschen und auch mal für Späße zu haben sind.
Ich persönlich halte im Allgemeinen ja wenig von Live-DVDs, wenn es nicht gerade eine Unsummen von Euros kostende Pink Floyd- oder Genesis-Show ist, die inszeniert wird, bin ich oft etwas ratlos, warum genau ich die Scheibe öfter als einmal einlegen sollte: Die Songs überzeugen meist weniger als in den Studioversionen, man kann sie nicht unterwegs hören und nicht zuletzt ist die Performance der Musiker zumeist unspektakulär, bzw. jedenfalls vollkommen austauschbar. Lohnenswert ist ein Live-Dokument zumeist nur dann, wenn man die Bilder mit einem großartigen, selbst erlebten Konzert in Verbindung bringen kann. Bei „Live Over Europe“ ist das bei mir glücklicherweise der Fall, deshalb macht mir die DVD auch durchaus Spaß und ich meine, dass BLACK COUNTRY COMMUNION ihre Sache auch sonst so gut machen, ein Fan von Live-Aufnahmen also bedenkenlos zugreifen kann. Als Neueinsteiger sollte man wohl dennoch eher mit „2“ als mit dieser DVD hier beginnen, „Live Over Europe“ braucht man erst, wenn man schon süchtig nach BCC ist.
Wertung: 8 / 10