Unverhofft kommt oft. Platter Einstieg, klar, aber durchaus treffend, auch wenn durch die Phrase insgesamt ein positiver Unterton impliziert wird. ANTICHRISIS waren Ende des letzten Jahrtausends schon ein gewisser Undergroundtipp der düsteren Szene, eine Band, die sicherlich nie das gemacht hat, was man von Bands dieser Couleur erwartet. So scheute man sich nicht vor progressiver Gestaltung der Songs, die gerne schon mal an die 15 Minuten heranreichten, dazu kommt die ungewöhnlich hohe Einsatzzeit eine selbstgebauten Dudelsacks und insgesamt ein etwas eigenwilliges Songwriting.
„Cantara Anachoreta“ war damals das Albumdebüt, welchem mit „A Legacy Of Love“ und „Perfume“ noch zwei weitere Outputs folgten. Naja, aus meiner Sicht macht es keinen Unterschied, welches dieser Werke neu aufgelegt worden ist, in Sachen Qualität tun sie sich alle nicht viel, trotz allem Bemühen um Eigenständigkeit blieb doch zu viel Stückwerk, so dass man bestenfalls von Mittelmaß sprechen konnte. Ganz offensichtlich sehen dies zumindest einige ausgesprochen eingefleischte Gothic-Fans dies anders und so sollen in der jüngeren Vergangenheit Exemplare eben dieses Debüts für horrende Summe über die virtuelle Ladentheke eines an dieser Stelle nicht näher bezeichnteten Internetauktionshauses gegangen sein. Für die Band und / oder deren Umfeld Grund genug, nach einem Jahrzehnt der Stille wieder aus der Versenkung zu kommen und die Platte noch einmal aufzunehmen und mit einem neuen Master zu versehen. Um eine Einschätzung der Erfolgdquote abgeben zu können, erfolgt nun ein tiefes Kramen im Plattenschrank, denn tatsächlich bin ich einer von offenbar nicht allzu vielen offenbar ausgesprochen glücklichen Menschen, „Cantara Anachoreta“ im Original zu besitzen.
Der erste Unterschied, der auffällt, ist eine veränderte Trackliste und ein neuer Song. Seltsam an sich, denn für mich klangen ANTICHRISIS-Alben immer nach einem lyrischen Konzept, da verstehe wer will, warum man plötzlich die Lieder bunt durcheinander würfelt. Möglicherweise will man davon ablenken, dass sich sonst nicht viel verändert hat. Natürlich ist eine Sound von 2010 (diesmal von Harris Johns und einem nervigen Drumcomputer) nicht mit einem der 1990er Jahre zu vergleichen, aber wenn man schon mal eine Sache anpackt und ein Album neu auflegt, dann hätte man durchaus auch mal die Schwächen der Lieder an sich angehen können. So pendelt man nach wie vor zwischen Langeweile und unfreiwilliger Komik hin und her – zum Beweis höre man sich nur den völlig unmotivierten Blast-Beat-Einsatz im „Prologue“ an. Bei „Endless Dance“ fragt man sich gar über zwölf Minuten, warum man selber und die Band die Zeit nicht sinnvoller genutzt haben, da passiert zwar eine ganze Menge, aber nichts, aber auch gar nichts hört sich besonders cool an oder bleibt nur im entferntesten hängen. Harte Worte, ich versuche mal, sie etwas abzumildern, denn die eine oder andere brauchbare Passage lässt sich mit einigem Durchhaltevermögen dann doch finden. Beispielsweise das stark an My Dying Bride erinnernde „Requiem Ex Sidhe“, bei dem die Gitarrenmelodie zur Abwechslung mal echte statt aufgesetzte Melancholie versprüht oder das schon damals als Underground-Hit geltende „Goodbye To Jane“, welches zwar keine großartigen Überraschungen oder Innovationen bereit hält, dafür aber insgesamt eingängig daherkommt.
Der Rest hält das gleiche Mittelmaß wie die zuerst angesprochenen Songs. Auch das neue „Beautiful Wolves“ kann sich nicht entscheidend absetzen und fügt sich so lediglich in eine Stunde überschaubaren Niveaus ein. Die Frage, die man sich nun stellt, ist: muss ich diese CD haben. Aus meiner Sicht ein klares Nein, aber wenn es tatsächlich Brüder (und Schwestern) gibt, die ein vielfaches des Originalspreises investieren, um sich „Cantara Anachoreta“ zu ersteigern, dann wird es wohl tatsächlich einen Absatzmarkt geben. Jeder so, wie er mag.
Wertung: 2.5 / 10