Review The Haunted – Unseen

Nach ihrem 2008er-Werk „Versus“ haben THE HAUNTED bereits angekündigt, dass der Nachfolger musikalisch wahrscheinlich einen anderen Weg einschlagen wird. Frontmann Peter Dolving hat es sich nicht nehmen lassen, das auch in zahlreichen Interviews zu bestätigen, den Fans immer mal wieder ein paar Happen hinzuwerfen, sie hungrig zu machen. Wie sich nun mit dem neuen Silberling „Unseen“ herausstellen soll, halten THE HAUNTED, was sie versprochen haben – in jeder Beziehung und mit Sicherheit auch sehr zum Missfallen einiger Fans. Aber das kennt man von den Schweden praktisch nicht anders.

Mit einem verdammt hörenswerten Refrain weiß bereits der Opener „Never Better“ zu überzeugen, während „No Ghost“ im Anschluss von einem höllischen Groove lebt, der Härtegrad aber merklich zurückgeschraubt wurde und die Nummer alles in allem eher an eine sehr moderne Heavy Rock-Intonierung erinnert. Eingängiger, als je von den Schweden gehört, schraubt sich der Track nahezu hitverdächtig im MidTempo zu seinem Höhepunkt – unaufhaltsam, beständig.
Schnell merkt auch der letzte, noch so unaufmerksame Hörer: THE HAUNTED haben einen heftigen Stilwechsel vollzogen – weit weg von dem, was in gar nicht so ferner Vergangenheit noch getrost als Post Thrash bezeichnet werden konnte. Hin zu einem ziemlich bunten Stilmix, der sich beim besten Willen nicht mehr einordnen lässt und trotzdem – oder gerade deswegen – so hart an der Grenze zur Genialität ist.
Gleich ob mit dezentem Hardcore-Touch versehen, wie etwa „Catch 22“ oder so straight rockend wie „Disappear“: Die Meister der kurzen Songtitel agieren energischer denn je, wenngleich auch weniger hart oder – und das kann man so wohl sagen – gar weniger metallisch. Mikrofonbefeuchter Peter Dolving hat die meiste Zeit über genügend Platz, um sein gesamtes Stimmvolumen einzusetzen. Kantige Metal-Vocals gibt es zwar äußerst selten zu hören, umso stärker vertreten ist dafür sein perfekter und ebenso stark akzentuierter wie abwechslungsreicher Klargesang. Im Gesamtkontext weniger überraschend sind dann auch Post Rock-Elemente, wie sie bei „Dispappear“ verwendet werden, die Akustikgitarren bei „The Skull“, das später sogar leicht in Psychedelic-Gefilde abdriftet, wirken ebenso wenig deplatziert. „Ocean Park“ als progressiver Wink mit dem Zaunpfahl überrascht dann auch nicht mehr.
Es ist bemerkenswert, dass auf der neuen Langrille ein Hit den anderen Jagd – und letzten Endes mit „Them“ und dem Schlusslicht „Done“ trotzdem noch eins drauf gesetzt werden kann. Die metallische Härte der Vorgänger, die Aggressivität, die aus ihrem thrashigen Riffing gesprochen hat ist praktisch verschwunden, lässt sich allerhöchstens in abgeschwächten Nuancen bei wenigen Songs nochmal blicken. Getrieben wird die Stimmung von einer tiefen inneren Zerrissenheit, teilweise heftigen Stimmungswechsel – sowohl gesanglich als auch instrumental – und dennoch der letztendlichen Klarheit, dass all das zu einem stimmigen Gesamtkonzept zusammengeflickt werden konnte. Und nur weil ein plakativer Härtegrad heruntergeschraubt wurde und man nicht mehr brachial eins auf die Zwölf bekommt, heißt das noch lange nicht, dass die Scheibe leicht zu verdauen ist.

THE HAUNTED waren schon immer eine Band, die die Treue ihre Fans mit Stilwechseln herausgefordert hat – allerdings noch nie mit einem so heftigen, wie nun mit „Unseen“ manifestiert. Man konnte fast schon sagen: Wer THE HAUNTED-Fan sein mochte, muss ein dickes Fell besitzen und musikalisch verdammt aufgeschlossen sein. Das gilt anno 2011 mehr denn je. Irgendwo zwischen so einigem, was teilweise an Post Metal, Post Hardcore, Post Rock, Heavy Rock mit Psychedelic-Einflüssen und Power Balladen steht, hält sich „Unseen“ die meiste Zeit über auf. Im Grunde jagen sich auf der Scheibe LSD, Downer, Ecstasy und Dope – nur intoniert. Wer wissen möchte, wie sich das anhört, sollte ein Ohr riskieren. THE HAUNTED haben mit „Unseen“ jedenfalls mächtig Mut bewiesen – ob er belohnt wird, soll sich noch zeigen. Fakt ist aber: Wenn einer mit solcher Beständigkeit unbeständig ist: Dann THE HAUNTED. Für die einen bleibt „Unseen“ deshalb lieber „Unheard“, für mich ist die Scheibe aber ganz große Musik, die mit jedem weiteren Durchgang wächst!

Wertung: 10 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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