Wow, da wird ja mal wieder ordentlich auf den Putz gehauen! Von „die Lyraka-Oper ist der Heavy-Metal-Event des Jahrhunderts“ ist im Promoschrieb zu lesen. Ist den Leuten, die so etwas von sich geben, nicht klar, dass sie sich mit solchen Behauptungen komplett lächerlich machen? Man geht ja nach dem Lesen eines derartigen Unfugs schon fast mit negativen Vorzeichen an das Rezensieren des Albums heran.
Ich bemühe mich aber, das Gelaber des Beipackzettels zu ignorieren, um „Lyraka Vol. 1“, dem logischerweise ersten Werk des Projekts LYRAKA, auch eine Chance zu geben. Initiatoren des Ganzen sind der amerikanische Komponist und Gitarrist Andy DiGelsomina und die Autorin und Namensgeberin Jasmine Lyraka, die die konzeptionelle Geschichte hinter dem Werk ersonnen hat.
Die beiden konnten renommierte Musiker für ihr Projekt gewinnen, vor allen Dingen die Sänger Graham Bonnet, Tommy Heart und Veronica Freeman. Andy DiGelsomina ist ein großer Fan von der Musik Richard Wagners. Elemente aus dessen Werken sollen in „Lyraka Vol. 1“ einfließen, ebenso wie Einflüsse von Rainbow, Black Sabbath oder Manowar.
Nach einem kurzen Intro mit Wagnerschen Klängen, mausert sich „Coronation“ zu einem kräftigen Rocker in alter Rainbow-Manier. Der Eindruck wird durch die Vocals von Graham Bonnet verstärkt, dessen Gesang Ritchie Blackmores alter Truppe auch beim Album „Down To Earth einen Stempel aufdrückte. Kleine jazzige Anteile werden gekonnt in den Song integriert. Von den Einflüssen der 80er-Jahre-Rainbow kann sich „Lyraka“ auch beim folgenden „Palace Guard“ nicht lösen, wenngleich ein paar symphonische Elemente mehr Einzug finden. Doch Maestro DiGelsomina hat sich auch beim Gitarrenspiel stark von Vorbild Blackmore inspirieren lassen. Erst ein atmosphärischer Keyboard/Piano-Part im Mittelteil erschafft so etwas wie eigene LYRAKA-Trademarks. Zum Ende hin ergänzen sich die hardrockige und die symphonische Seite des Sounds aber sehr gut.
Mit „Scatherus“ gibt es dann sogar einen Übergang zum traditionellen Heavy Metal, und Benedictum-Frontröhre Veronica Freeman singt hier teilweise tougher und rauer als manch männlicher Kollege. Wenn man im Promoflyer von Sabbath-Einflüssen gelesen hat, weiß man bei „Errandia“ schließlich, wo diese zu finden sind. Der Song walzt mit prägnantem Riffing in bester Doom-Manier, ohne aber die melodiösen Anteile zu vernachlässigen. Überhaupt kann man die zwölfminütige Nummer mit ihren recht vielschichtigen und abwechslungsreichen Abschnitten und dem gelungenen Erzeugen einer spannenden Atmosphäre als das Album-Highlight ansehen.
Mit „Neires“ kehrt man zum energischen Hardrock zurück, und der sonst aus AOR-Bereichen bekannte Sänger Tommy Heart macht dabei auch eine ganz gute Figur. Die plötzlichen Wechsel in leicht ambiente, ja fast esoterische Passagen sind dagegen genauso gewöhnungsbedürftig wie Country-like Elemente. In diesem Track will DiGelsomina einfach zu viel unterbringen. Das klappt nicht ganz und wirkt dadurch nicht stimmig. Dazu hätte der Song wesentlich länger sein müssen. Das abschließende „Beyond The Palace“ lebt nochmal von Graham Bonnets markantem Gesang und dem vielseitigen Gitarrenspiel, bei dem sich Andy DiGeslomina diesmal nicht nur von Meister Blackmore sondern auch von Yngwie Malmsteen hat inspirieren lassen.
Natürlich ist das Album nicht „der Heavy-Metal-Event des Jahrhunderts“, aber das hat auch keiner ernsthaft geglaubt. Genau genommen ist es ohnehin Hardrock, angereichert mit Elementen aus Metal, Symphonic, Prog und Jazz. Und den Vorwurf, dass hier kein schlüssiges, in sich homogenes Konzeptwerk vorliegt, muss sich DiGelsomina wohl zu recht gefallen lassen.
Dennoch hat „Lyraka Vol. 1“ einige gute Songs auf Lager. Die rockigen Stücke, denen der großartige Sänger Graham Bonnet eine eigene Note verleiht, verstehen im Gros zu gefallen. Ebenso der vielseitige Longtrack „Errandia“. Mit anderen Worten: ein Händchen für’s Songwriting hat DeGelsomina schon, nur das Ganze zu einer konzeptionellen, opernhaften Einheit zusammenzufügen, gelingt ihm – zumindest in diesem ersten Anlauf – noch nicht. Schauen wir mal, wie er sich bei den Fortsetzungen dieser Geschichte schlagen kann, denn das Epos ist auf mehrere Teile ausgelegt.
Hardrockfans können „Lyraka Vol. 1“ trotzdem ruhig mal antesten, denn die genrefremden Elemente bringen durchaus Pepp in die hardrockigen Grundkonstrukte.
Wertung: 7 / 10