„Ach du liebe Zeit!“ Das schoss mir (sinngemäß) durch den Kopf, als ich zum ersten Mal die erste Langrille der 2005 gegründten kolumbianischen Band NOVA ORBIS in die Stereoanlage schob und auf Play drückte. Denn Etikettenschwindel bin ich ja gewohnt, aber trotzdem… Statt dem versprochenen Gothic Metal schallte mir eine ganz besonders (verzeiht die Wortwahl, aber anders kann man’s einfach nicht sagen) eierlose symphonische Power Metal Variante entgegen. Ein eher einfallsloses Schlagzeug untermalt den verzweifelten Versuch von zwei Gitarren gegen die allmächtige Keyboardwand anzukommen, Sängerin Ana María Barajas (kein kolumbianischer Name ist komplett ohne ein Accent, wie mir scheint) intoniert mit ihrer leicht merkwürdigen Stimme (etwas operettenhaft, aber doch relativ dünn und ungeschliffen… seltsam aber immerhin individuell) relativ halbgare englische Texte und sowieso hat die Produktion nicht wirklich so was wie Druck oder Dynamik zu bieten. Etwa nach der Hälfte des Openers „Castle Of Exile“ kommt dann auch noch so etwas ähnliches wie männlicher Gutturalgesang um die Ecke. Wer den abliefert? Keine Ahnung, der Promozettel fühlt sich nicht genötigt, mir das zu verraten, ist aber eigentlich auch egal, Fakt ist ganz einfach, dass der erste Hördurchlauf von „Imago“ eine eher quälende Angelegenheit war und ich danach definitiv keine gute Note gezückt hätte.
Merkwürdigerweise wuchs mir das Ding anschließend aber doch langsam ans Herz. Ja, es ist recht kraft- und saftloser Symphonic-Schmonz (und die symphonischen Elemente klingen auch noch ziemlich plastifiziert). Ja, die Gitarren lassen sich ganz selten mal zu einem Lead-Part oder einem Solo hinreißen (wenn, dann ist das ganz okay) und spielen meistens simple Powerchords runter, die das Keyboardgedudel etwas nach hinten absichern und das Prädikat „Metal“ rechtfertigen sollen. Ja, Ana María Barajas ist sicherlich nicht die beste Sängerin der Welt. Aber das hat erstens wohl eh niemand erwartet und zweitens auch definitiv niemand verlangt.
Denn die Töne trift die Frau durchaus, ihre individuelle leicht unsichere Stimme bietet Wiedererkennungswert und ist mal eine nette, charismatische Abwechslung zu den „perfekten“ Gesangsleistungen in diesem Genre. Und auch der Rest der Band macht zwar nicht besonders viel, aber was sie machen, das machen sie richtig. Die „Pop-mit-Gitarre“-artigen Kompositionen hören sich flott und alle Nase lang trifft man auf die eine oder andere nette Keyboardmelodie oder Hookline, die sich ins Gehirn fräst und schon beim zweiten oder dritten Durchgang zum Fußwippen oder Mitpfeifen einlädt. NOVA ORBIS erfinden definitiv nicht ein einziges Rad neu (das recht coole „The Lamp“ erinnert sogar beinahe richtig dreist an ältere Kamelot), aber sie hören sich einfach flott, unkompliziert und machen durchaus gar nicht so wenig Spaß.
Eine Liebe auf den zweiten Blick ist „Imago“ also quasi? Naja, Liebe würde ich es sicherlich nicht nennen. In der Scheibe steckt schon durchaus mehr, als ich nach dem ersten Durchgang vermutet hätte, aber wirklich viel Tiefe sucht man hier trotzdem vergebens. NOVA ORBIS haben mit ihrem Debut ein Album abgeliefert, das für Genrefreunde zwar nicht essentiell aber doch eine verdammt nette Sache ist, über den Tellerrand von Symphonic Metal hinaus aber wohl keine großen Wellen schlagen wird. Das Potential, das hier vorhanden ist, sollte in Zukunft allerdings gefördert werden, mit einem Label im Rücken könnte aus Richtung NOVA ORBIS noch etwas großes kommen. Bis dahin:
Wertung: 7 / 10