Review Ihsahn – After

Im Abstand von zwei Jahren Alben zu veröffentlichen, ist für viele Bands keine große Sache. Genügend Truppen dienen als Beispiel, dass Veröffentlichungen zur Not auch im Zwölfmonatszyklus durchgezogen werden können – oftmals mit entsprechendem Qualitätsverlust. Ganz anders stellt sich die Sache bei IHSAHN, dem auf Solopfaden wandelnden ehemaligen Emperor-Frontmann, dar. Nach „The Adversary“ (2006) und „AngL“ (2008) steht nun ein neues Epos mit dem bezeichnenden Namen „After“ in den Startlöchern, das das Ende der Trilogie einläuten soll.
Was danach kommen wird, weiß bislang noch keiner und selbst der geniale Kopf hinter alledem hält sich derzeit noch bedeckt. Zum einen, weil es dann keine Überraschung mehr wäre und zum anderen auch deshalb, weil selbst dem Macher noch nicht klar ist, wohin ihn seine musikalische Zukunft führen wird.

Das ist soweit aber auch nicht wild, weil ISHAHN mit „After“ eine Langrille präsentiert, die noch lange für Gesprächsstoff und Zermürbung sorgen wird; so viel ist sicher. Mit der gleichen Beständigkeit, wie die nun mehr drei Alben das Licht der Metalwelt erblickten, unterscheiden sie sich auch voneinander. In ihren Grundzügen zwar mehr oder weniger miteinander verwandt, griffen alle Teile der nun vollendeten Trilogie sowohl lyrisch als auch musikalisch unterschiedliche Themen auf, widmeten sich immer neuen Seiten ohne sie auf der jeweils nächsten Veröffentlichung logisch fortzusetzen.

„After“ steht nun also im Zeichen der Naturverbundenheit, für alles Menschliche bleibt offenkundig nur wenig Platz. Mastermind Ihsahn verwendet hierbei zudem erstmalig ein achtsaitige Gitarre, die dem gesamten Klangbild eine extreme Bandbreite verleiht. Deutlich spürbar ist auf dem Opener „The Barren Lands“ eine sehr kühle Atmosphäre, die die konzeptionelle Ausrichtung unterstreicht. Dazu kommt IHSAHNs Klargesang, der zwar akzentuiert und ruhig, aber dennoch klinisch und kühl wirkt – in Verbindung mit häufig disharmonischer und selten melodischer Gitarrenarbeit.
Wobei sich IHSAHN allerdings nur aufgewärmt hat, kommt er mit „A Grave Inversed“ erst richtig in Fahrt. Mit dem virtuosen Saxophonist Jorgen Munkeby (auch bei den norwegischen Krachmachern Shining aktiv) wird hier Hirnfick par excellence abgeliefert. Die extrem schnellen Gitarrenparts und das unangenehme Gekeife von IHSAHN werden durch das Saxophon in Sachen Intensität noch übertroffen. Über allem thront dessen ungestüme, unberechenbare Stimmung – und spätestens hier wird „After“ zur Geschmackssache. Was für die einen ein unangenehmer Breitbandangriffs auf das Gehör ist, sind für die anderen die schönsten Minuten ihres Lebens. Mit dem Titelsong stimmen die singenden Gitarren und ein wechselnder Gesang auf die nächsten Songs ein, von denen es auf „After“ insgesamt acht mit einer gesamten Spielzeit von knapp über 50 Minuten gibt. Längen gibt es dabei keine, IHSAHN versteht sich nach wie vor darauf, den begrenzten Platz auf dem Silberling vor allem auch qualitativ zu füllen.

„Frozen Lakes On Mars“ setzt fort, was mit „A Grave Inversed“ begonnen wurde, verdeutlicht das gesamte Klangspektrum der achtsaitigen Gitarre noch einmal. Interessant ist hierbei jedoch auch, wie intelligent IHSAHN mit musikalischen Gegensätzen in Kombination mit Wortspielereien arbeitet – und wie viel Spaß es ihm offensichtlich macht. So passt die unterkühlte, wieder vom Klargesang getragene Atmosphäre zum Mars als Planeten, die aufflammende Wildheit wiederum zum Mars als Kriegsgott.Daneben ziehen sich vor allem wiederkehrende Melodieführungen, wie etwa bei „Undercurrent“ und „On The Shores“ (beide Songs verfügen sogar über identische Melodien) wie ein roter Faden durch den Silberling, werfen mit eingängigen Soli, stimmungsvollen Refrains und einem immer wieder großartigen Saxophon um sich. Obwohl es eigentlich gar nicht nötig wäre, tragen Orgel und gemäßigte Interludes („Austere“) und sehr rhythmische, fast groovende Stücke („Heaven’s Black Sea“) zur Abwechslung der Scheibe bei. Selbst das Schlusslicht „On The Shores“ weiß alledem noch eins draufzusetzen, überzeugt mit dem perfekten Songwriting und erstaunt mit den ausgefallenen, an Free Jazz-Improvisationen erinnernden Saxophon-Spiel von Jorgen.

„After“ braucht seine Zeit, so viel steht fest, und wird auch dann keine leichte Kost sein. Kann sich der Hörer aber auf die Langrille einlassen, erwarten ihn greifbare Emotionen, eine unglaublich brachiale Härte, eine perfekte Symbiose aus Saxophon und der restlichen Instrumental-Fraktion und vor allem immer wieder faszinierende Ideen und eine ebensolche Umsetzung von Mastermind IHSAHN. All das wurde freilich wieder in einen sehr progressiven Mantel gehüllt, gewinnt dadurch aber nur an Reiz. Wer danach noch denkt, IHSAHN ist immer noch gleich Emperor, hat die letzten 53:04 irgendetwas gemacht – aber definitiv nicht „After“ gehört. Das ist nämlich ganz großes Kino.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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