Irgendwie ist es ja schon eine ganz andere Band als wie wir sie heute kennen. Klar, der Name hat sich ja auch leicht abgewandelt, schließlich heißen FLOWING TEARS AND WITHERED FLOWERS heute schlicht „Flowing Tears“ und machen recht kompakte gotische Musik. 1996 sahen aber nicht nur die Musiker – von denen bis heute nur noch Gitarrist Benni verblieb – ganz anders aus, auch die Musik als solche unterscheidet sich ganz gewaltig. Das ist nichts Ungewöhnliches und wie auch bei vielen anderen „wandelbaren“ Bands kann man das Talent der Saarländer auch hier schon klar erkennen.
Regieren spätestens seit dem phantastischen „Jade“-Album Songs, die zügig auf den Punkt kommen, bot man damals noch ausufernde Songs an, die nicht selten die Zehnminutengrenze übersprangen. Mal spielt die Gitarre, mal das Keyboard Melodien von erhabener Epik, sowohl was die Länge, als auch was die Intensität angeht. Der wichtigste Unterschied dürfte aber sein, dass der spätere Gitarrist Manfred hier noch als Sänger agiert, wohingegen seit dem Folgealbum „Joy Parade“ stets eine holde Weiblichkeit am Mikro steht. Entsprechend der geschlechtlichen Ausrichtung kann man sich leicht vorstellen, dass somit hier auch das Aggressionspotential noch um einiges höher liegt. Trotzdem schimmern an vielen Stellen schon die melancholischen Melodien hervor, die die Band später so richtig faszinierend werden ließen.
Die langen Spielzeiten der Lieder wirken auf den ersten Blick vielleicht etwas abschreckend, andererseits ist es aber nicht so wie bei vielen progressiven Bands, dass in zwölf Minuten dann gleich mal 194 verschiedene Riffs gespielt werden. Die Wirkung entfaltet sich mitunter gerade durch die häufige Wiederholung der Melodien. Das macht es leicht, sich in der Musik zurecht zu finden und auch, sich in ihr fallen zu lassen. Entsprechend den lyrischen Themen, scheint dies wohl das Hauptanliegen der Band gewesen zu sein und das haben sie in jedem Fall sehr gut umgesetzt. Dabei wird ganz selten aml an der Geschwindigkeitsschraube gedreht, am ehesten vielleicht noch im Ausklang von „Fallen Leaves“, welches in der Mitte mit einer unerhört feinfühligen Keyboard- / Gitarrenmelodie daherkommt, aber trotzdem vor Kraft nur so strotzt. Der Gesang zum Ende hin ist vielleicht nicht unbedingt das Sahnestück des Albums, aber zusammen mit der anziehenden Geschwindigkeit verfehlt es seine Wirkung nicht. Ebenso wenig wie die beiden „Rausschmeißer“, wenn man sie denn so nennen will, „…Along A Dreamin` Ocean…“ und „…And I Drown…“, welche beide zwar deine gewisse Hoffnungslosigkeit verströmen, diese aber mit einem gewaltigen Schuss bittersüßer Melancholie wieder ausgleichen. So muss Musik für die dunkle Jahreszeit klingen, dafür muss man nicht Finne oder generell Skandinavier sein.
Etwas übertrieben haben es die vier Jungs – damals waren zumindest Gitarrist Benni und Bassmann Frederic nicht einmal volljährig – vielleicht ein wenig mit dem Einsatz von „Naturgeräuschen“, vor allem das häufige Wasserrauschen klingt ein wenig aufgesetzt, aber dies kann man getrost unter den Teppich des jugendlichen Sturm und Drangs kehren. Sie haben damals das gemacht, was sie wollten, was sie konnten und sie haben es absolut gut gemacht. Sichetr gibt es songwriterisch das eine oder andere auszusetzen, die Stimme finde ich auch nicht durchgehend supercool, aber alleine die Ehrlichkeit, mit der FLOWING TEARS AND WITHERED FLOWERS hier ans Werk gingen, wertet das Album kräftig auf. Mir ist zwar ziemlich klar, dass es sehr schwierig sein dürfte, bei Interesse noch an die CD zu kommen, da sie auf einem italienischen Minilabel veröffentlicht wurde, welches es seit Jahren nicht mehr gibt, aber manchmal hat man doch die Gelegenheit. Musikbörsen bei größeren Festivals können als Anlaufstelle dienen und wenn man diese Undergroundperle einmal in der Hand hält, dann sollte man dringlichst zuschlagen.
Wertung: 8.5 / 10