Review Hämatom – Stay Kränk

HÄMATOM haben damals kurz nach ihrer Gründung mit ihrer Debut-EP „Nein“ einiges an Staub aufgewirbelt, waren sie doch so ungefähr die erste Band da draußen, die versuchte klassische Kinderlieder in ein neumetallisches Gewand zu kloppen. Nachdem der Kuriositätsbonus aber erst mal verflogen war, stieß dieses Konzept nicht wirklich auf ungeteilte Gegenliebe, mit großzügigen Reviews wurde von der Fachpresse eher gegeizt, auch dem Nachfolger, der ersten Langrille „Wut“ attestierte Kollege Stefan einen dezenten Mangel an Niveau, der das Ding zu einer relativ peinlichen Nummer gemacht haben soll. Ich weiß es nicht, ich hörte die erste CD der Franken nicht, sah sie nur irgendwann zwischen „Nein“ und „Wut“ mal im Vorprogramm der Apokalyptischen Reiter und war – gelinde gesagt – ziemlich genervt von der Band im Allgemeinen und ihrer Musik im Speziellen. Aber natürlich muss man jedem zugestehen, dass er sich bessern kann, wenn er es nur versucht, also direkt mal ein Ohr auf den zweiten Output der Band namens „Stay Kränk“ geworfen…

Der Ersteindruck von „Stay Kränk“ könnte dabei katastrophaler kaum ausfallen. Gespielt wird eine Mischung aus erdigem Rock, Streetpunkt der hier und da ein wenig ins Hardcore-Lager reinreicht und beizeiten ein wenig Nu Metal und Neo-Thrash. Die Mischung holpert gelegentlich, ist ansonsten aber gar nicht so wenig reizvoll, man geht recht hart zur Sache, aber trotzdem fehlt einfach was. Denn „Friss oder Stirb“, „Auge um Auge“ und der Titeltrack „Stay Kränk“ sind mangels einprägsamer Riffs musikalisch einfach nur sterbenslangweilig. Auch die Vokalleistung kann nicht so besonders viel herausreißen. Sänger Nord ist nicht übel, aber auch nicht so besonders toll, die Texte haben zwar stark an Niveau zugenommen, aber trotzdem noch die eine oder andere blöde Stelle zu bieten. „Spontan und ehrlich“ sollen sie wohl sein, „Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen“ oder so, aber diese „Ehrlichkeit“ können HÄMATOM einfach nie wirklich übertragen, zu viel klingt hier aufgesetzt, vor allem, wenn mal wieder mit Kraftausdrücken gearbeitet wird, die die Band sichtlich noch immer lieb hat. „Du wirst uns hassen oder lieben“ heißt es im Opener… Ich ahne schon, worauf das in meinem Fall hinaus läuft…

Erste Eindrücke und Ahnungen können glücklicherweise täuschen. HÄMATOM legen zwar einen beneidenswerten Fehlstart hin, werden dann aber beinahe graduell besser. „Spieglein“ hat einen coolen Refrain und würde insgesamt auch als gutes Lied durchgehen, wenn die Kritik an Castingshows à la „Germany’s Next Top Model“ (inklusive der völlig plakativen Textzeile „Heidi, ich hasse dich„) nicht so dermaßen aufgesetzt klingen würde. „El Mariachi“ ist ein richtig tolles Lied, „Eva“ hat auch seine Augenblicke (wobei hier der Text auch zu sehr auf fies und bös getrimmt klingt) und „Sucht“ kann nicht nur durch großartigen Gesang, sondern zum ersten Mal auch textlich wirklich punkten (und HÄMATOM beweisen eindrucksvoll, dass ihre Lyrik viel besser funktioniert, wenn sie nicht auf Teufel komm raus versuchen, authentisch zu klingen, sondern einfach mal erzählen). Den Mittelteil von „Stay Kränk“ könnte man als richtig gelungen bezeichnen, wenn nicht das thematisch zwar wichtige aber eher unüberzeugend umgesetzte „Schau sie spielen Krieg“ den Spaß stören würde.

Und auch nachdem die letzten Töne der Halbbalade „Sucht“ verklingen geht man eher wieder zwiespältig zu Werke. Gute Augenblicke gibt es noch, das Pre-Chorus-Riff von „Verpiss dich“ zum Beispiel oder ein paar Parts des akustischen Rausschmeißers „Scheissegal“, aber die werden von den schlechten Stücken wieder gnadenlos ins Aus geprügelt. Was schade drum ist, denn nach dem zweiten Drittel von „Stay Kränk“ hatte ich HÄMATOM fast schon lieb gewonnen.
Natürlich können der schwache Auftakt und das durchwachsene Ende der CD die positiven Aspekte nicht vollends vernichten, aber es ist einfach schade drum, weil HÄMATOM hier und da beweisen, dass sie durchaus gute Musik machen können. Wenn sich das lyrische Niveau jetzt noch stabilisiert und die Band sich hier und da ein paar prägnantere Riffs einfallen lässt (das klappt nach dem Auftakt schon recht gut, „Stay Kränk“ ist eine ziemlich eingängige Sache), dann könnte die nächste Scheibe des Quartetts sogar wirklich gut werden, „Stay Kränk“ ist derweil ein Album, das Licht- und Schattenseiten beispiellos vereint. Hier nervt’s, da macht’s eine Menge Spaß. Alles in allem also eine ziemlich durchwachsene Geschichte. „Du wirst uns hassen oder lieben„? Ne, irgendwie beides nicht so wirklich…

Wertung: 5.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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