Ich glaube ich sprach an anderer Stelle schon mal davon, aber ich finde es immer wieder faszinierend, wie Bands manchmal von einem Album zum nächsten ihren Sound völlig verändern. Gut, wenn zwischen zwei Alben auch sechs Jahre liegen, dann ist es vielleicht nicht ganz so verwunderlich, aber trotzdem ist es teilweise recht schwer vorstellbar, dass „Chrysalis“ wirklich das erste Album (nach der Demo „Edens in Communion“) der mittlerweile etablierten spanischen Prog-Death/Post-Rock/Experimental-Ambient/Was-auch-immer-Metaller von NAHEMAH ist. Anno 2001 war’s mit den Trademarks, die sie auf ihren neusten beiden CDs „The Second Philosophy“ und „A New Constellation“ abfeierten nämlich noch nicht so weit her.
Das beweißt der Opener der CD, „Ochre Mantle Stare“, gleich nach wenigen Augenblicken. Ein atmosphärisches Piano-Intro erklingt, unterlegt mit ein paar leicht sphärischen Synthie-Sounds (die bei näherer Betrachtung doch schon etwas an die neueren Werke der Spanier erinnern, aber die verschwinden recht schnell wieder) und dann kommen auch schon Gitarren, Bass und Drums daher. Auch wenn hier und da ein wenig melodischer Death Metal anklingt (besonders beim Track „Bloodstained Carnival“, der mich leicht an die Landsmänner von Dawn Of Tears erinnert, die allerdings wohl noch in den Kinderschuhen steckten, als NAHEMAH das hier aufnahmen… wenn überhaupt) ist die Ausrichtung doch relativ klar: symphonisch melodischer Black Metal.
Der Kreischgesang und die Growls von Pablo Egido sind so markig wie eh und jeh und passen prima zur restlichen sehr abwechslungsreichen Musik, die sich auch vor akustischen Zwischenspielen oder etwas sphärischen Keyboardparts („Thy Quivering Wings“… erinnert auch schon ein wenig an die neueren Alben) nicht scheut. Aber vor allem, wenn Gitarrist Daniel Gil noch sein Organ erhebt und zweistimmiger Gesang bestehend aus Egidos Screams und Gils theatralischen klaren Vocals erklingt, dann läuft dem geneigten Hörer doch ein wohliger Schauer über den Rücken.
Neu und innovativ ist das jetzt nicht unbedingt, aber NAHEMAH gehen so gut und so überzeugend zu werk, dass man ihnen in der Hinsicht überhaupt nicht böse sein kann. Tolle melodische Lead-Riffs verbinden sich mit den größtenteils recht hintergründigen Keyboards und den großartigen Vocals wieder und immer wieder zu großen und kleinen Höhepunkten des Genres, NAHEMAH schreiben auf „Chrysalis“ eine ganze Wagenladung Melodien für die Ewigkeit, bieten eine absolut prächtige Atmosphäre und mit beinahe 57 Minuten Spieldauer auch noch Value-for-Money. Auch wenn man hier zugeben muss, dass die CD sich in der zweiten Hälfte etwas zieht und „A Crystal Delirium“ als Rausschmeißer nicht so episch ist, wie ich persönlich es mir gewünscht hätte. Aber das ist eigentlich Erbsenzählerei, denn trotzdem bieten NAHEMAH auch in der zweiten halben Stunde von „Chrysalis“ tolle Songs, die viel Freude bereiten. Auch wenn das Niveau des großartigen „Bloodstained Carnival“ nicht mehr erreicht wird.
Bleiben ja eigentlich nur noch die berühmt berüchtigten letzten Worte… Nachdem ich „Chrysalis“ jetzt einige Male durch die Anlage gejagt habe und immer wieder einen Haufen Spaß mit dem Ding hatte, komme ich nicht umhin drüber nachzudenken, ob es denn gut von NAHEMAH war, nach dem Album derart die Richtung zu wechseln. „The Second Philosophy“ und „A New Constellation“ sind tolle Alben, die ich um nichts in der Welt missen möchte, aber gerne hätte ich noch viel mehr Musik von den Spaniern im Stil von „Chrysalis“ gehört. Denn die Scheibe ist eine unheimlich gelungene und jeder Fan von leicht experimentellem, episch symphonischen Black Metal sollte zusehen, das er das Ding in die Finger bekommt, was zugegebenermaßen gar nicht mehr so einfach ist. Lohnt sich aber.
Wertung: 9 / 10