Wenn AMY MACDONALD nicht DER aufgehende Stern am Pop-/Rock-Himmel ist, weiß ich auch nicht weiter. „This Is The Life“, „Let’s Start A Band“ oder „Poison Prince“ vom Debut-Album waren schon mit ihrem Erscheinen Klassiker, und überhaupt war die Scheibe erfrischend anders im Vergleich zu dem, womit man sonst so in den Charts zurechtkommen muss. Reichhaltige, kreative Instrumentierung inklusive cooler Bassspuren oder stimmungsvoller Saxophon-Soli, ohrwurmhafte Melodien und Amys markante Stimme – dieses Album war einer der wenigen Lichtblicke der letzten Zeit, bei welchen man sich mal wieder mit Musik im Mainstream identifizieren konnte. „A Curious Thing“ will daran anschließen und es gibt wohl keinen besseren Grund zu prüfen, ob das klappt, als die Wiederveröffentlichung des Albums mit Bonus-CD, bei der Amy die besten Nummern beider Platten mit freundlicher Unterstützung des Philharmonie-Orchesters des Deutschen Radios live performte.
Nach dem ersten Durchlauf ist klar: „A Curious Thing“ kann „This Is The Life“ qualitativ die Stirn bieten, hat sich aber im Vergleich zu diesem doch deutlich entwickelt. So sind die Nummern auf ihre Weise alle straighter geworden – „Don’t Tell Me That It’s Over“ und „Love Love“ werden von Amys treibender Gitarre getragen und fetzen auch ganz gut, bei „An Ordinary Life“ sind es eher Schlagzeug und Bass, die Gas geben und im Hintergrund dezent von Keyboards und Klavier begleitet werden. Der Ansatz ist nicht mehr ganz so eigenwillig und vielfältig wie auf dem Vorgänger, stattdessen hat man es vor allem auf schmissige Pop-Songs abgezielt, aber, und das ist das entscheidende: Auch diese funktionieren, denn das wichtigste, Amys wunderbar natürliche, unbeschwerte Stimme, ist geblieben (schade nur, dass man den schottischen Akzent immer schlechter heraushört). Jeder Track auf diesem Album hebt die Stimmung gewaltig, denn immer vermittelt Amy das Gefühl, dass ihre Musik ehrlich gemeint und dazu auch noch ziemlich gut ist. Verstärkt wird dieser Eindruck, man muss es nochmals betonen, durch den starken Kontrast, den Amy im Vergleich zu 90% der Protagonisten „hipper“ Musik darstellt: Das hier ist nicht konstruiert, nicht nach Schema f mit Erfolgs-Melodien und funky Beats versehen, auf die Jugendliche in Discos steil gehen, das ist tatsächlich echte Musik. Es ist schön zu sehen, dass man auch damit noch Erfolg haben kann.
Und dass Amy von diesem Erfolg tatsächlich nicht zu wenig hat, beweist nun die schon erwähnte zweite CD, bei der sich sogar ein Orchester bereiterklärte, ihre Songs zu begleiten. Die Songauswahl ist dabei prinzipiell gelungen, was das „This Is The Life“-Material angeht kann sowieso kaum etwas schiefgehen, aber auch „A Curious Thing“ ist sehr würdig repräsentiert.
Technisch ist an der Sache dann auch nichts zu meckern, das Orchester ist im Vergleich zur Band gut abgemischt, sodass man von allem genug mitbekommt. Auch was die Performance angeht geht nichts schief, beim Orchester sowieso nicht, aber auch Amy singt und spielt sicher. Dennoch wären diese „Live Philharmonic Orchestral Versions“ eine zweischneidige Angelegenheit (gäbe es sie nicht sowieso kostenlos zum Re-Release dazu), denn, das muss klar sein, es ist nicht in allen Songs genug Platz für so viele zusätzliche Musiker. So lässt beispielsweise „Spark“ seine verträumte Atmosphäre durch den Umstand vermissen, dass im Hintergrund ununterbrochen gefidelt wird und auch „Mr Rock & Roll“ gewinnt durch Unterstützung der Gitarren durch Flöten (?) nicht unbedingt. Man kann von zwei Seiten argumentieren, entweder wurde das Orchester mit etwas unmotivierten Spuren in die Songs gequetscht, oder die Songs wurden zu wenig umarrangiert, um dem Orchester Freiheiten einzuräumen, jedenfalls wirkt es in vielen Fällen reichlich überflüssig und ein wenig deplatziert. Dies ist vor allem bei Songs der Fall, die von flotter Akustikgitarre leben, dementsprechend gibt es dann auch eine andere Seite, wo alles schlüssiger wirkt. „Footballer’s Wife“, „Your Time Will Come“ oder „Let’s Start A Band“ können durch die zusätzliche dramatische Note durchaus als interessante Alternative zu den Standard-Versionen gelten. Höhepunkt ist dennoch zweifellos „This Is The Life“, von dem offenbar sogar eine „neue und verbesserte“ Version präsentiert wurde. Vermutlich liegt es daran, dass der Song sowieso cool ist wie kein anderer und dementsprechend überhaupt nichts schiefgehen, aber zu diesem Track passt das Orchester perfekt und vermag sogar Drive hinzuzufügen anstatt ihn zu nehmen, was bei anderen Nummern zum Teil der Fall ist.
Bei allen Songs außer „This Is The Life“, das tatsächlich auch in dieser Version einen bleibenden Eindruck hinterlässt, muss, ob das Orchester nun passend oder unpassend eingesetzt wurde, gesagt werden, dass sie sicher keinen gleichwertigen Ersatz zu den Versionen auf den Alben darstellen und auf Dauer einfach zu unspektakulär wirken um sich im Ohr festzusetzen.
Deshalb ist die Bonus-CD eben genau das, eine Bonus-CD, die sich als nette Beigabe zu „A Curious Thing“ sehr gut macht, aber weitergehend keine Begeisterungsstürme auslöst und alleine keinen Kaufgrund darstellt. Wer das neue Album allerdings sowieso noch nicht besetzt, kann und sollte beherzt zu dieser Ausgabe greifen.