35 Jahre rockt die amerikanische Progband KANSAS nun schon die Bühnen aller Welt. Dieses Jubiläum galt es angemessen zu feiern; und so luden die fünf Prog-Urgesteine am 07. Februar 2009 in die White Concert Hall in ihrer Heimatstadt Topeka in Kansas. Um das Jubiläumskonzert zu etwas Besonderem zu machen, engagierte die Gruppe das ortsansässige Washburn University Orchestra, das die 17 Songs des Abends pompös begleiten sollte. Außerdem ließen sich die ehemaligen KANSAS-Weggefährten Kerry Livgren und Steve Morse zu Gastauftritten in einigen Songs hinreißen.
Für die Nachwelt haben Steve Walsh & Co. die Show natürlich auf einer aufwendig produzierten DVD festgehalten, die den passenden Titel „There’s Know Place Like Home“ trägt. Des Weiteren kann man das Konzert als Doppel-Live-CD und limitertes 3-Disc-Set erwerben. Wenn man die ausführliche Best Of „Sail On“ übergeht, die 2004 zum 30. Geburtstag der Band präsentiert wurde und kein neues Material enthielt, ist „There’s Know Place Like Home“ tatsächlich die erste Veröffentlichung der Band seit sechs Jahren: 2003 erschien die erste Live-DVD „Device Voice Drum“ und auf ein neues Studioalbum der Combo warten die Fans bereits seit neun Jahren vergebens.
Und so ereilt die nicht mehr ganz so Jungen Herren ein ähnliches Schicksal wie viele ihrer ebenso alternden Genregenossen (als Beispiel seien hier Yes oder Jethro Tull genannt): Sie erhalten ihr musikalisches Dasein lediglich durch ausführliches Touren am Leben. Der Promotext beteuert, KANSAS hätten seit 1991 jedes Jahr mindestens hundert Konzerte gegeben. Entsprechend routiniert und professionell kommt auch die Show auf der Jubiläums-DVD rüber:
Die Band ist perfekt eingespielt, entfesselt live auch im höheren Alter noch eine Energie, von der manch junge Gruppe nur träumen kann. Steve Walshs Stimme ist zwar definitiv in die Jahre gekommen, versprüht aber noch immer den typisch rauhen Charme, den kein anderer Sänger so inne halt wie er. Das ‚Uhrwerk‘ am Schlagzeug, Phil Ehart, hält die Songs mit seiner energetischen, aber pedantisch genauen Spielweise zusammen, während David Ragsdale seinen Job als Ersatz für Robby Steinhardt sehr ernst nimmt und seiner Geige mal wehmütige, mal verträumte und mal pfeilschnelle Töne entlockt.
Die Setlist des Abends besteht zum überwiegenden Teil aus Klassikern, auf die die Band nicht verzichten kann, und die sich auch schon auf der letzten DVD befanden. Allerdings gibt es im Mittelteil mit „On The Other Side“, „Musicatto“, „Nobody’s Home“, „Hold On“ und dem leider sehr zusammengekürzten „Ghosts/Rainmaker“ gleich fünf Songs, die eher selten live dargeboten werden. Außerdem sind die hier gespielten Versionen von Klassikern wie „Song For Amerika“ oder „The Wall“ aufgrund des Orchesters abweichend von den Originalen. Sie entsprechen vielmehr den Aufnahmen der CD „Always Never The Same“ von 1998, auf der KANSAS ihre größten Hits mit dem London Symphony Orchestra zum Besten gaben.
Auf der technischen Seite ist die DVD mit einer Ausnahme hervorragend gelungen:Man kann die Menüpunkte erst nach etwa 1 ½ Minuten anwählen, nachdem sich das Menü zum ersten Mal neu geladen hat. Hierbei handelt es sich offensichtlich um einen technischen Fehler bzw. um ein falsch gestaltetes Menü.
Bild und Tonqualität hingegen sind fabelhaft. Sorroundfetischisten werden sich freuen, dass nicht nur eine 5.1.-Dolby Digital-Spur enthalten ist, sondern der Ton sogar auch in DTS genossen werden kann. Bezüglich des Bildes darf keinesfalls unerwähnt bleiben, dass extremer Aufwand betrieben wurde, um das Konzert zum Greifen nah ins Wohnzimmer der Fans zu übertragen: Es gibt nicht zur festinstallierte Kameras mit Zoom, sondern gleich mehrere Kräne und Fahrten mit aufgehängten Kameras in alle Winkel der Bühne. Nur so sind Aufnahmen möglich, in denen man im einen Moment Phil Ehart hinter dem Rücken beim Drummen zuzusehen kann, im nächsten Moment um ihn herum fährt und dann quer über die Bühne zu seinen Kollegen ‚geht‘. Das alles ohne Schnitt. Mindestens die Hälfte der Aufnahmen sind mit solchen ’schwebenden‘ Kameras eingefangen worden, was der DVD einen sehr eigenen und edelen Stil verpasst.
Alles in allem ist es zwar etwas schade, dass KANSAS ihre 35 Jahre nicht mit einem neuen Album gefeiert haben, aber „There’s Know Place Like Home“ ist sicher die nächstbeste Lösung. Mit 112 Minuten fällt die Spielzeit der DVD zwar nicht üppig aus, aber es lohnt sich jede Sekunde. Kansas live sind ein Erlebnis – soviel kann ich aus zweimaliger Erfahrung sagen. Zu schade, dass die Band im Oktober 2009 nur als Vorband von Status Quo nach Deutschland kommt und keine eigenen Shows spielt. Fans packen sich die DVD ohne Zögern ein und alle, die wissen wollen, wie ernergiegeladener, passionierter Progrock, der zu Herzen geht, klingen sollte, greifen bitte ebenfalls zu. Genial!
Wertung: 9 / 10