Review Atlantean Kodex – The Golden Bough

Selten hat eine Band noch vor dem ersten Album soviel Vorschusslorbeeren bekommen wie ATLANTEAN KODEX. Mit ihren zwei bisher (in streng limitierter Stückzahl) veröffentlichten EPs konnte das Quintett aus Bayern im Bereich des epischen Metal schon einige Akzente setzen und auf sich aufmerksam machen. Das entging auch dem italienischen Label Cruz Del Sur nicht, das die Jungs jetzt unter Vertrag genommen hat. Man muss sagen, dass ATLANTEAN KODEX auch bestens in das Programm des Labels passen, das für seine Epic-Metal-Releases bekannt ist. Und jetzt haben die Bayern mit „The Golden Bough“ endlich ihr schon längst ersehntes Debutalbum am Start. Die Lyrics basieren auf dem gleichnamigen literarischen Werk von Sir James George Fraser.

Ich höre immer wieder Vergleiche von ATLANTEAN KODEX mit anderen Bands. Manowar wird beispielsweise genannt, was ich nicht wirklich bestätigen kann. Oder Bathory, was zumindest in manch erhabenen Passagen sicherlich zutrifft. Doomsword wäre teilweise vielleicht ein stilistischer Vergleich, nur finde ich ATLANTEAN KODEX da einfach grundsätzlich besser. In doomigen Abschnitten nähert sich der Sound ein bisschen an While Heaven Wept an, auch was die choralen Elemente betrifft. Allerdings liegt der Musik von ATLANTEAN KODEX doch mehr der traditionelle Heavy Metal zu Grunde, den die Bayern nur auf sehr epische Weise zelebrieren.
Ich habe durchaus das Gefühl, dass die Newcomer den Begriff Epic Heavy Metal neu definieren könnten. Wenn man sich nur die Länge mancher Songs anschaut, die locker die zehn-Minuten-Grenze hinter sich lassen. „A Prophet In The Forest“ bringt es sogar auf 15 Minuten. Klar, Länge alleine bedeutet nicht automatisch Qualität. ATLANTEAN KODEX verstehen es aber, in ihren ausdauernden Tracks so viele starke Melodien unterzubringen, dass andere Bands wahrscheinlich froh wären, nur einen solchen Song am Laufen zu haben. Innerhalb der Stücke gibt es gerne Tempo- und Rhythmuswechsel oder auch Veränderungen in der Intensität. Doch folgt eine Komposition immer einem roten Faden, den die Hookline auch stets wieder auffasst.
Dabei ist das gesamte Album eine sehr atmosphärische Einheit. Die Melodien und Passagen der einzelnen Stücke ergänzen sich prima. Bei jedem Hören entdecke ich interessante Stellen, die mir zuvor gar nicht so aufgefallen waren. „The Golden Bough“ gefällt zwar schon beim ersten Durchlauf, wird aber eigentlich mit jedem weiteren noch ein bisschen besser. Die Übergänge der Songs, die teilweise auch Interludes sind, wirken immer stimmig. Die Riffs sind oft langsam und schwer und stützen die epische Seite des Sounds. Dennoch beinhalten sie zumeist mehr Vielfalt als beim Doom Metal. Hier wird die Schwere des Doom sehr gekonnt mit technischen Finessen und der Energie des Heavy Metal verbunden.
Das Songwriting gehört jedenfalls mit zum Besten, was ich im Epic Metal bisher gehört habe. Die Stimmung, ungeachtet dessen, dass sie gerne melancholisch, nachdenklich, manchmal auch düster und auch ein wenig mystisch ist, reißt den Hörer einfach mit. Die genialen Chöre forcieren neben den Riffs diese unglaubliche Atmosphäre. Das ist für mich epischer Metal, den man richtig in sich aufnehmen muss, um alle Feinheiten zu entdecken und sich auch von ihm mittreiben lassen zu können.
Warum ich jetzt keine spezifischen Anspieltipps nenne? Weil meine favorisierten Songs ständig wechseln, weil ich immer wieder neue Punkte entdecke, die mich faszinieren, weil das Album einfach in seiner Gesamtheit solch eine perfekte Einheit ist. Ganz, ganz knapp führt „A Prophet In The Forest“ momentan meine Rangliste an, doch das kann sich schnell wieder ändern.

Neben dem einzigartigen Songwriting, überzeugen ATLANTEAN KODEX auch technisch. Dabei muss ich sowohl die variable Gesangsleistung von Markus Becker, wie auch die starken Choräle, die ich in der Form wohl noch nie gehört habe, besonders hervorheben. Aber alle Musiker haben freilich ihren Anteil am Gelingen dieses Albums.“The Golden Bough“ beweist, dass sämtliche Vorschusslorbeeren für ATLANTEAN KODEX berechtigt waren. Dies ist zweifellos das beste Epic-Metal-Album dieses Jahres. Mehr gibt es dazu jetzt nicht mehr zu sagen. Wer nur ansatzweise auf epischen Heavy Metal steht, greift zu.

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info