Dass Promo-Texte darauf ausgelegt sind, beim Leser schon vor Genuss der CD Interesse an Künstler und CD zu wecken, liegt in der Natur der Sache – in diesem Fall gelingt das spielend – liest sich die hier abgedruckte Biographie des aus Norwegen stammenden Wahl-Berliners Cornelius „Sturmgeist“ Jakhelln doch durchaus interessant: Demnach ist der Mann, der Black Metal-Fans eventuell als Kopf der Avantgarde-Black Metaller Solefald bekannt ist, nämlich nicht nur Musiker, sondern auch Poet, halbwegs erfolgreicher Schrifststeller und studierter Philosph.
Eine durchaus vielseitige Persönlichkeit also, was sich wohl in erster Linie auf die Texte von „Manifesto Futurista“ niederschlägt: Diese erforschen die Ästethik des angehenden 20. Jahrhunderts, so die Beschreibung, gedenken des Futurismus – „die hämmernden Blastbeats, die atmosphärischen Riffs und das höllische Geschrei verleihen jener Ästhetik der Beschleunigung musikalischen Ausdruck, welche im Futurismus oftmals in Krieg- und Maschinenkult ausartete.“ Konkret werden dabei Geschichten erzählt, etwa die eines jungen Soldaten im ersten Weltkrieg („Verdun“) oder die Genesis von der Schöpfung der Menschheit durch Gott und die anschließende Schöpfung industrieller Vernichtungslager durch die Menschen („Elégie d’une Modernité Meurtrière“). Und auch „Sturmgeist89“ hat einen hochbrisanten Stoff zum Thema, behandelt er den Amoklauf eines 18jährigen Finnen, der die Tat unter diesem Pseudonym im Internet ankündigte, was Cornelius „Sturmgeist“ Jakhelln 2007 sogleich Vorwürfe einbrachte und in Diskussionen verwickelte – und auch wenn mir die Texte selbst nicht vorliegen, lässt all dies doch annehmen, dass sich der Texter hier wenigstens ein Paar mehr Gedanken gemacht hat als der Durchschnitts-(Black) Metaller.
Wer hierzu nun auf musikalischer Ebene allerdings gesteigerte Progressivität, Avantgarde-Black Metal oder Ähnliches erwartet, wird wohl enttäuscht sein: Statt dessen bietet „Manifesto Futurista“ relativ traditionellen, rauhen Uptempo-Black Metal, der aber durchaus seine Momente hat. Das Hauptaugenmerk wurde hier klar auf melodiöse Riffs gelegt, die, bisweilen simpel, bisweilen komplex aufgebaut sind, sich aber in beiden Fällen recht gut einprägen und teilweise weit über der Qualität durchschnittlicher Riffs, wie man sie alle Tage irgendwo um die Ohren gehauen bekommt, erhaben sind. Der ansonsten relativ konstante Schreigesang wird einmal durch sehr überzeugenden Klargesang abgelöst, ansonsten sind in diesem Sektor nicht viele Bonus-Punkte zu holen. Auch sonst hat man wenig falsch, aber auch nichts besonders beeindruckend gemacht: Der Sound ist kein Meisterwerk moderner Klangkunst, geht aber auf jeden Fall in Ordnung, und auch das Artwork, welches 1995 von Hariton Pushwagner unter dem Titel „Dadadata I“ gemalt wurde, passt ins Konzept: Es zeigt die fordistische Erfindung als Mittel der Massenvernichtung – zahlreiche „menschliche Roboter“an Schaltpulten der Massenproduktion von Raketen.
„Manifesto Futurista“ ist an sich keine schwache Scheibe, bleibt aber, bis auf einige geniale Momente, im Mittelfeld und somit etwas hinter den Erwartungen, die Promoschrieb und Albumkonzept erweckten, zurück – vielleicht auch, weil man von einer Person wie Cornelius „Sturmgeist“ Jakhelln, der eingangs als vielseitig begabter und interessierter Querdenker vorgestellt wird, etwas mehr Innovation und Offenheit bezüglich Einflüssen aus anderen Genres erwartet hätte.
Wertung: 7 / 10