Review Necare – Ruin

  • Label: Firebox
  • Veröffentlicht: 2004
  • Spielart: Doom Metal

Nix gegen kurze Haare und Sonnenbrillen, aber wenn man sich so herausputzt, sowieso schon gerade mal so aussieht, als ob man die 20 noch nicht überschritten hätte und dann meint, man müsste irgendwo im Wald Promofotos für die eigene Doomdeath-Band schießen, dann sollte man sich nicht darüber wundern, zweifelnde Blicke und wenig schmeichelhafte Kommentare zu bekommen. Immerhin trug Ryan Henry, eines der beiden festen Mitglieder der Amerikaner NECARE (Latein für „töten“), auf den Fotos unter seinem Goldkettchen ein My Dying Bride-Shirt, aber trotzdem… ganz koscher war das Duo aus Virginia mir auf den ersten Blick nicht. Da mir bei meiner niemals endenden Suche nach guten Doomdeath-Bands und -Alben aber des öfteren der Name NECARE bzw. der Titel ihres ersten und einzigen Albums „Ruin“ begegnete, wollte ich das mal nicht so eng sehen, ließ einen Fünfer springen und kaufte das gute Stück dann direkt mal.

Bereut habe ich es bis heute (nicht nur angesichts des Preises) nicht. Ganz im Gegenteil, es ist schon ziemlich schade, dass die Karriere der beiden unvorteilhaft frisierten und gekleideten Amerikaner gerade mal sieben Jahre währte und nach der ersten Langrille schon Schluss war, denn „Ruin“ hat es ganz kräftig in sich. Nach einem kurzen, gemäßigten Intro legen die Knaben direkt los mit bockschweren Doom-Riffs, wuchtigem Drumming und fiesen Growl-Vocals. Musikalisch erinnert sowohl der Opener „Stillborn Twilight“ als auch das anschließende „Rite Of Shrouds“ mehr oder minder stark an Anathema zu Zeiten der „The Silent Enigma“, allerdings wir die Angelegenheit schon bald wesentlich brutaler als das, was die Briten auf ihrem zweiten, bereits gemäßigteren Album abfeierten. Ryan Henry beweist zwar auch seine Fähigkeiten am Klargesang, aber ansonsten packt er öfter seine Growls aus, die vielleicht nicht ganz so stimmbandzerstörend sind wie das, was Aaron Stainthorpe auf den ersten paar My Dying Bride CDs ablieferte, aber doch einen guten Eindruck machen.
Dass man eine Doom Metal Band ist und keinen langsamen Todesblei fabriziert wird schon relativ schnell klar, denn NECARE setzen voll auf Atmosphäre. Zerstörerische, aber gleichzeitig auch unendlich hoffnungs- und trostlose sowie manchmal auch irgendwie feierliche Atmosphäre. Dröhnende Powerchords und Zeitlupendrumming wechseln sich mit breiten Keyboardteppichen und manchmal auch extrem ergreifenden Gitarrenleads ab. Am Anfang des Albums eiert das Duo noch etwas herum, „Rite Of Shrouds“ ist nett, zieht sich aber ein bißchen zu sehr, danach steigert sich das Niveau ganz beträchtlich. „Desire (The Dawn & The Chrysalis)“ hat ein paar absolut geniale memorable Textzeilen zu bieten, den Höhepunkt steuert „Ruin“ allerdings mit dem sechsten Track „Celia“ an, der wirklich die Essenz der Verbindung von Doom und Death Metal ist. Ergreifende, möglicherweise sogar sakral wirkende Musik, auf die ein völlig morbider Text gelegt wird. „Celia“ ist ein Song, der gleichzeitig unheimlich schön und unheimlich böse ist. Der Vergleich mag etwas hinken, aber das ganze klingt wie das musikalische Äquivalent zu einem Selbstmord am Weihnachtsabend.

Sicherlich ist „Ruin“ aber keine CD ohne Makel. Neben den drei absoluten Krachern „Desire (The Dawn & The Chrysalis)“, „Celia“ und dem Rausschmeißer „Touching Eternity“ findet sich leider auch etwas Füllwerk auf der CD. Es mag nur eine subjektive Sicht sein, weil die Atmosphäre und die Riffs bei den drei Tracks so überragend sind, aber man wird eben das Gefühl nicht los, dass Henry und Cawthon sich mit diesen Songs bereits verausgabt haben und für die übrigen Tracks einfach nichts mehr so großartiges übrig geblieben ist. Gut sind Tracks wie „Rite Of Shrouds“, „Ruin“ oder „Gethsemane“ allemal, aber sie verblassen einfach neben den saustarken Songs des Albums.
Das ist natürlich Kritik auf höchstem Niveau, aber selbst die muss sein. „Ruin“ ist eine wunderschöne und zugleich verdammt böse, morbide und trostlose CD, die man als Doomdeath-Fan auf jeden Fall mal gehört haben sollte. Schade, dass die Qualität der einzelnen Songs hier und da etwas schwankend ist, noch viel schader ist aber wohl die Tatsache, dass NECARE nach diesem Album das Handtuch geworfen haben und keinen Nachfolger aufgenommen haben. Anderseits vielleicht auch besser, so konnte die Band ihre grandiose Leistung nicht mit einem halbgaren Zweitling wenigstens selbst dekonstruieren.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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