Review Geist – Galeere

  • Label: Lupus Lounge
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Black Metal

Ich muss etwas gestehen. Ich fand die „Kainsmal“ nie so toll. Skandal! werden jetzt einige schreien – schließlich werden GEIST von Freunden anspruchsvoller Underground-Musik nicht zuletzt wegen dieses angeblichen Meisterstückes verehrt. Und ich war immer der einzige, der diese Band immer für ein wenig überbewertet hielt. Doch in all die Lobeshymnen, mit denen Geist im Laufe der Jahre von Fans und Kritikern regelrecht überschüttet wurden, sind die Bielefelder mit „Galeere“ endlich hineingewachsen – denn dieses Ding ist ein Meisterwerk vor dem Herrn.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass hier erstmals ein richtiger Produzent das Ruder übernommen hat, und zwar kein geringerer als Prophecy-Stammproduzent Markus Stock, der schon den Sound von Größen wie Dornenreich veredelt hat. Unter seinem Kommando klingt an Bord der „Galeere“ alles, wie es soll: Druckvoll, transparent, aber immer noch mit genug Ecken und Kanten. Doch eine gute Produktion macht noch kein gutes Album, also wenden wir uns der Musik an sich zu.

Die ist wirklich groß angelegt: Schon die behäbigen Paukenschläge zu Beginn des Albums künden ein mächtiges, drohendes Unheil an; Morsesignale scheinen Hilfe zu rufen, Ambientklänge und kratzige Gitarren schleichen sich langsam und heimlich an Bord.
Und dann bricht der Sturm los: Wüste Schreddergitarren tosen wie ein Sturm auf hoher See, jeder Snare-Anschlag klingt wie ein mächtiger Brecher am Bug, jeder Blastbeat wie eine Flut von scharfen Regentropfen am Kajütenfenster. Cypher D. Rex singt verzweifelt, kratzig und hoffnungslos wie noch nie, als würde er sein Schiff schon sinken sehen. Spacige Synthie-Spielereien lassen die Szenerie noch unwirklicher werden, als würde jeden Moment ein Geisterschiff aus dem Nebel auftauchen, Doom-Wellen stampfen monoton alles zu Brei, was sich noch an Bord wagt.

Und dann wieder die ruhigen Momente: Der Sturm hat sich gelegt, eine müde Bordmannschaft spielt eine tragische Melodie auf einem alten Akkordeon. Schon wieder tauchen Bilder vor dem inneren Auge auf; Bilder von einer dunklen, schmutzigen Kajüte, in der sich die Seemänner vor einem erlöschenden Feuer scharen. Das ist die Fähigkeit von atmosphärischem Black Metal: Große Bilder entstehen zu lassen.
Und das gelingt Geist, keine Frage. Etwa wenn in „Einen Winter auf See“ eine singende Leadgitarre mit klingen gelassenen, halbverzerrten Gitarren gemischt wird und das ganze so magisch klingt wie in Burzums „In i Slottet fra Droemmen“. Oder am Anfang von „Durch lichtlose Tiefen“, wenn zu klaustrophobischen Geräuschen von Wellen an der Kojenwand ein Piano seine traurige Melodie spielt.Von „Unter toten Kapitänen“ ganz zu schweigen, das mit Gregory Pecks wundervollem Monolog aus „Moby Dick“ und einem aggressiven Gitarrensolo aufwartet.

Kurz: Geist haben das Thema der Einsamkeit und Verlorenheit auf hoher See in einer atmosphärischen Dichte umgesetzt, die ihresgleichen sucht. Warum dann also nicht die volle Punktzahl? Ganz einfach: Weil ich weiß, dass dieses Album auch bei Geist-Fans schon auf geteilte Meinungen gestoßen ist. Kollege Marius hat es wohl treffend gesagt: „Vor diesem Album kapituliere ich. Ich habe jetzt zwei Seiten darüber geschrieben, warum ich das Album nicht mag und eine, warum ich es doch mag und alles geht daran vorbei.“ Ja, „Galeere“ macht es seinen Hörern wirklich nicht leicht. Es ist kein Album, das den Hörer mit coolen Riffs und eingängigen Melodien fängt, sondern ein Album, das ein intuitives Fühlen der Atmosphäre fordert; eine Atmosphäre, die sicher nicht jedem zugänglich ist.
Darum also ein halber Punkt Abzug und die Warnung, dass dieses Album unter Umständen eine gewisse Herausforderung für so manchen Hörer darstellt. Aber eine Herausforderung, die es wert ist, angenommen zu werden.

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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