In der Retrospektive muss ich wohl sagen: zu früh gefreut. Fast ein halbes Jahr nach seinem Erscheinen, flatterte kürzlich das neue Album von VARJO in meinen Briefkasten und da ich die Band nun so gar nicht kannte, machte ich mir zunächst einen visuellen Eindruck. `Erinnert irgendwie an das „Kauan“-Album von Tenhi`. Die Täuschung besteht nun einfach darin, dass das Artwork zwar tatsächlich frappierende Ähnlichkeit in Sachen Stimmung und Atmosphäre mit den landsmännischen Schamanenrockern hat, die Musik unterscheidet sich aber beinahe gänzlich.
Man erahnt es schon, wenn man das (irgendwie konfus-zusammengestückelt erscheinende) Info liest, wenn ich alles richtig verstehe, ist es aber eine durchaus veterane Truppe aus dem Land der 42.200 Seen, deren Gitarrist Henry Walden vor knapp zwei Jahren kurz vor den Aufnahmen zu „Viimeinen Näytös“ bei einem tragischen Brand ums Leben kam. Ansinnen der Band anno 1996, dem Gründungsjahr, war es, der Musik von The Cure und Bauhaus nachzueifern. Somit ist klar, mit finnischer Folkmusik wird es nichts. Andererseits, der angekündigte Gothic-Rock kommt auch nur sehr spärlich daher, irgendwie klingt die Musik sehr stark nach einem kräftigen Punkeinschlag mit einfachen, aber lauten Bassläufen, Gitarren irgendwie zwischen clean und verzerrt und hellem Gesang, der irgendwie eine Gute-Laune-Attitüde zu verströmen scheint. Mit dem (immer noch halbwegs) aktuellen Gothic-Rock wie HIM, The 69 Eyes und Konsorten hat es aber genau so wenig zu tun wie mit dem härteren Einschlag a la Amorphis oder Paradise Lost.
Was ist also zu tun? Klar, Musik anhören. Und dabei zeigen sich schon manigfaltige Empfingungen. Einerseits bin ich wohl für diese Art von Musik nicht wirklich geschaffen, andererseits lässt es sich aber kaum verleugnen, dass der eine oder andere Track ganz cool ist und sogar ein wenig hängen bleibt. Namentlich sind der Opener „Maalaa“ und das schlagzeugdominierte „Hissi“ zu nennen, wenig überraschenderweise die nach dem Rausschmeisser „Olet Ehkä Kuulut“ längsten Tracks. Der Rest dümpelt oft nur wenig inspiriert über maximal dreieinhalb Minuten dahin, da macht sich ganz einfach wieder der Punkeinschlag bemerkbar. Dazu kommt der Umstand, dass die Songs allesamt in finnisch gesungen sind. Irgendwie muss für Punk eine harte Aussprache her, aber das Finnische gibt das einfach nicht her, es klingt irgendwie doch zu lieblich. Der angesprochene Rausschmeisser passt dabei besser: tatsächlich wird hier mal echte nordische Atmosphäre kreiert, auf über acht Minuten kommt die Tenhi-Stimmung dann doch noch auf, da hört sich dann auch finnisch gut zu an. Aber passt das überhaupt zum Rest? Irgendwie nicht, trotzdem ein netter Track.
Das Info vergleicht „Viimeinen Näytös“ mit den besten Liedern von Musta Paraati. Die muss man vermutlich auch nicht kennen, aber es ist schon ein lustiger Zufall, dass gerade diese Band auf einem parallel eingetroffenen Sampler finnischer Postpunkmusik den besten Beitrag geliefert hat. Wer sich also berufen fühlt, kann es gerne man mit VARJO aufnehmen, eine einfache Reise wird es aber nicht.
Wertung: 6 / 10