In den frühen 80ern fand man es ziemlich exotisch oder sogar abstrakt, wenn eine Heavy-Metal-Band aus Spanien oder Griechenland kam. Ich erinnere mich noch gut, an die ersten Eindrücke der Iberer Baron Rojo. Doch heute, wo sich schon bald die erste Dekade des 21. Jahrhunderts dem Ende nähert, ist es schon recht schwierig, im Musikgeschäft noch so etwas wie einen „Exotenbonus“ zu bekommen. Ich hatte es inzwischen beispielsweise mit Metal-Formationen aus dem Iran oder Taiwan zu tun.
Wenn man es so sieht, sind PRODIGAL EARTH vom europäischen Inselstaat Zypern schon fast als gewöhnlich zu betrachten. Sie bringen aktuell ihr Debutalbum „Zenith II Zero“ über das ebenfalls in Zypern beheimatete Label Pitch Black Records heraus. Stilistisch sind sie im klassischen Heavy Metal anzusiedeln. Viel bekommt man über die fünf Zypren nicht heraus, teilweise konnte ich noch nicht einmal die Nachnamen in Erfahrung bringen. Es gibt zwar eine Website, die aber lediglich auf eine sehr infoarme Myspace-Seite weitergeleitet wird. Auch das Label offenbart keine weiteren Infos über die Band. Nun denn, steigen wir eben direkt ein in „Zenith II Zero“.
Songwriterische Wunder sollte man bei diesem Album nicht erwarten. Die Zyprer reichern ihren Sound mit Old-School-Einflüssen an und entsprechend sind die Konstrukte teilweise recht einfach und zielgerichtet. Die Leistung der Musiker ist in Ordnung. Der Rhythmus ist kraftvoll und sorgt für den richtigen Takt. Das Gitarrenspiel zeigt sich einigermaßen variabel. Riffs und Leads sind songdienlich. Fingerfertige Soli dagegen eher Fehlanzeige, was ich aber nicht zwangsweise als Makel sehe. Auch Keyboardparts gibt es, die manchmal eine epischere Untermalung schaffen. Wer für das Instrument verantwortlich zeichnet, war auch nicht in Erfahrung zu bringen.
Sänger Nicholas Leptos, der durch seine Engagements bei zwei weiteren zyprischen Bands sicherlich über genügend Erfahrung verfügt, kann aber bei Gesangesgrößen nicht mithalten. Die Stimme ist hell und klar und verfügt sogar über einen eigenen Charakter. Dafür fehlt es an der Ausdruckskraft und auch etwas an Lungenvolumen. In manchen Abschnitten wünsche ich mir schon, dass Nicholas da noch etwas mehr Power reinlegen könnte. Bei gelegentlichen Ausflügen in Höhen, zeigt er sich tonsicher und wirkt verhältnismäßig unaufdringlich.
Die Songs sind allesamt nicht schlecht. Es handelt sich um solide Heavy-Metal-Hausmannskost, die tendentiell die melodische Seite der Spielart tangiert. Hier offenbaren sich die Einflüsse der NWoBHM. Besonders im harmonischen Gitarrenspiel. Etwas moderner muten Wechsel zwischen unterschiedlichen Intensitäten an, wie sie beispielsweise bei „Once Upon A Crime“ eingesetzt werden. Richtig druckvoll und straight wird es aber nur sehr selten. PRODIGAL EARTH wollen allerdings auch eine melodische Heavy-Metal-Band sein.
Bei manchen Stücken vermisse ich geeignete Spannungsbögen. „Crossroads“ plätschert beispielsweise so vor sich hin, ohne dass sich eine wirkliche Hookline entwickelt, und auch der Höhepunkt geht dadurch unter. Das sehe ich noch als das Manko dieser Truppe. Sie können den Hörer durch ihre Kompositionen noch nicht über eine volle Albumdauer konsequent bei Laune halten. Das Level fällt immer mal wieder etwas ab, wenngleich es keine Ausfälle gibt.
Auf der Plusseite muss man neben dem bereits erwähnten „Once Upon A Crime“ das eingängige „Broken World“, das vielschichtige und leicht Maiden-eske „God´s Children“, das an Dio zu besseren Zeiten erinnernde „The Young Ones“, das abwechslungsreich arrangierte „Will To Live“ sowie die als Bonus verzeichnete Alternate Version des tiefgründigen „Pro Defunctis“ verbuchen. Bei letzerem waren die Zyprer gut beraten, eine Sopranistin als Gastsängerin sowie Streicher einzusetzen, da der emotionale Song so noch viel mehr Tiefe erhält, als bei der ebenfalls auf dem Album befindlichen Standardversion.
Im Fazit ist „Zenith II Zero“ ganz klar überdurchschnittlich einzuordnen – auch ohne Exotenbonus. Kompositorisch lassen die Zyprer dennoch genügend Raum zu weiterer Steigerung. Für ein Debut kann man mit der Leistung aber vollends zufrieden sein. Da habe ich schon ganz andere Erstlingswerke gehört.
Ich finde es auch gut, dass durch ein engagiertes Label wie Pitch Black Records gerade Bands aus Gegenden, in denen der Metal keine solche Lobby hat wie hierzulande, eine Chance zur Veröffentlichung ihres Materials bekommen. Und im Falle von PRODIGAL EARTH hat sich das doch schonmal gelohnt. Anhänger des melodischen Heavy Metal sollten in den Stoff der südosteuropäischen Insulaner durchaus reinhören.
Wertung: 7 / 10