Spätestens seit der großen Aufmerksamkeit die „Long Distance Calling“ zuteil wird, sollte jedem klar sein, dass instrumentale Musik im Schlepptau des Post Rock auch in Deutschland eine kleine Renaissance erlebt. Zu dieser Entwicklung tragen auch FITZCARRALDO ihren Teil bei. Die vier Musiker aus Aschaffenburg veröffentlichten bereits 2007 ihr instrumentales Debut „Herbst“ und fuhren dafür großartige Kritiken ein. Drei Jahre und über 30 Konzerte später legen sie nun mit „Lass sein was ist“ nach.
Wieder ist es Post Rock, wieder ist es instrumental und wieder ist es ziemlich gut was FITZCARRALDO abliefern. Auch wenn die Herrschaften den Post Rock bei Leibe nicht neu erfinden, schaffen sie es doch ihm ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Die Grundstimmung ist melancholisch ab auch verträumt und friedlich. Das aggressive Element, das bei vielen Post Acts zum Tragen kommt fehlt hier fast gänzlich. Massive Ausbrüche (wie in der Mitte von „Momentaufnahme“ oder am Anfang von „Dämon in uns“ und „Du bist die Hoffnung. Ich bin der Abgrund“ angedeutet) sind Fehlanzeige, dafür gibt man sich gern mal verspielt, aber nicht durch technische Versiertheit sondern eher im Sinne eines musikalischen Augenzwinkerns. War „Herbst“ eine ziemlich gute Umschreibung für den musikalischen Rahmen des Debuts, hätten FITZCARRALDO ihren Zweitling auch gut „Lauer Sommerabend“ nennen können: Man sitzt träge im Schatten und träumt vor sich hin.
Träumen ist sowieso ein gutes Stichwort um die Aschaffenburger zu umschreiben, Kopfkino wäre ein anderes. Das Fehlen der Stimme – wobei Fehlen eigentlich das falsche Wort ist, den vermissen tut man sie hier nicht – sorgt dafür, dass man sich sein eigenes Bild von der Botschaft der Lieder machen kann und verliert sich so immer wieder herrlich in den unterschiedlichen Stimmungsnuancen. Die vier Jungs nehmen ein mit ihrer Musik gefangen und ziehen einen sehr intensiv in ihren Bann. An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir trotzdem den Einsatz von Samples oder anderen Spielereien gewünscht, wird durch diese kleinen Kniffe (wie gleich zu Anfang bei „Treibjagd“ oder auch in „Dämon in uns“) die Homogenität der Platte etwas aufgebrochen und die unterschiedlichen Lieder etwas abgrenzbarer. Auch nach dem zigsten Durchhören – und die Platte benötigte ein paar bis sie zündet – find ich keine Orientierung in den unzähligen Klangschichten die wabern und psychedelisch ineinander übergehen. Das Zeitgehfühl geht förmlich verloren. Erst wenn die Schreie von Gitarrist Jan Maier die letzten Sekunden einläuten weiß man wo man steht und auch, warum sich die Jungs in dieser Besetzung lieber auf instrumentale Musik konzentrieren.
Dass die solide Produktion an einigen Stellen holprig und ungeschliffen klingt, die Musiker nicht ihr technisches Können unter Beweise stellen müssen und ihren Liedern die Zeit geben die sie brauchen um sich richtig zu entfalten runden das Bild von einer sympathischen Band gekonnt ab. Dass die optische Umsetzung des Albums alles andere als ausgereift ist, wird hoffentlich nicht zu viele potentielle Hörer abschrecken. Wer gern instrumentale Musik, insbesondere in der groben Richtung von Leech oder Long Distance Calling hört und eine junge talentierte Band unterstützen möchte, sollte hier unbedingt reinhören, es lohnt sich!
Wertung: 8.5 / 10