Review My Dying Bride – The Dreadful Hours

  • Label: Peaceville
  • Veröffentlicht: 2001
  • Spielart: Doom Metal

Der Regen fällt unablässig aus den tiefgrauen Wolken hinab, durchweicht das Erdreich, bildet Pfützen, prasselt an die Scheibe. Typisch herbstliche Novemberstimmung macht sich breit, als der Schauer hin und wieder von einem tiefen Donnergrollen begleitet wird. Aber da ist noch etwas anderes. Etwas das sich nur im Kopf abspielt. Oder ist das doch eine echte Gitarre, die da schwermütig und in getragenem Tempo immer wieder dieselben einzelnen Töne raus und runter spielt? Und da ist doch noch eine, die auch nicht viel mehr tut als ihre Begleitung. Aber das wenige ist schon genug, denn perfekter als mit diesen paar sehnsuchtsvollen Klanggebilden, die hier durch die regendurchtränkte Luft wabern, könnte man niemals die düstere Stimmung beschreiben, die sich bei dem einen oder anderen breit macht, wenn man während den herbstlichen Nachmittagsstunden durch das Fenster auf die verregnete Welt hinaus schaut. Gerade mal zweieinhalb Minuten rum und ihr habt’s wieder mal geschafft, MY DYING BRIDE.

Ja, genau so fängt der Titeltrack und Opener der siebten CD der britischen Düstermänner mit dem Titel „The Dreadful Hours“ an, atmosphärisch wird hier von Anfang an ganz groß gekocht und auch ansonsten gehen die Herren aus Halifax mal wieder gewohnt zu Werke. Aber was heißt eigentlich gewohnt? Immerhin war gerade auf den vorigen Alben der Band große Veränderung angesagt. „Like Gods Of The Sun“ zeigte sich kompakter und gotischer als je zuvor, auf „34.788%… Complete“ regierte die Experimentierfreude und auf „The Light At The End Of The World“ kehrten sie dem dann wieder den Rücken und machten sich auf die Suche nach ihren Wurzeln. Ohne Geige zwar, aber Schwund ist immer. Und so geht’s auch auf „The Dreadful Hours“ weiter, einmal vom Doomdeath quer durch alle möglichen Genres und wieder zurück, so könnte man den Werdegang von MY DYING BRIDE schon beschreiben. Allerdings ohne jemals wirklich zu stagnieren und genau das machte und macht sie ja so groß.

Und entgegen der Unkenrufe von manch anderem Redakteur ist das auch auf „The Dreadful Hours“ (dessen Cover mal wieder – MDB-typisch – eine doch recht cool aufgemachte christlich-mythologische Szene ziert, diesmal keine mit Wachs übergossene Marienstatue, kein Jesusgesicht, diesmal gibt der Kain es dem Abel) der Fall. Die epische Ausrichtung und Riff-Orientiertheit von „The Light At The End Of The World“ wurde wieder etwas zurückgefahren und auch wenn ich die Scheibe doch recht cool fand ist das kein Beinbruch, viel mehr bewegt man sich hier wieder weiter weg vom Doom und mehr hin zur Schnittmenge zwischen Gothic und Death Metal, manchmal etwas separiert (der Schnitt zwischen dem getrageneren ersten Teil des Titeltracks und dem bollernden Part mit Death-Growls – Aaron zeigt sich übrigens mal wieder in Höchstform, alle seine Gesangslagen sind auf großartigem Niveau – ist mir leider etwas zu klinisch geraten), manchmal gut verbunden („The Raven And The Rose“ ist einfach nur große Klasse). Aber doch eigentlich immer gut.

Ja, tatsächlich, nachdem die vorigen Alben teilweise etwas unentschlossen durch die Gegend fuhren finden MY DYING BRIDE auf „The Dreadful Hours“ endlich wieder eine klare Linie zwischen Emotionalität und Agressivität, räumen beiden Teilen aus denen ihre besten Songs gebastelt wurden genügend Platz ein und feiern somit mit ihrem siebten Album wieder etwas extrem Großes ab, denn hier stimmt nicht nur das Gesamtbild der Trackliste, nein, hier ist wirklich jeder Song (vielleicht mit Ausnahme des etwas ausufernden „Le Figlie Della Tempesta“) ein Hit, allen voran wohl „My Hope, The Destroyer“, dem vielleicht größten Song der Bandgeschichte (der auch überraschend flott daher kommt, aber vielleicht gerade deswegen so viel Freude macht… und außerdem ein paar extrem geniale Riffs, Arrangements und vor allem einen Text zum Gernhaben hat).

Kurzum: Mit „The Dreadful Hours“ haben MY DYING BRIDE es nach zwei merkwürdigen (aber bestimmt nicht schlechten) Alben und einem, das zwar in die richtige Richtung ging aber hier und da noch etwas wacklig auf den Beinen war tatsächlich unbeschadet zurück geschafft. Sieben überlange Tracks, die einfach nur mächtig reinhauen und den Fan da packen, wo’s weh tut, nämlich direkt an der Kehle resp. am Herzen. Dichte Atmosphäre, starke Melodien, epische Arrangements und Aarons genialer Gesang, alles prima, oder? Nicht ganz leider. Denn: Die CD ist zu kurz. Tatsächlich ist das neue Material mit einer Länge von knapp 56 Minuten zwar eine Menge Holz, aber für einen MDB-Output doch recht kompakt (zwar werden die 70 Minuten noch mit einer Neuauflage des Songs „The Return Of The Beautiful“, „The Return To The Beautiful“ betitelt, vollgemacht, aber der Track will einfach nicht ganz auf die Scheibe passen) und da das Material hierauf so dermaßen stark ist, wünscht man sich doch mehr. Schade drum, aber so bleiben sieben Songs für die Ewigkeit, die sich locker unter den Top-Veröffentlichungen der Briten einreihen.

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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