„Senectute“ ist Lateinisch und heißt so viel wie „Das Greisenalter“. Aus mehr oder minder offensichtlichen Gründen (das Alter wird’s wohl gewesen sein) wurde diversen bekannten Römern der Beiname „Seneca“ verliehen. So weit so unkompliziert. Jetzt sind da aber fünf junge US Amerikaner, die sich da gerade mal in der Antike bedienten und ihre 2002 gegründete Band deswegen kurzerhand SENECA nannten. Mittlerweile sind sie bei Lifeforce unter vertrag und bringen demnächst über eben dieses Label ihre zweite CD „Reflections“ heraus. Was mag den hörer nur erwarten, gemäßigte Entspannungsmusik, die auch noch im Greisenalter zu gefallen weiß?
Weit gefehlt, Deathcore (oder Metalcore, ich kann das so schlecht unterscheiden) hat das Quintett aus Charlotte, North Carolina, sich auf die Flagge geschrieben und zwar welchen, der sich ordentlich gewaschen hat. Ja klar, man muss jetzt erst mal zugeben, dass hier eigentlich nicht besonders innovativ gebraten wird, alle altbekannten Trademarks sind mit an Bord, hohe Tempi, kurze, knackige Songs mit technischer Schlagseite, eine mächtig brutale Attitüde die hin und wieder mal zugunsten von Klargesang mit Emo-Texten weggepackt wird (die lagen mir jetzt nicht vor, aber hörte ich im Refrain von „Black Gold“ tatsächlich ein „So cut yourself„?), kennt man alles schon, hat man alles so oder so ähnlich schon mal gehört, das ist wahr. Und ich will jetzt auch nicht behaupten, dass SENECA das Rad neu erfinden.
Aber sie haben mit „Reflections“ immerhin ein ziemlich schönes Rad gebaut, ohne gravierende Macken die den Fahrgenuss einschränken könnten, wenn ich das mal so sagen darf. Denn nachdem das Intro „Optical“ flugs abgehandelt wurde, zeigen SENECA mit „Palehorse“ eigentlich schon direkt all das, was gut und richtig ist an ihrer Musik. Heftiges, versiertes Geboller in der Rhythmusfraktion, dazu timingsichere Gitarrenarbeit und ein paar coole Lead-Melodien. Sänger Corey macht auch einen erstaunlich guten Job, nur sehr selten verlässt er sich auf das altbekannte Metalcore-Genöle, das mir normalerweise schon nach einem halben CD-Durchlauf zum Hals heraushängt, des öfteren growlt oder schreit er auch schon mal, was die Stimmbänder hergeben. Und wenn der Klargesang um die Ecke kommt kann man auch nicht meckern.
Oder sagen wir mal „selten“, denn obwohl SENECA sich auf ihrer zweiten CD keine groben Dummheiten erlauben, so lässt sich der eine oder andere Schnitzer, beziehungsweise etwas merkwürdige Moment nicht wegdiskutieren. Wenn der klar gesungene Part bei „Carousels“ zum Beispiel die eigentlich eher gedrückte Stimmung des sonstigen Songs in wenigen Sekunden zum Teufel jagt und etwas auffährt, was doch mehr nach Blink 182 oder Kollegen klingt, als mir persönlich lieb ist. Oder auch der zwar sehr beeindruckend runtergefetzte aber melodisch doch ziemlich hingerotzte Auftakt von „The 29th Day“. Diesen Augenblicken des Stirnrunzelns stehen aber ein paar sehr starke Songs gegenüber, der schon erwähnte Opener „Palehorse“ zum Beispiel oder das ruhig beginnende und eher episch endende „Illusions“, das eine sehr schöne Verschnaufpause zwischen den sonstigen Nackenbrechern darstellt.
Und damit ist „Reflections“ auch schon ziemlich gut zusammengefasst, SENECA spielen ziemlich gewöhnlichen Metal/Deathcore, der sich trotzdem angenehm vom Einerlei abhebt dadurch, dass hier mit richtig gutem, eingänigen Material gearbeitet wird. Schnitzer sind drin, aber trotzdem sind die knappen 32 Minuten, die die Amerikaner sich hier austoben, für jeden Freund des Genres eine dringende Empfehlung wert.
Wertung: 7.5 / 10