Drei Jungs, eine Frau, 15 Tracks „Female Fronted Melodic Metal“. Och nö, nich schon wieder so ’ne Nightwish-Kopie, so ein Within-Temptation-Abklatsch, Evanescence Nummer 112 oder so… Ne, tatsächlich, so was gibt’s auf dem ersten Album der deutschen Kombo THE MYSTERY unter der Flagge von Limited Access Records nicht zu hören. Nach drei Eigenproduktionen steht jetzt die vierte Langrille mit dem Namen „Soulcatcher“ in den Regalen. Nach dem Ausstieg der langjährigen Sängerin und Keyboarderin Denise Olbrichs steht jetzt mit Korry Schadwell eine Vokalistin am Mikrofon, die der Promozettel ganz gerne als die neue Doro Pesch abfeiert. Äh… ja… okay. Mal schauen.
Genretechnisch ist damit aber irgendwo schon der richtige Ton getroffen. Denn nach einem kurzen, sehr stimmungsvollen Intro rocken THE MYSTERY mit „Take Me To The Light“ schon richtig lo… Schnarch… Äh, sorry, war kurz weggenickt. Der Song ist nämlich etwas… Wie soll ich sagen? Dröge vielleicht? Eine dünne Gitarre spielt Anfängerriffs runter und dazu bollert ein nach Plastik klingendes Schlagzeug frei nach Scott Columbus‘ Autobiographie „How I became a rockstar while playing the same beat over and over again“ (nein, die gibt’s nicht zu kaufen, die hab ich gerade erdacht… aber es wäre so passend…) in der Landschaft rum. Ganz ehrlich: Die Abmischung der Instrumente (wurde übrigens von Tarek Maghary von Majesty übernommen… der Mann sollte da lieber in Zukunft seine Finger raushalten und weiter Musik machen) ist ein absoluter Graus. Der Drumsound ist lachhaft, die Palm-Mute-Chords der Gitarre genau so, außerdem klingt alles furchtbar dünn, was wohl auch daran liegt, dass über weite Strecken nur eine Gitarre auf der Aufnahme zu hören ist. Korrys Stimme (die übrigens nicht halb so „besonders“ ist, wie der Promozettel uns glauben machen will, aber trotzdem ganz nett) liegt zwar gut oben drüber, aber die Instrumentalisierung… Ne ne, geht ja gar nicht.
Auch der zweite Song „Judas Betrayed“ (zu dem es übrigens ein grottenschlechtes Youtube-Video gibt) ist alles andere als berauschende Unterhaltung. Schlagzeuger Daniel Kahn ist immer noch nicht wieder aufgewacht (um das mal vorweg zu nehmen: Der schläft auch den Rest der CD scheinbar durch…), die Riffs sind noch immer langweiliger als langweilig, Korrys Englischkentnisse sind grausam (nicht nur sind die Texte absolutes Grundschulmaterial, die Aussprache und Intonation können da absolut mithalten), der Song kann eigentlich nichts, abgesehen von langweilen.
Von da an geht es dann völlig überraschend steil bergauf. Der Titeltrack (inklusive seines Intros) macht richtig Spaß, vor allem der Refrain ist (trotz dummbrätzigem Text) eine Wonne. Korrys Gesangsleistung ist auf recht hohem Niveau, die Instrumente dümpeln immer noch irgendwo im Mittelmaß herum, trotzdem ein guter Song. Die größte Überraschung kommt dann allerdings mit dem genialen „Suicidal Thoughts“. Ganz ehrlich, hätte man da anstatt Korry Ville Laihiala ans Mikro gelassen, der Song könnte auf einem der letzten vier Sentenced-Alben stehen. Sowieso wird ab dem Zeitpunkt die Eigenständigkeit über Bord geworfen und über weiteste Strecken klauen (err… sorry, „zitieren“… klingt doch viel netter) THE MYSTERY sich ihre Songs zusammen und man kann sagen was man will, das funktioniert einfach viel besser, als ihre Experimente am Anfang. Hier ein wenig Blind Guardian, da ein Löffelchen Kamelot, eine Priese HammerFall und fertig ist ein neuer Song. Vor allem die Refrains haben enormen Ohrwurmcharakter, da sei nur mal das starke „Fire Keeps On Burning“ oder das balladeske (sprich: sehr schmalzig beginnende, sich aber schnell bessernde) „Unready To Die“ erwähnt.
Klar, die Eigenständigkeit von THE MYSTERY ist damit Passé, aber ich hör mir ganz ehrlich lieber eine ordentliche Kopie als eine individuelle, dafür aber völlig halbgare Band an. Und das sind die drei Jungs und das Mädel. Auf diese Weise werden sie zwar nie irgendwo im Metal Olymp landen, aber wenn sie sich für das nächste Album einen zweiten Gitarristen anlachen (das Fehlen der zweiten Klampfe ist hin und wieder absolut schmerzhaft), jemanden an die Mastering-Regler lassen, der auch was von dem Job versteht, und Daniel Kahn mal einen Wecker kaufen (höhö), dann können sie mit dem auf der zweiten Hälfte von „Soulcatcher“ eingeschlagenen Weg tatsächlich ein spaßiges, kurzweiliges Album aufnehmen. Ich bin mal gespannt, was da noch kommt, denn Potential ist ja irgendwo da.
Wertung: 6.5 / 10