Review Oakenshield – Gylfaginning

Ich erinnere mich noch, es war vielleicht vor drei oder vier Jahren, da war Vratyas Vakyas aka Markus Tuemmers aka Falkenbach auf dem Höhepunkt seines Schaffens angelangt. Da war der Pseudo-Isländer in aller Munde und auf die Frage „Kann mir hier irgend jemand etwas ähnliches wie Falkenbach empfehlen“ las man in einschlägigen Internetforen nur so ehrfurchtsvoll gehauchte (oder getippte) Antworten wie „Etwas vergleichbares wie Falkenbach wirst du nicht finden“. Aber in letzter Zeit zeichnete sich so ein Trend ab, man möchte fast meinen, dass das Geheimnis der falkenbachschen Musik ergründet wurde und jetzt nach allen Regeln der Kunst breitgetreten werden muss…

Unser heutiger Fall dieser „Ich wär so gern ein Wikinger“-Identitätskrise stammt aus England, aus West Yorkshire um genau zu sein, nennt sich Ben Corkhill und musiziert bereits seit 2004 fröhlich in der Gegend herum, erst unter dem Namen Nifelhel, mittlerweile als OAKENSHIELD. „Gylfaginning“ nennt sich seine erste CD unter diesem Namen, die dieses Jahr über Einheit Productions erschien und die Falkenbach so dicht auf den Fersen ist, dass es einen astreinen Auffahrunfall geben würde, wenn Vratyas das Bremspedal nur mal leicht antippen würde.

Okay, lasst mich das gleich klarstelle: Ich bin beeindruckt von Vratyas Leidenschaft für sein Projekt, von seinem Enthusiasmus und von seinen handwerklichen Fähigkeiten, aber seine Musik finde ich einfach nur sterbenslangweilig. Und auf eine Band, die Falkenbach 1:1 kopiert, kann man das eigentlich auch völlig deckungsgleich übertragen. Ja, Corkhill weiß was er tut, das steht völlig außer Frage. Trotzdem weiß seine Musik mich absolut nicht zu packen. Hier ein wenig schnelleres Geboller mit verzerrter Gitarre, da die unvermeidlichen Akkustikpassagen, Kreischgesang, der sich mit pathetischen, relativ weit in den Soundhintergrund gemischten Chören abwechselt… Und hin und wieder mal ’ne Fiedel.

Eigentlich ist es noch schlimmer als das, denn von Zeit zu Zeit wirkt der folkige Einschlag auf „Gylfaginning“ arg aufgesetzt. Da sei nur mal der Anfang des Openers „Ginnungagap“ erwähnt. Gitarre und Schlagzeug treiben den Song voran, machen ihr Ding, und nur damit wir nicht vergessen, dass hier mächtig gefolkt wird, kommt eine Flöte um die Ecke und spielt zwei Takte lang mit, nur um wieder zu verschwinden, wenn der Gesang einsetzt. Bei solchen Stellen, bei denen das Volkstümliche sich nicht homogen in die Musik einfügt, sondern wie mit dem Prittstift draufgepappt wirkt, fangen meine Zähne wie von selbst zu knirschen an. Und es gibt nicht gerade wenige davon in den 61 Minuten, die „Gylfaginning“ dauert…

Abwechslung gibt es auf den ersten Lauscher auch kaum, wenn man mal von dem (weitestgehend) instrumental gehaltenen Stück „The Aesir“ absieht (das übrigens absolut vorbildlich zu „Fenris“ überleitet, da braucht Corkhill sich keinen Tadel gefallen lassen). Hier klingt im großen und ganzen alles wie aus einem Guss. Und das ist durchweg negativ gemeint. Die eigene Note muss man mit der Lupe suchen, nach einigen Durchläufen ist sie aber endlich gefunden. Wobei „eigene Note“ wohl der falsche Asdruck ist, denn das wirkt auch alles extrem zusammengeklaut, aber immerhin grenzt OAKENSHIELDs Musik sich so doch noch ein bißchen (ein klitzekleines Bißchen) von Papa Falkenbach ab. Hier und da findet man ein geschwindigkeitstechnisch heruntergeschraubtes Ensiferum-Riff, manchmal erinnert das Bassgeklimper an Doomsword bzw. Gjallarhorn. Und dann sind da noch die Geigeneinwürfe, irgendwo zwischen Turisas und Subway to Sally (wobei sie sich mehr an ersteren orientieren). Nicht zu vergessen die komplett wie Byron Roberts von Bal-Sagoth klingende Erzählstimme, die plötzlich bei „Fenris“ wie aus dem Nichts auftaucht. Das ist alles ganz nett und sorgt für Auflockerung im Hause OAKENSHIELD, aber Eigenständigkeit sieht anders aus. Und das merkwürdige Keyboardgeklimper hin und wieder („The Aesir“ sei hier mal erwähnt), das mich irgendwie an angepinselte Pandabären auf der Suche nach dem mächtigen astralen Drachen oder nach den Ruinen von Atlantis oder so erinnert, hätte echt nicht sein gemusst…

Wie man zwischen den Zeilen der Bandbiographie auf Homepage und Promozettel ließt, hat Corkhill sich mit OAKENSHIELD im Allgemeinen und „Gylfaginning“ im Speziellen einen großen Traum erfüllt (er wollte ein Konzeptalbum über die Edda schreiben… da gibt’s ja auch noch gar nicht sooooooo viele von…). Nun, wenn des Mannes Schlummer von dem Wunsch begleitet wird, sich einmal durch das Viking/Pagan-Genre zu klauen und dabei noch ein paar benachbarte Spielarten zu touchieren, dann Glückwunsch, mission accomplished. Die-Hard-Falkenbach-Fans könnten hier was Interessantes finden, genau wie Genre-Einsteiger. Allen anderen sei von OAKENSHIELD im Allgemeinen und „Gylfaginning“ im Speziellen nur abgeraten.

Wertung: 4.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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