Review Transit Poetry – Evocation Of Gaia

Manchmal ist es ja so: man bekommt eine CD und denkt schlagartig, dass man die Band doch kennt, irgendwo ist sie einem doch schon mal über den Weg gelaufen. Aber wo? Oder doch nicht? So verhielt es sich bei TRANSIT POETRY, welche sich auch durch eine bemerkenswerte Ausrichtung interessant machen. Allerdings – und dies muss man zwingend im gleichen Atemzug sagen – gilt dies auch für die Musik, was bei einem ersten schnellen Durchlauf sofort klar wird. Den unternahm ich pflichtbewusst dann auch, ohne einmal ins Booklet zu schauen.

Dabei ist der erste Eindruck zunächst etwas überraschend: Earth Rhythm geht schwer in die Richtung lupenreiner EBM, elektronische Beats, die sehr tanzbar nach vorne treiben, untermalen eine Hymne an – der Titel winkt schon heftig mit dem Zaunpfahl – Mutter Erde. Es wäre wohl falsch zu sagen, in diesem Stil geht es über die gesamte Spielzeit von fast einer Stunde weiter, One With The Seasons ist zwar auch nicht unbedingt das, was der fanatische Metalfan erwartet, aber die Gitarren stehen hier schon deutlich mehr im Vordergrund. Alleine diese beiden Songs zeigen schon die Ausrichtung von TRANSIT POETRY: düstere Songs im Midtempo mit ausgesprochen eingängigen Melodien, vor allem im Bereich Gesang und Keyboard. Keineswegs ist es aber so, dass hier die alchemistische Formel stereotyp angewendet wird, jeder der 12 Songs hat ein ganz eigenes Feeling, nichts klingt gleich, unter dem Strich aber ähnlich genug, um eine ausdrucksstarke Einheit zu bilden. Und diese Einheit stellt das Konzept der Band dar: gab es bereits mit Themes From The Desolate Ocean das sogenannte Wasseralbum, sowie das Feuer-Album Shamanic Passage Through The Embers, liegt die Vermutung nicht nur nahe, dass Evocation Of Gaia das Erde-Album darstellt. Dahinter steckt aber vielmehr als bloße Liebe zur Natur, die Band vertritt ihren Standpunkt rigoros. Das heißt, dass fast alle Musiker überzeugte Veganer sind. Im Interview spricht Bandleader und Mastermind Sascha, dass für ihn der einzige Weg zu mehr Harmonie der Menschheit eine solche Lebensweise ist. Textliche schlägt sich dies vor allem in Vegan Revolution nieder, aber auch andere Lieder lassen dies hervorscheinen. Schön zu sehen, dass es auch das ernsthaftes Pendant zu den kindlichen Kirchenabbrennern in Norwegen gibt, auch zu diesem Punkt hat Sascha im lesenswerten Interview eine sehr vernünftige Sichtweise geäußert.

So läuft das Album vor sich hin, jeder Song gleicht einer aufblühenden Blume, welche mit dem traurigen Schlussakkord Leave langsam verwelkt. Elektronische und eher gitarrenlastige Parts halten sich dabei ziemlich genau die Waage, etwas aus dem Rahmen fällt Incarnation Theme, welches Sascha mit dem Gitarristen Andrei geschrieben hat. Ich vermag dort sogar einige Parts auszumachen, die in die Industrialecke gehen, vor allem der eisig-kreifende Gesang, der den einen oder anderen möglicherweise an Marylin Manson erinnern könnte. Dies mag vielleicht nicht die Intention der Künstler sein, die Deutung ist aber natürlich frei und so äußere ich hier mal einfach diesen Eindruck. Besonders gelungen kommt in meinen Augen der (mehrstimmige) Gesang daher, egal, ob es Saschas Leistungen oder die seiner Gastmusiker (vor allem Anja Dieckmann bei Soil Of Sunflower) sind.

Wie schon angedeutet, für den beinharten Metalfan ist TRANSIT POETRY eher weniger geeignet; wer aber das Wagnis eingeht und mal etwas über den Tellerrand schaut, kann hier einiges entdecken. Übrigens, bekannt kam mir die Band vor, weil Sascha gewissermaßen ein Kollege ist, aber mehr sei an dieser Stelle nicht gesagt, denn es wäre gänzlich falsch, die Band alleine auf die hauptberufliche Tätigkeit des Frontmanns zu reduzieren, dafür ist die Musik und das gesamte Konzept einfach zu gut. Antesten lohnt auf jeden Fall!

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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