„Man, haben die sich gemacht!“ So lautete mein erster Gedanke, als ich zum ersten Mal in den Titeltrack des neuesten Albums von DARKESTRAH, „The Silk Road“, reinhörte. Den Black-Metal-Exoten aus Kirgisistan konnte man ja immer ambitioniertes Arbeiten attestieren, doch anfangs schien man etwas zu forsch zu sein und überschritt ein wenig die Grenzen der eigenen Fähigkeiten, so dass immer der Eindruck von gewisser Amateurhaftigkeit mit einherging. Seit dem Vorgänger-Werk „Epos“, einem einzigen Track mit Überlänge, war jedoch deutlich zu merken, dass man in der kurzen Zeitspanne zwischen dem Debüt „Sary Oy“ von 2004 und eben jenem dritten Album „Epos“, das drei Jahre später veröffentlicht wurde, einen bemerkenswerten Qualitätssprung machen konnte und sich konsequent in musikalischer, als auch songschreiberischer Hinsicht weiterentwickelte. Nun war es also soweit zu beweisen, dass es sich hierbei nicht um einen Ausreißer nach oben handelte, sondern dass harte Arbeit und das Bemühen um Individualität endlich Früchte trägt.
Die so genannten Seidenstraßen waren oder sind Handelsrouten, die sich von Kontinent zu Kontinent, sprich vom südlichen Mitteleuropa, über Nordafrika, bis hin ins tiefste Asien erstreckten. Seide war dabei nur eines von vielen Gütern, die dabei transportiert wurden, wenngleich es sicherlich zu den Luxuriösesten zählte. Da es für einen Händler sehr gefährlich und anstrengend gewesen wäre seine Ware immer alleine bis zum Zielort zu transportieren, gab es quasi ein Netzwerk, so dass man immer nur eine bestimmte Strecke zurücklegte, bevor jemand andres die Ware übernahm und sie seinerseits dann weiter trug. Immerhin mussten dabei oftmals mehrere tausend Kilometer überbrückt werden, bis man das Ziel erreichte.
In Anbetracht der Tatsache, dass auch DARKESTRAH sich auf eine solche große Reise machen mussten – wenn auch mit moderneren Fortbewegungsmitteln – um schließlich in Leipzig zu landen, dann passt diese Thematik doch recht gut. Dort nämlich wurde, wie schon der Vorgänger, „The Great Silk Road“ aufgenommen und zwar im Kick-The-Flame-Studio. Na, klingelt es bei dem Namen? Ganz recht, hierbei handelt es sich um das Tonstudio des Disillusion-Mastermind Andreas „Vurtox“ Schmidt, womit Qualitätsarbeit eigentlich garantiert sein sollte, wenn man sich „Gloria“ so anhört. Doch es ist natürlich etwas gänzlich Anderes ein Black-Metal-Album zu produzieren, aber letztlich meisterte Schmidt auch das vorzüglich. Die nötige Rauheit und an manchen Stellen auch Kälte geht dem Sound nie ab, während man gleichzeitig mit einem druckvollen Klang, bei dem alles gut rauszuhören ist, verwöhnt wird. Jetzt liegt es nur noch an DARKESTRAH diesem Rahmen auch einen würdigen Inhalt zu verpassen.
Die Reise beginnt auf einem Marktplatz, man vernimmt im Hintergrund durcheinander redende Leute, bevor Trommeln, akkustisches Gitarrenspiel und atmosphärische Keyboarduntermalung den Aufbruch ankündigen. Der Weg führt durch die weite Ödnis der Wüste, über gewaltige Gebirgszüge, durch die sengende Hitze der Wüste und die klirrende Kälte in luftigen Höhen, durch absolute Dürre und wütende Stürme. Das Wort Automobil ist noch weit davon entfernt im Wortschatz zu existieren, mit etwas Glück wird man von einem Maultier begleitet, so dass das Gepäck wenigstens nicht noch auf den eigenen Schultern lastet. Die langsame Fortbewegung sorgt dafür, dass man Tage, Wochen oder sogar Monate braucht um mal wieder etwas anderes zu sehen als die immer gleich bleibende Umgebung, und so wird auch die Musik oftmals über längere Zeit durch einige wenige Riffs getragen, während Kriegtalith sich am Mikrophon heiser schreit.
Orientierungslos bleibt man als Hörer aber selten, denn die gewisse orientalische Komponente bleibt zumindest im Hintergrund meist erhalten durch den Einsatz der Temir-Komuz, die kirgisische Version des in europäischen Gefilden wohl besser als Maultrommel bekannten Instrumentes. Wird dieses eher dezent verwendet verleiht es der Musik auch einen mysteriösen Touch. Ansonsten wird es auch häufig für die Einleitung eines Stückes verwendet, zusammen mit Cello, Trommeln und angemessenem Keyboard-Einsatz ergibt das ein überaus stimmiges Gesamtbild. Käme man nicht aus Kirgisistan, sondern aus dem skandinavischen Raum, dann würde man eventuell wie Moonsorrow klingen, aber man merkt schon, dass zwischen diesen beiden Bands ganze Kulturen liegen. Zumal DARKESTRAHs Musik auch zu keinem Zeitpunkt zum Schunkeln einlädt, was bei Moonsorrow zwar auch nicht unbedingt Gang und Gebe war und vor allem nicht mehr ist, aber bei den Asiaten machte der Black Metal schon immer der größten Anteil an der Musik aus.
Wie bereits erwähnt kommt man über längere Strecken eines Stückes auch mal nur mit einzelnen Riffs aus, so dass dessen Qualität ausreichend sein muss, um den Hörer auch über diesen Zeitraum mitreißen zu können. Hierbei kommt den Herrschaften wohl zu gute, dass man nicht ganz aus dem östlichsten asiatischen Raum kommt und sich die Distanz zu den osteuropäischen Staaten in Grenzen hält. Zwar kommt man noch nicht an das Niveau der Ukrainer von Drudkh heran, die es wie keine zweite Band versteht ein Riff zu erschaffen, welches man so oft wiederholen kann wie man will, ohne dass es langweilt, aber es lässt sich nicht übersehen, dass man sich an eben jenen oder ähnlichen Gruppen ein Beispiel nahm, was die Gitarrenarbeit auf „The Great Silk Road“ anbelangt. Wer will es ihnen auch verübeln, denn gerade dieser repetitive, fast schon hypnotische Charakter der Musik ist für das Konzept einer endlos erscheinenden Reise durch Fauna und Flora bestens geeignet, vor allem wenn man in der Wüste jegliches Zeitgefühl verliert und das Wetter auf Körper und Psyche schlägt. Nach guten 52 Minuten Spielzeit fühlt man sich also, als hätte man soeben den längsten Marsch seines Lebens hinter sich gebracht und die letzten Schritte führen einen wieder zurück auf einen Marktplatz, der jedoch tausende von Kilometern vom Startpunkt entfernt liegt.
Ohne Zweifel ist auch für DARKESTRAH der letzte Schritt getan um nicht mehr als kleines Black-Metal-Projekt mit Exotenbonus belächelt zu werden, sondern in die Liga der Großen aufgestiegen zu sein. Mit „Epos“ schaffte man das zwar bereits über weite Teile, jedoch litt das dritte Album für mich noch darunter, dass die Spielzeit arg knapp bemessen war. „The Great Silk Road“ hat dieses Manko nicht und schöpft das Potenzial der Band noch mehr aus. Bei dieser Leistungssteigerung von Werk zu Werk sollte sich inzwischen bei jeder neuen Veröffentlichung der Mannen aus Kirgisistan große Vorfreude breit machen und genügend Inspiration ist durch die eigene Kultur auch jederzeit gegeben. Hut ab und weiter so!
Wertung: 9 / 10