Um die Verhältnisse zwischen Gesellschaft und Künstler zu Beginn in ein gewisses Licht zu rücken, bedarf es gleich zu Beginn eines Zitates aus Wikipedia: „2002 hatte Donovan einen Gastauftritt in der Episode „Tief im Süden“ der Science-Fiction-Zeichentrickserie Futurama, wodurch sein Name einer Generation bekannt wurde, für welche er nicht so selbstverständlich geläufig war.“
Leider ist dies die Tragik heutiger Konsumgeflogenheiten, innovative Musiker, welche Generationen von jungen Menschen beeinflussten, sind heute nur durch Sendungen, deren Niveau allerhöchstens im Mittelfeld anzusiedeln sind, bekannt. Ob die DVD Sunshine Superman von Hannes Rossbacher, die das Leben und Wirken des britischen Folk-Sängers DONOVAN beschreibt, daran etwas ändern kann, ist vermutlich sehr fraglich, dürfte die Zielgruppe dieser Veröffentlichung doch eher die gleiche wie vor 40 Jahren sein.
Für diejenigen gibt es aber einen schönen, wenngleich auch extrem entspannten Rückblick auf das Leben eines Mannes, der die Musikwelt vielleicht nicht so sehr prägte wie ein Bob Dylan (ein Kapitel des Filmes erzählt über die musikalische Beziehung der beiden zueinander), aber dennoch viel bewegte. In einer Sequenzenmischung aus Interviews von heute, damals und einfachen Bildern aus dem ganz normalen Leben als Folkmusiker wird aus DONOVANs Kindheit im zerbombten Glasgow berichtet, in dem Musik und Dichtung die einzige Alternative zu einem hoffnungslosen Leben waren, aus dem Aufwachsen im Einfluss der politischen Strömungen der Zeit bis zum gereiften Mann, der seine Popularität – natürlich, will man jetzt ausrufen – dazu nutzte, in die Weltpolitik einzugreifen. Sei dies durch das Erheben der Stimme oder durch die Musik alleine, bei der protestierenden Jugend der mittleren 60er fanden Menschen wie DONOVAN immer ein offenes Ohr.
Die Einblicke in das Privatleben sind sicher ganz witzig, wesentlich Neues bieten sie zwar nicht, denn mal ehrlich: wer hätte auch nicht damit gerechnet, dass man damals das eine oder andere Kraut rauchte oder sich mit esoterischen Ideen konfrontiert sah. Diese Phase wird freilich in angemessen bunten Bildern geschildert und auch der gemeinsame Trip nach Indien mit den Beatles, die einen mehrwöchigen Meditationskurs bei einem Guru nach sich zog, fehlt nicht. Diese bunte Truppe singt dann Catch The Wind, einen der bekanntesten Songs von DONOVAN, und John Lennon bittet doch tatsächlich um eine Schulung in der Gitarrentechnik des jungen Schotten.
Der Aufmarsch der echten Hippies – also Blumenkinder – bei einem Konzert sorgt dabei für den unfreiwillig komischen Höhepunkt der DVD, damals sicher cool und chic und somit mit einer gewissen Daseinsberechtigung ausgestattet, ist es heute aber ganz einfach nicht mehr zeitgemäß. Da helfen auch DONOVANs Erklärungen zur Herkunft des Wortes Hippie nicht. Fehlen darf es zwar nicht, aber man darf auch nicht erwarten, dass so ein Abschnitt heute mit dem damals angemessenen Ernst aufgenommen wird.
Ein wenig schade ist es, dass außer DONOVAN kaum mal ein Zeitzeuge zu mehr als einer kurzen Aussage kommt. Immerhin kam es ja zu Begegnungen mit Bob Dylan, Pete Seeger, Arlo Guthrie und vielen weiteren, da wäre es schon mal interessant gewesen, von diesen Herrschaften Einschätzungen über DONOVAN zu bekommen, der trotz all seiner Erfolge doch immer irgendwie ein Schattenmann blieb, siehe einführendes Zitat.
Um jetzt nicht ganz so ausschweifend zu agieren wie die DVD selbst (die eigentliche Dokumentation geht drei Stunden, dazu kommen noch mal fast zweieinhalb Stunden Bonusmaterial), mache ich an dieser Stelle mal Schluss. Dies geht natürlich nicht ohne die Gretchen-Frage: wer braucht eine Dokumentation über DONOVAN? Oder besser, wer könnte Gefallen daran finden? Nun, Menschen, die den Künstler nicht erst seit Futurama kennen, sondern vielleicht sogar mit seiner Musik groß geworden sind. Da das vermutlich auf die wenigsten User hier zutrifft, wäre es vielleicht ein schöner Geschenktip für Mutti oder Vati, aber auch für diejenigen, die ehrlicher Rock-Musik etwas abgewinnen können und bereit sind, auch mal einen etwas großzügigeren Blick über den Tellerrand zu werfen, lohnen tut es allemal, Rossbacher ist einer insgesamt sehr umfassende, abwechselunsgreiche, informative, wenn auch manchmal etwas langatmige Dokumentation über einen charismatischen Künstler gelungen. Eine Empfehlung möchte ich aber noch aussprechen: fünfeinhalb Stunden kann sich kaum jemand am Stück ansehen, selbst die dreistündige Hauptdokumentation sollte man sich besser nicht an einem Stück geben. Es ist wie Vokabellernen: jeden Tag ein bisschen sorgt für den meisten Spaß.
Wertung: 8 / 10