Nostalgische Gefühle vermittelt das Artwork der ersten und bislang einzelnen Langrille der lübecker Black Metal Band BLACKSHORE. Die rauhe See, über die sich ein langer Steg erhebt, auf dem hier und da altmodische Laternen stehen. Der Himmel scheint wolkenverhangen, aber genau sagen kann man es wegen dem Sepia-Farbton des Covers nicht. Fest steht, dass mir das Foto, das vorne auf „(Railway to) Blackshore“ prangt, auf Anhieb total sympathisch war, auch wenn ich hinter diesem schlichten aber extrem effektiven Cover keine puristische Black Metal CD vermutet hätte. Das ist „(Railway to) Blackshore“ auch nicht wirklich, aber dazu später mehr…
Im Jahre 2007 erblickte die (mittlerweile) dreiköpfige Formation BLACKSHORE das Licht der Welt um ihre Vision vom Schwarzmetall unter die Leute zu bringen. Und die sieht folgendermaßen aus: „Wir sehen unsren Black Metal als eine Unterart des Rock’n’Roll, in dem es für faschistische oder politische Hintergründe keinen Platz gibt.“ (O-Ton Promoschrieb) Sehr löblich, muss ich sagen, wo man doch vor allem im Untergrund hin und wieder dreimal hingucken muss, ob man eine BM-Band jetzt guten Gewissens hören kann oder nicht. Inwieweit diese Einstellung auf die Musik des Dreiers Einfluss nimmt bleibt abzuwarten.
Los geht’s jedenfalls mit einer kurzen Introduktion mit dem Titel „Frostbitten Warmachine Part I“, die nach einer dahin ratternden Filmrolle klingt. Sehr passend zum Coverbild. Nach wenigen Augenblicken mischt sich dann das Geräusch eines Zuges rein, der die Schienen entlangfährt und hier ist er, der Bogen, der zum Albentitel geschlagen wird. Auch die eigentlichte Musik lässt nicht lange auf sich warten. Eine einsame Gitarre spielt ein geradezu melodisches Riff daher. Das einsetzende Schlagzeug leitet dann perfekt zum ersten richtigen Track, treffend „Frostbitten Warmachine Part II“ betitelt. über, der eindrucksvoll beweißt, dass man zeitgleich nationalsozialistische Tendenzen verachten und trotzdem Kriegsthematiken behandeln kann. Sehr martialisch klingt der Opener, mit wuchtigem Drumming, teilweise in höheren Geschwindigkeitssphären, zumindest am Anfang des Tracks aber größtenteils richtiggehend doomig. Die Lyrics sind teilweise Deutsch, teilweise Englisch und gefallen richtig gut (das „Alles wird ausgebombt“ klingt einfach nur verdammt cool). Im Vorfeld hatte ich ein paar Vergleiche mit Marduk und Konsorten gelesen und das stimmt irgendwo auch, allerdings nur sehr bedingt. Die Musik ist nicht ganz so kompromisslos wie die der schwedischen Kollegen, die Riffs lassen mehr Raum für Melodik. Aber Sänger Hades erinnert mich von Zeit zu Zeit doch sehr stark an Joakim Göthberg, der der Kriegsmaschine beispielsweise auf der „Opus Nocturne“ seine Stimme lieh.
„Frostbitten Warmachine“ zeigt eigentlich schon sehr eindrucksvoll, wo BLACKSHOREs Stärken liegen. Das Soundbild ist sehr druckvoll und ausgewogen und schön voll, hat aber auch noch genug Ecken und Kanten zu bieten, um nicht einfach so ins eine Ohr rein und zum anderen wieder raus zu flutschen. Die handwerklichen Fähigkeiten des Dreiers sind absolut rund und auch Songwriterisch ist eigentlich alles in Ordnung… naja, fast alles zumindest. Denn hier liegt auch der Hund begraben. Der Track bringt es auf mehr als acht Minuten. Der Anfang ist saustark, das Ende auch, aber in der Mitte ist zwischenzeitlich arg die Luft raus. Da fehlen einfach die Ideen, da gibt es zu viel Leerlauf. Der Song ist gut, aber zu lang.
Die beiden nächsten Songs, „Stalinorgel Terrorbeast“ und „Doomdriven Devils Of Death“ (mal ehrlich, der Titel tritt ja wohl einfach nur mal Arsch, oder?) fahren konsequent weiter auf der Schiene (is ja auch ein Railway, die CD, höhö) und bieten anständiges, grimmiges Black Metal Gebolze mit einer teilweise recht rockigen Ausrichtung (kein Wunder, sehen die Jungs ihren Black Metal doch als Untergenre von genau diesem an), die zwar nie so weit geht, wie die Kollegen von I es beispielsweise mit ihrem Black’n’Roll machen, aber… die Attitüde ist zweifelsohne vorhanden. „Stalinorgel Terrorbeast“ kann außerdem noch mit einem netten Intro-Sample und sehr stimmigem Kriegsambiente im Mittelteil punkten, der Song ist wirklich stark und kann sehr viel.
Doch erst mit Track 5, dem „Herz des Albums“, wie die Band selbst sagt, kehren die Jungs zu dem zurück, was sie auf ihrem Coverartwork propagierten: Nostalgie. Melancholie. Die rauhe See. Gesampeltes Wellenbranden und eine sehr schwermütige Gitarre so wie ein paar sehr nette Bassläufe leiten das Stück ein. War die Atmosphäre der Songs bisher klirrend kalt, so ändert sich das bei dem Stück grundlegend. Geradezu warm, heimelig, aber wie gesagt auch nostalgisch und melancholisch kommt das Intro des Songs daher. Unterstützt wird diese Atmosphäre vom klaren Gesang von Swantje Hess, die zwar keinen Text singt, aber ihr angenehmes Organ vermittelt trotzdem eine sehr sehnsuchtsvolle Stimmung. Gemischt mit Hades‘ bösartigem Krächzen entsteht daraus ein faszinierendes Gegenspiel der Gefühle. Großartig. Mit dem Song hat die Band großes geleistet. Im weiterne Verlauf wird auch mal eher rasender Black Metal zelebriert, aber hier gelingt ihnen das, wobei „Frostbitten Warmachine“ versagt: Der Song hält den Hörer die vollen neun Minuten bei der Stange. Großartig.
Alles was danach kommt kann im Gegensatz zu dem Übertrack, der „Blackshore“ ist, eigentlich nur noch blass aussehen, möchte man meinen. In gewisser Weise ist das richtig, an die Glanztat können die Jungs für den Rest des Albums nicht mehr anschließen, aber schlecht sind die letzten beiden Songs nicht. Mit „Are You Ready For Some Real German Ärger“ (ebenfalls einfach nur cooler Titel) ist ein dreckiger, wütender, punkiger Anti-NSBM-Brocken im Gepäck, der vor Allem aufgrund seiner Kürze Laune macht. Einfach nur ein netter Reißer, der gut nach vorne geht. Und den Abschluss macht das noch mal etwas epischere „Empire Of Ashes“, das mit ein paar sehr starken Riffs punkten kann und den Hörer quasi mit Höchstgeschwindigkeit aus dem Stück entlässt. An den Song schließt sich zwar nach kurzer Pause noch mal ein Hidden Track an, aber dann sind die 41 Minuten, die „(Railway to) Blackshore“ dauert, auch schon rum.
Was bleibt nach diesem Tour-de-Force-Ritt zu sagen? BLACKSHORE haben verdammt viel Potential was richtig Großes zu werden. Mit dem Opener haben sie sich keinen wirklichen Gefallen getan, aber ihr Über-Werk „Blackshore“ reißt das glücklicherweise wieder raus. Und das Ding ist, wenn die erste Durststrecke erst mal rum ist, absolut kurzweilig geworden. So ist das Album eigentlich eines, das jeder Fan von ursprünglichem, pechschwarzen Black Metal mit ordentlicher Rock-Attitüde sich schnellstens zulegen sollte. Was aber leider im Augenblick noch nicht möglich ist, denn obwohl die Platte schon fertig ist, suchen BLACKSHORE noch nach einem Label, bei dem sie das Ding unterbringen können. Verdient hätten sie es allemal, denn so eine starke Black Metal Scheibe hört man nicht alle Tage.
Wertung: 8 / 10