Review Fear My Thoughts – Isolation

Als ich das erste mal einen Song vom neuen Album der Rheinfelder FEAR MY THOUGHTS hörte, prangten in riesengroßen, bunt blinkenden Buchstaben die Worte „Kansas City Shuffle“ vor mir auf. Dabei handelt es sich nicht nur um einen Sond von Bennie Moten, sondern auch um ein Spiel mit Desinformation und Täuschung. Das klingt jetzt brutaler als es ist. Dennoch dürfte die unvermutete 180°-Kehrtwende der Jungs vom grandios preschenden Metalcore des Vorgängers Vulcanus, der einem wie eine Horde Wildsäue den Schmalz aus den Ohren rüttelte, zum jetzigen Stil vielen Fans der kernigen Richtung sauer aufstoßen.

Denn sie sind vorbei, die glamourösen Tage, an denen sich Ex-Sänger Mathias Benedikt von Ockl die Seele aus der Leib schrie und Double-Bass-Gewitter sich mit bösartigen doppelstimmigen Riffs paarte. Und weil ich die ersten Leser bei diesen Worten schon in Tränen ausbrechen sehe, höre ich lieber auf zu schwärmen und hole stattdessen einen Keks zum Trost heraus. Der Keks heißt Isolation. Und es ist ein ziemlich ziemlich großer Keks, um nicht zu sagen gewaltig. Allerdings nur unter der Voraussetzung, mit dem bisherigen Schaffen der Band abschließen zu können.

Schafft man dieses kleine Kunststück und wartet nicht ständig auf den Break und die Ansage, dass doch alles nur ein Scherz sei, lernt man eine nicht minder beeindruckende Seite der FEAR MY THOUGHTS kennen. Die Jungs grooven und melodeien, dass sogar Omas Parkinson im Takt mitzittert. Lässt man das überflüssige titelgebende Intro außen vor, bekommt man als open-minded Hörer 9 Songs von Weltklasse aufs Tablett. „The Blind Walk Over The Edge“ eröffnet den Reigen und springt mühelos zwischen den Welten der haarfeinen Stilgrenzen. Von der ersten Sekunde an geht es, da hat sich nichts geändert, direkt ab durch die Mitte irgendwo nach vorne.

Progressiv aufblühende Gitarrenmelodien tanzen mit pointierten Drums geschickt um Martins raue, aber klare und angenehm warme Stimme, stampfen dann zusammen mit dem wummernden Bass alles platt, nur um kurz danach wieder einen Klangteppich zu schaffen, auf dem man sich ausbreiten und davonfliegen möchte. Generell wurde das Tempo etwas runtergedreht, wofür die Komplexität deutlich zugelegt hat. „Kansas City Shuffle“ wäre vielleicht der passendere Name gewesen bei dem Ideenreichtum, den die fünf Musiker an den Tag legen.

Und eigentlich habe ich gelogen. Fette Riff-Soße auf Double-Bass-Teig gibt es auch weiterhin, wenn auch erst zum Ende der Langrille und akzentuierter eingesetzt. Zudem zeigt Martin in „Pitch Black“ und „Creeping Lord“, dass er auch die kehligen Vocals drauf hat. Der, dessen Kopf da nicht wackelt, hat definitiv zu viele Schlaftabletten geschluckt.

Jeder Durchgang entlockt Momente, die vorher entgangen sind, jeder Durchgang macht mehr Spaß. Ehrlich gesagt habe ich keine Idee, wie ich das Album kategorisieren soll. Ist aber letztendlich auch egal, denn von „The Blind Walk Over The Edge“ über „Number By The Beast“ und das schnelle, aber doomig „Through The Eyes Of God“ mit Hammond-orgel bis zum abschließenden Kracher „Burning The Lamb / The Sacrifice“ ist kein einziger Ausfall zu verzeichnen, was bei diesem radikalen Richtungswechsel schon ein Wunder für sich ist.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Fans nicht zu verbohrt durch die Welt laufen und sich dem neuen Material öffnen können. Für mich bisher eine der größten Überraschungen des Jahres und unbedingt empfehlenswert. Die 10 gibt es nur deswegen nicht, weil das Intro total überflüssig ist und bei eingeschlagenem Weg das nächste Mal die 10 sicher ist. Konsequent weiter öffnen. Bitte! Denn das ist es, was diese Scheibe zu einem Kunstwerk mit Zukunft macht.

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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